Die wilde Reise des unfreien Hans S.. Martin Arz
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Читать онлайн книгу Die wilde Reise des unfreien Hans S. - Martin Arz страница 23
»Sünde, Sünde, blablabla.« Der Schwarze warf die Hände in die Luft. »Ihr Christen immer mit eurer Sünde. Und trotzdem sündigt ihr ununterbrochen. Konkubinen nachsteigen ist auch Sünde.«
»Mir egal«, antwortete Hans entspannt. Er konnte sich absolut sicher sein, dass er für alle Zeiten von Sünden reingewaschen war. Denn als er gerade zwölf Jahr alt war, hatte Papst Bonifaz IX. das erste Gnadenjahr außerhalb Roms ausgerechnet München zugesprochen. Hans hatte alles eingehalten, was nötig war. Die Grundvoraussetzung – nach München pilgern und dort sieben Tage verweilen – fiel in seinem Fall flach. Er besuchte je dreimal die Frauenkirche, die Peterskirche, die Jakobskirche am Anger und die Spitalskapelle, verehrte brav einmal die ausgestellten Reliquien, beichtete und dann kam das Entscheidende: Er spendete ein Almosen, genauer gesagt hatte sein Vater für alle Familienmitglieder das Geld gegeben. Mit dem Gnadenjahr hatten sich Hans und die Münchner von der Strafe des Fegefeuers freigekauft. »Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt«, hatten Hans und seine Kumpels ein beliebtes Spottlied gesungen. Zugegeben, der Ablass galt für alle Sünden außer für vorsätzliche Tötungen. Und vorsätzliche Tötungen hatte Hans inzwischen einige begangen. Doch das beunruhigte ihn nicht, denn das Töten im Krieg fand im Namen und zu Ehren Gottes statt. Er hatte nur Heiden getötet, und selbst jetzt im osmanischen Heer waren seine Opfer weiterhin allesamt Heiden. Seine Seele war blütenrein. Das viele Geld, das München damals im Jahr 1392 eingenommen hatte, sollte ursprünglich je zur Hälfte an die genannten Kirchen und den Papst gehen. Doch Herzog Stephan zweigte sich flugs ein Viertel ab, und auch die Stadt München behielt einfach jene Summe ein, die dem Papst zugestanden hätte. Der Papst verhängte daraufhin Bann und Interdikt gegen diese »ruchlose« Stadt, was die Münchner in ihrer Gewissheit, nun aller Sünden frei zu sein, wenig scherte.
»So? Das ist dir egal?«, sagte der Eunuch spitz. »Na, mir ist es auch egal. Wir Eunuchen müssen sehen, wo wir bleiben. Und hübsche Janitscharen gibt es immer, die gut an Mauern hochklettern können. Da gibts eben manchmal Eifersüchteleien.«
»Das heißt, der Tumult vorhin galt gar nicht mir?«
»Nein, kleiner Janitschar, die Welt dreht sich nicht nur um dich. Du kannst weiterhin deine Gülsüm besuchen.«
»Gülsüm?«
»Oh, eine andere? Gülsüm ist durchaus beliebt und sehr offenherzig. Ich mag sie. Sie ist wie eine Schwester für mich. Aber die anderen? Na, musst mir nicht verraten, wer deine Herzensdame ist. Die haben sich aber offensichtlich wieder beruhigt. Ich glaube, ich kann langsam wieder runtergehen. Und du auch.«
»Ich kann doch nicht wieder durch die Haremszimmer gehen.«
»Warum denn nicht? Na gut, dann komm mit mir.«
Er warf ein Seil, das am Kamin verknotet war, hinunter und kletterte daran hinab. Hans folgte ihm. Er bemerkte, dass das Seil lang genug war, um damit die ganze Mauer bis zur Straße hinunterzuklettern. Oder eben hinauf. Sie stiegen durch ein kleines Fenster in eine dunkle Kammer, in der Körbe standen.
»Du bist gut vorbereitet«, sagte Hans leise.
»Ich kenne meine lieben Miteunuchen«, entgegnete Rafik. »Wir sind im ersten Stock, die Konkubinenräume sind zwei Türen weiter links. Wenn wir jetzt rausgehen, findest du den Weg hinaus?«
»Sicher«, antwortete Hans. »Danke dir, Rafik.«
»Vielleicht sehen wir uns mal wieder oben auf dem Dach.«
»Ich hoffe nicht«, verabschiedete sich Hans. Er schlich durch die Flure. Kein Lichtschein weit und breit, also auch keine Wache auf Rundgang. Als er um eine Ecke bog, stieß er fast mit Yorick zusammen. Hans hielt sich vor Schreck die Hand vor den Mund.
