Geldsack. Martin Arz

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Geldsack - Martin Arz

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kann Ihnen das ganze Anwesen zeigen, wenn Sie möchten.«

      »Darauf komme ich gerne zurück.«

      Die Lifttür öffnete sich. Pfeffer und Hartwig betraten den Flur, der mit zartgrauen italienischen Marmorplatten gekachelt war. Pfeffer sah nur zwei Türen, eine war offenbar die Wohnungstür, über der anderen leuchtete ein grünes Notausgangsschild, sie führte also zum Treppenhaus.

      »Lassen Sie bitte mich das regeln«, sagte der Objektmanager und trat vor die Gegensprechanlage links von der Wohnungstür. Er läutete und wartete. Er sah dabei ernst und direkt in die kleine Kamera oberhalb der Klingel, in der Erwartung, dass sich gleich jemand melden würde.

      »Da sind Sie ja«, sagte die Frau, die mit Schwung die Tür aufriss. Sie schob einen großen Koffer durch die Tür. Sie war eine attraktive Blondine in den Dreißigern, doch ihr Gesicht wirkte einen kleinen Hauch zu maskenhaft. »Den können Sie gleich schon mal mit runternehmen. Dann kommen Sie wieder rauf und holen den Rest. Bin gleich fertig.«

      »Äh, nein, Frau Zumboldt«, stotterte Hartwig. »Das ist nicht der Chauffeur …«

      »Pfeffer, Kripo München.« Max Pfeffer hielt seine Dienstmarke hoch. Die Frau stoppte irritiert in ihrer Betriebsamkeit, kniff die Augen zusammen und kam ganz nah. Offenkundig war sie zu eitel für eine Brille und hatte keine Kontaktlinsen drin.

      »Kripo?«, fragte sie abschätzig. Dann lächelte sie und musterte Pfeffer. Dass ihr gefiel, was sie sah, verbarg sie nicht. »Ich fürchte, Sie kommen nicht wegen mir, oder?« Sie warf ihren Kopf kokett nach hinten. Ihr streng nach hinten gebundener Pferdeschwanz wippte frech.

      »Sollte ich denn Ihretwegen kommen?«, fragte Pfeffer.

      Statt darauf zu antworten, machte sie eine einladende Geste und gab den Weg in die Wohnung frei. Pfeffer trat ein, und als Hartwig ihm folgen wollte, schenkte er ihm einen scharfen Blick. Hartwig stockte. Dann sagte Fiona Zumboldt: »Danke, Hartwig, wir kommen sicher alleine zurecht.«

      »Ich … ich verabschiede mich dann mal. Frau Zumboldt. Herr Pfeffer.« Objektmanager Jürgen Hartwig verbeugte sich leicht und zog sich zurück.

      »Was für eine schleimige Schwuchtel«, sagte Fiona Zumboldt und verlor damit sofort alle Sympathiepunkte bei Pfeffer, obwohl er sie auf den ersten Blick für durchaus sympathisch und trotz des zu heftigen Botoxeinsatzes für sehr attraktiv gehalten hatte. Dann schob sie ein »Entschuldigen Sie die Ausdrucksweise« hinterher, und Pfeffer war halbwegs versöhnt. Sie führte Pfeffer in den großzügigen Eingangsbereich des Lofts. Die bodentiefe Fensterfront genehmigte einen atemberaubenden Blick über Münchens Süden hinweg in die Weite. Wenn Föhn geherrscht hätte, hätte man die Alpen sehen können. So konnte man sie nur im blauen Dunst erahnen. Das Entree war spärlich, aber höchst erlesen möbliert.

      »Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten, Herr Pfeffer? Und bitte nehmen Sie doch Platz.« Sie deutete auf eine kleine, massive Eichenholzbank, die so schlicht aussah, dass sie ein Vermögen gekostet haben musste.

      »Danke.«

      »Danke ja oder danke nein.«

      »Danke nein. Ich bleibe auch lieber stehen. Sie verreisen?«, fragte Pfeffer und deutete auf die gepackten Koffer.

      »Ich? Nein. Bestimmt nicht. Mein Mann verreist. Auch wenn er das noch nicht weiß. Irgendwann reicht es.«

      »Ich verstehe«, sagte Pfeffer langsam.

      »Nein, das glaube ich nicht. Keiner versteht meinen Mann. Ich schon mal gleich gar nicht.« Sie lehnte sich mit verschränkten Armen gegen eine Kommode, die ebenso schlicht und streng gestaltet war wie die Holzbank. Über dem Möbel hing eine alte afrikanische Maske. »Sie wollten mit mir über meinen Mann sprechen, Herr Pfeffer?«

      »Richtig.« Max Pfeffer kam nicht weiter. Es läutete an der Tür.

