Geldsack. Martin Arz

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Geldsack - Martin Arz

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lieber mal was, du Klappergestell!«, brüllte Douglas von Nolting, machte eine wegwerfende Handbewegung und stapfte wütend davon in sein Ankleidezimmer.

      »Ich … ich gehe heute mit Sarah zum Lunch«, kiekste Bibi entschuldigend.

      »Lunch! Lunch! Dann iss da auch mal was und sauf nicht nur, blöde Kuh. Und wisch die Sauerei hier weg.«

      »Das kann Danuta dann morgen …«

      »Ich hab mich wohl verhört?« Douglas von Noltings Kopf tauchte im Türrahmen des Ankleidezimmers auf.

      »Nein, schon gut, Schatz. Ich ruf gleich unten beim Housekeeping an.« Sie schlenderte zur Wand hinüber. Der Warhol, eines seiner Mao-Porträts im Format 205 x 155 cm, und sie hatte das mehrfach genau nachgemessen, war unversehrt. Bibi liebte das Bild. Sie hatte es von ihrem Vater 1973 geschenkt bekommen. Zur Geburt. Ihr Vater hatte es persönlich in New York bei Andy Warhol gekauft. Davon gab es sogar Fotos. Und dann sah sie genauer hin: Tatsächlich! Einige kleine grüne Spritzer liefen über die Leinwand. Hektisch versuchte sie, sie mit dem Ärmel ihres Morgenmantels wegzuwischen.

      »Verdammt! Schatz! Du hast den Warhol versaut!« Sie begann, wie ein kleines Kind zu weinen.

      »Heul nicht.« Douglas kam zu ihr und begutachtete den Schaden. »Lass die Finger davon. Das bringe ich heute noch zum Restaurator. Ist bald wieder wie neu.« Er stapfte davon. »Und Pfoten weg!«

      »Es muss aber am Mittwoch wieder da sein! Da kommen die Leute von der Elle Decoration für die Fotoreportage! Da muss alles perfekt aussehen. Ich möchte mich nicht blamieren.« Bibi schniefte noch ein paar Mal, dann bummelte sie zurück zum Fenster, lehnte sich wieder gegen die Scheibe und sah gedankenverloren hinaus. Von hier aus konnte man den Gärtnerplatz sehen und das schöne Theater, das leider wegen Renovierungsarbeiten eingerüstet war. Sie genoss die Sonnenstrahlen. Dass unten im Garten die Polizei arbeitete und die Frühstückssauerei, hatte Bibi von Nolting inzwischen völlig ausgeblendet. Sie würde hier stehen und warten, bis ihr Yogalehrer kam.

      Eine Etage darunter öffnete Arno Ewers das Fenster und lehnte sich so weit wie möglich hinaus, um zu schauen, was unten im Garten vor sich ging. Chouchou und Froufrou umwieselten blöde hechelnd seine Füße. Er mochte die kleinen Möpse, aber warum ihnen Cliewe diese peinlichen Namen verpasst hatte, würde Arno nie verstehen. Cliewe konnte manchmal so peinlich klischeehaft sein. Arno schlürfte von seinem Kaffee und überlegte, ob er Cliewe wecken sollte. Wobei mit dem vor halb elf nie etwas anzufangen war. Er beschloss nachzuschauen, ob Cliewe nicht vielleicht schon zufällig wach war. Er stellte den Kaffeebecher vorsichtig auf den Filzuntersetzer auf dem Esstisch, nahm die kleinen Hunde hoch und schlich auf Zehenspitzen in dessen Schlafzimmer, das komplett abgedunkelt war. Im Licht, das durch die Tür fiel, erkannte Arno Ewers, dass Cliewe noch seine Schlafmaske trug und tief und fest schlief, zumindest atmete er gleichmäßig und ruhig. Die Hunde auf seinen Armen wurden unruhig und fiepten. »Schsch«, machte Arno leise. »Mama schläft noch, ihr kleinen Racker. Kommt, wir schauen weiter, was da unten passiert«, flüsterte Arno Ewers leise, während er die Tür zuzog und zurück auf seinen Aussichtsposten ging.

      Ganz oben auf der Dachterrasse hatte Iwan inzwischen genug gesehen. Er beugte sich zurück und zündete sich eine Zigarette an. Vorne, am anderen Ende der langen Terrasse, spielte der kleine Ramses mit Steinchen und kleinen Autos Steinlawine. Gelegentlich warf er auch einen Kiesel und schließlich ein rotes Auto über die Brüstung. »He, Ramses«, zischte Iwan. »Ist gut! Das macht man nicht.« Ramses schaute gelangweilt auf und spielte dann weiter. Iwan rauchte die Zigarette hektisch innerhalb kürzester Zeit bis zum Filter herunter, drückte sie sorgsam im Aschenbecher aus, zupfte zwei kleine Fussel vom Jackett und strich seinen Anzug zurecht. Dann nahm er zwei Minzdrops, denn der Chef hasste es, wenn jemand frisch nach Zigaretten roch. Er sah auf die Uhr. Zu früh. Aber unter diesen Umständen war eine Ausnahme nötig. »Wird Zeit, dass der Chef erfährt, was da los ist«, murmelte er und trat durch die Schiebetür in die Wohnung.