»Da bist du ja endlich«, zischte Yorick. »Was war denn das für ein Radau vorhin? Ich dachte schon, sie haben dich erwischt. Aber hier ist niemand aufgetaucht.«
»Na, hör mal, als du wie vereinbart miaut hast, bin ich aufs Dach geklettert.«
»Ich habe gar nicht miaut. Da war ja niemand.«
»Nicht? Wer dann?«
»Wahrscheinlich eine echte rollige Katze.«
»Na toll. Den Krach haben übrigens die Eunuchen veranstaltet. Irgendeine Eifersuchtssache.«
»Das muss ich jetzt nicht verstehen, oder?«
Sie liefen schnell zurück zum Zimmer des Wesirs und öffneten vorsichtig die Tür. Alles schien in Ordnung. Sie schlüpften in den Raum und schlossen die Tür.
»He, wer da?«, bellte plötzlich der Bass des Wesirs durch den Raum. Der kleine dicke Mann stand wie aus dem Nichts vor ihnen und hielt ein Schwert an Yoricks Gurgel. »Was wollt ihr?«
»Wir …, verzeiht, Herr …«, stammelte Hans schreckensstarr.
Wesir Memduh überraschte sie, indem er scharf die Luft durch die Nase einzog und schnupperte. Dann lachte er und ließ sein Schwert sinken. »Rosenöl. Habt ihr wirklich gedacht, dass …« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Hört mal, ihr Burschen! Ja, ich weiß, dass es verschiedene Gerüchte über mich gibt. Und ihr seid auch nicht die Ersten. War es eine Wette? Eine Mutprobe? Lasst euch eins gesagt sein, Burschen, egal, was man euch erzählt habt, ich mag keine parfümierten Knaben.«
»Das …, ach so, nein.« Hans ertastete in seiner Manteltasche die kleine Öllampe und das Siegel von Mir Ahmad. Er zog beides heraus und hielt die Lampe hoch. »Nein, Herr, das ist ein Missverständnis. Unsere Lampe ist durch den Luftzug ausgegangen. Und offenbar habt Ihr unser Klopfen eben nicht gehört. Darum sind wir einfach hereingekommen. Verzeiht, Herr. Es gibt nämlich wichtige Nachrichten.«
»So? Und warum gehst du damit nicht zu deinem Kommandanten?«
»Weil mir die Nachricht so wichtig scheint, dass wir gleich zu Euch gekommen sind. Ihr seid doch der Stellvertreter unseres Sultans …«
»Gut, lass hören.«
Hans erzählte die Geschichte, die er vom Boten gehört hatte, von Sultan Burhaneddin und Qara Yoluk Uthman Beg, von Sebast und den Weißen Hammeln. Er zeigte dem Wesir das Siegel Mir Ahmads und endete damit, dass den Boten leider das Zeitliche gesegnet hatte, weshalb niemand den Sultan informieren würde.
»Nun, das ist wirklich eine interessante Nachricht. Unser Vater Bayezid wird sicher nicht erfreut sein, wieder einmal von Burhaneddin und den Weißen Hammeln zu hören.« Der Wesir seufzte. »Gut, schicken wir einen Boten los. Los, Bursche, zünd endlich dein Lämpchen an, damit ich eine Botschaft schreiben kann.« Der Wesir setzte sich an den Schreibtisch und verfasste einen Brief, den er mit seinem Siegel verschloss. Dann ließ er sich von Hans und Yorick hinunter zum Eingang der Zitadelle begleiten, wo er die Wachen anwies, sofort ihren Kommandeur herbeizurufen. Dass einer der Wachen ausgerechnet Don Juan war, nahm Hans als gottgegeben hin – es passte zu dieser verrückten Nacht.
Während sie auf den Kommandanten warteten, fragte Don Juan in jenem lauten Flüstern, das garantiert jeder im näheren Umkreis mitbekommen musste: »Wie seid ihr hier hereingekommen? Ich habe euch nicht passieren lassen, oder?« Das abschließende »Arschloch« zischte er tatsächlich leise.
»Wir sind hier durch diese Tür gekommen«, flüsterte Hans genauso laut zurück. »Wir waren besonders leise, denn wir wollten dich und deinen Kollegen nicht aufwecken.«
»Wir