      »Herrschaftszeiten«, stöhnte Fiona Zumboldt und ging mit großen Schritten zum Eingang. Sie riss die Tür mit einem unfreundlichen »Ist der Chauffeur endlich da?« auf und prallte mit einem Seufzer zurück. Vor der Tür stand ein dralles Trachtlerpaar. Sie im nachtblauen Dirndl mit hellblauer Schürze, er in einem dunklen Lodenanzug mit besticktem Gilet und Filzhut mit prächtigem Gamsbart. Er trug eine alte Aktentasche in der linken Hand. Beide lächelten ebenso zuckersüß wie falsch. Jeder, der auch nur gelegentlich einen Blick in eine Münchner Zeitung warf, erkannte das prominente Wirtspaar Hedwig und Alois Zumboldt sofort – Großgastronomen, Wiesnwirte, Münchner Institutionen.

      »Mei, Fiona.« Die dicke Trachtlerin rauschte herein und drückte die Hausherrin kurz an ihren mächtigen Busen. »Gut schaust du aus. Bisschen blass, na, das liegt wahrscheinlich nur an dem grünen Dings, das du da trägst. Grün ist einfach nicht deine Farbe, Schatz.«

      »Freu mich auch, dich zu sehen, Hedwig.« Fiona Zumboldt ertrug mit stoischem Blick auch das Bussi-Bussi des dicken alten Manns.

      »Wir wollen nicht lange stören«, sagte Alois Zumboldt und schob sich in die Wohnung. »Termine, Termine, Termine und dann müssen wir noch zum Empfang vom Tourismusamt. Die Chinesen sind doch da. Da muss man ein bissl antichambrieren, gell?«

      »Herr Pfeffer, meine Schwiegereltern. Hedwig und Alois Zumboldt«, stellte Fiona Zumboldt sie einander ganz nebenbei vor. »Sie wohnen direkt über uns. Überaus praktisch«, fügte sie sarkastisch hinzu.

      »Soso«, sagte Hedwig Zumboldt demonstrativ desinteressiert und streifte den Kriminalrat kurz mit einem Blick. Dann sah sie irritiert noch ein zweites Mal hin. Pfeffer glaubte fast, ihre Gedanken lesen zu können. Zuerst, das war ihm klar, hatte sie ihn für Personal gehalten, den Chauffeur vielleicht. Mann im besten Alter, grauhaarig zwar bereits, aber sehr athletisch gebaut, breite Schultern, markantes Kinn. Und dann diese Augen. Schokoladiges Kuschelbraun, fiel Hedwig Zumboldt spontan ein. Dann registrierte sie, dass er für Personal zu teuer und zu geschmackssicher angezogen war. Womöglich ein Chauffeur mit speziellen Diensten für die Schwiegertochter? Wenn ja, dann verstand sie ihre Schwiegertochter bestens.

      »Und was macht der Herr Pfeffer?«, fragte sie und schenkte ihm plötzlich ihre ganze Aufmerksamkeit. Pfeffer war sich sogar sicher, dass sie einen kleinen Flirtversuch in ihre blauen Augen legte. Irgendetwas an dieser Frau erinnerte Pfeffer an jemanden, an den er absolut nicht erinnert werden wollte.

      »Der Herr Pfeffer ist bei der Kriminalpolizei«, sagte Pfeffer. Ihm entging nicht, dass Alois Zumboldt kurz zusammenzuckte und die Augenbrauen kraus zog.

      »Und was verschafft uns die Ehre?«, fragte Hedwig Zumboldt. Sie ließ sich dabei ein wenig zu offensichtlich und zu tief in Pfeffers kuschelbraune Augen fallen.

      »Es betrifft Ihren Sohn und Ihren Gatten«, antwortete Pfeffer. Doch bevor er weiterreden konnte, stürmten zwei Kinder den Flur entlang.

      »Ach, da sind ja meine Schätzchen«, kreischte Hedwig Zumboldt und umarmte die beiden semmelblonden Kinder, die die Umarmung nicht erwiderten, sondern mit hängenden Armen über sich ergehen ließen. Der Junge mochte acht oder neun sein, seine kleine Schwester fünf oder sechs.

      »Hast du uns was mitgebracht, Oma?«, fragte der Junge, als er wieder festen Boden unter den Füßen hatte.

      »Natürlich, meine Schätzchen.« Sie nestelte zwei klein gefaltete Zwanzigeuroscheine aus ihrem Dekolleté und reichte sie den Kindern. Die tauschten einen schnellen abschätzigen Blick und schnappten sich das Geld.

      »Du verwöhnst sie zu sehr«, sagte Fiona Zumboldt streng.

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