      03 »Was ist mit Ihrem Auge?«, fragte Max Pfeffer.

      »Nichts.« Lenz Stockmair drehte den Kopf verlegen weg. »Kleiner Unfall mit einem Türrahmen. Ich trinke nicht.«

      »Das habe ich auch gar nicht behauptet. Waren Sie beim Arzt?«

      Der Gärtner schüttelte unmerklich den Kopf. »Passt schon.«

      »Muss ein ganz schöner Schock für Sie gewesen sein, als Sie den Toten gefunden haben.«

      Lenz nickte. »Das ist der Zumboldt aus dem zehnten Stock, nicht wahr?«

      »Richtig. Erzählen Sie mir ein bisschen von ihm.«

      Der Gärtner sah überrascht auf. »Ich? Also, ich kenne die Herrschaften aus dem Haus eigentlich gar nicht. Man hat sich gegrüßt. Mehr nicht. Ich bin ja nur der Gärtner.«

      »Sind Sie hier fest angestellt?«, fragte Pfeffer und setzte sich neben Lenz auf das kleine Mäuerchen, nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Mauer sauber war. Er hatte keine Lust, seinen hellgrauen italienischen Sommeranzug zu ruinieren. Er mochte den Anzug, den er sich in Mailand gekauft hatte. Er betonte seine sportliche Figur und war einfach federleicht.

      »Nein«, antwortete der Gärtner. »So viel ist hier dann doch nicht zu tun. Ich komme zweimal die Woche und natürlich bei besonderen Gelegenheiten, wenn saisonale Pflanzungen anstehen und so. Es gibt hier ja die Gartenanlagen vor und hinter dem Haus und dann noch dort drüben«, er deutete zu den benachbarten niedrigen Neubauten, »da gibt es ›Secret Gardens‹, wie die das nennen. Ist schon immer was zu tun.«

      »Da bekommt man dann doch ein bisschen was über die Bewohner mit, oder?«

      »Sicher, ein bisschen. Meist nur Klatsch und Tratsch. Sie müssten Schorsch fragen. Den Chefhausmeister. Oder einen von den Conciergen. Die wissen alles. Oder denken das zumindest.«

      »Na«, sagte Pfeffer aufmunternd und gab sich locker. »Dann erzählen Sie mir doch einfach ein bissl Klatsch und Tratsch aus dem Haus.«

      Lenz Stockmair sah unsicher zum Kriminaler hinüber und lächelte schüchtern. »Ich weiß ja nicht. Ich will niemanden reinreiten …«

      »Sie reiten niemanden rein«, beruhigte Pfeffer. »Es geht hier immerhin um einen Mord. Der Zumboldt ist ja schließlich kein Unbekannter«, fügte er im Plauderton hinzu.

      »Ja«, lachte der Gärtner zustimmend. »Den kennt man aus der Presse, den Zumboldt. Schließlich will der ja ein Wiesnzelt.«

      »Den Zumboldts gehört doch das Münchner-Kindl-Zelt, oder?«

      »Richtig. Drum können sie sich das hier auch leisten.« Lenz deutete das Hochhaus hinauf. »So ein Wiesnzelt soll ja eine Gelddruckmaschine sein. Was man so hört. Meine Frau hat jedes Jahr als Bedienung auf der Wiesn gearbeitet. Da kommt was bei rum.« Er brach ab.

      »Hört man immer wieder«, ermutigte Pfeffer den Mann zum Weiterreden. »Davon leisten Sie sich dann sicher einen schönen Urlaub?«

      »Nein.« Lenz Stockmair schüttelte den Kopf. »Haus abzahlen. Wir haben ein kleines Reihenhaus in Sendling am Luise-Kiesselbach-Platz. Meine Frau ist Kellnerin. Hat lange Jahre für die Zumboldts gearbeitet. Jetzt haben sie sie vor einem halben Jahr rausgeschmissen.« Er schüttelte sich und wechselte gleichzeitig das Thema, als wolle er nicht über sein Zuhause sprechen. »Der Zumboldt senior soll angeblich gar nicht mehr gut auf seinen Sohn zu sprechen gewesen sein. Da war was im Busch, heißt es. Hat der Hausmeister, der Schorsch, erzählt. Er muss wohl mal zufällig einen großen Krach mitbekommen

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