Tödlicher Spätsommer. Ursula Dettlaff
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„Ich habe schon bestellt. Zwei halbe Brötchen und ein Kännchen Ceylontee, ist doch richtig, oder?“
Petras Handy lag neben ihrem Frühstücksteller. „Man weiß ja nie. Vielleicht ruft jemand aus der Schule an“, meinte sie. „In letzter Zeit häufen sich Beschwerden über Sebastian.“
Es gebe keine Schlägerei, an der der Junge nicht beteiligt sei. „Schule bedeutet bestimmt Stress. Zu mir ist er immer freundlich“, warb Helene um Verständnis. „Außerdem muss er sich doch wehren.“
Typisch Helene, ärgerte sich Petra. Die hatte schließlich keine Kinder, ging Tag für Tag bloß ins Geschäft. Was sollte da schließlich Aufregendes passieren?
Als Mutter hingegen hatte Petra täglich mit neuen Herausforderungen zu tun. Und richtig machen kannst du´s sowieso nie. „Wenn Julia heute zum Beispiel ihre Deutscharbeit zurückbekommt, dann heißt es von den Anderen entweder: Du könntest ruhig einmal über einen Ausrutscher hinwegsehen, oder: Mich lobst du nie für ein ,gut‘. Und überhaupt hat das Mädchen nur noch diesen Freund im Kopf.“
„Ich wollte dir eigentlich erzählen, dass ich mich gerade saublöd benommen habe“, begann Helene und erzählte der Freundin von der Begegnung mit Kommissar Schumann.
„Das meiste hättest du sowie nicht lesen können“, versuchte Petra sie zu trösten. „Oder kannst du vielleicht Dänisch? Du solltest dich endlich wieder auf andere Dinge konzentrieren“, setzte sie hinzu.
Helene mochte Petras Art, die Dinge praktisch zu sehen und sie beneidete im Stillen die Freundin manchmal darum, weniger gefühlsbetont zu agieren.
In einem nicht enden wollenden Redeschwall berichtete Petra spontan, was sie gern wieder einmal machen würde. Essen gehen, einen Tanzkurs besuchen, endlich wieder im Kirchenchor mitsingen, oder verschiedene Kreativangebote in der Volkshochschule anbieten. Aber solange die Kinder sie als Hausaufgabenbetreuerin oder wenigstens gelegentliche Ansprechpartnerin brauchten, war an derlei Luxus nicht zu denken. Helene hingegen standen diese Möglichkeiten offen. Wieso also sollte sie Dingen nachhängen, die nicht zu ändern seien.
Es war kein guter Tag für ein gemeinsames Frühstück. Was sollte Helene im Kirchenchor? Stand der nicht ohnehin kurz vor der Auflösung?
„Im Augenblick sind Gospelchöre angesagt“, kommentierte Helene ein wenig besserwisserisch.
„Und du willst mir nicht ernsthaft raten, mich zu einem Tanzkurs anzumelden.“
Eben, als Helene Petras Tipps als völlig daneben ablehnen wollte, klingelte Petras Handy. Ein glücklicher Zufall, der den aufkommenden Streit verhinderte.
„Das kann ja wohl nicht wahr sein“, brauste sie auf. „Nun informiert Julia mich mit einer kurzen SMS darüber, dass sie heute Mittag nicht zuhause sein wird, sondern sich mit diesem Freund trifft. Na, die kann was erleben, soviel ist sicher. Ich fahre schnell zur Schule und passe sie dort ab.“
Während die Freundin davon eilte, beglich Helene die Rechnung, und kaufte vorne an der Verkaufstheke noch Teilchen für den Nachmittag. Das schöne Wetter trug nicht dazu bei, ihre Stimmung aufzuhellen.
Fast auf den Tag genau vor einem Jahr, zur selben Uhrzeit, traf Jutta in der dänischen Ferienhaussiedlung ein. Sie fühlte sich herrlich leicht und beschwingt.
Ein völlig neuer Lebensabschnitt lag vor ihr. Ohne Last, ohne Verantwortung für Andere, ohne ständige Kontrolle und vor allem ohne die dauernde Heimlichtuerei.
Hier und jetzt wollte sie allein sein, die Seele baumeln lassen, ganz in Ruhe die nächsten Schritte überlegen. Schließlich wollte sie keinen Streit. Große Aussicht auf Verständnis bestand nicht, das war klar.
Sie parkte den Wagen vor dem großen Backsteingebäude. Bevor sie hineinging, schritt sie erst einmal um das Haus herum und betrachtete es neugierig. Mit seiner rot gestrichenen Fassade und den hellblauen Fensterrahmen war es zweifellos das markanteste Haus in der ganzen Siedlung. Stockmalven und Klitrosen umzäunten das Grundstück und boten gleichzeitig effektiven Windschutz.
Das Haus war zweckmäßig und gemütlich eingerichtet. Aquarelle mit Landschaftsmotiven – vorwiegend hohe Wellen mit brausenden Schaumkronen – hingen über dem langen, etwas unbequemen Sofa.
Jutta nahm sich vor, schnell die Koffer auszupacken, das Bett zu beziehen, um dann endlich zum Strand zu gehen.
Die linke Seite der Couch richtete sie sich als gemütliche Leseecke ein, faltete die mitgebrachte Wolldecke zurecht, legte den Bücherstapel auf den Tisch und brachte schon einmal die Leselampe in die richtige Position.
Eine freitragende Wendeltreppe führte in die erste Etage. Hier befanden sich die beiden Schlafräume. Jutta bezog das Zimmer mit Meerblick. Herrlich, diese unendliche Weite. – Helene fühlte sich wie versteinert in ihrer Trauer.
In einer solchen Situation fällt es schwer, die Dinge in der unmittelbaren Umgebung wahrzunehmen.
„Ist das Ihrer?“ fragte die Verkäuferin unfreundlich und wies auf ein beinah ponygroßes Zottelwesen draußen vor dem Schaufenster.
Trotz ihrer häufigen Besuche bei Dobbelstein kannte Helene weder diese Verkäuferin, noch jemand anderen aus dem heutigen Team.
„Nein, wie kommen Sie darauf?“, gab Helene zurück während sie ihr Portmonee in die Handtasche legte.
„Also das ist doch eindeutig, so wie der sie anstarrt. Das ist doch wieder typisch. Erst schaffen sich die Leute einen Hund an und dann wird ihnen die Arbeit zu viel. Sieht man ja, in welch bedauernswertem Zustand das arme Tier ist“, fügte sie hinzu.
Stimmt, dachte Helene, das verfilzte, schmutzige Fell ist sicher ein Paradies für Flöhe und andere Parasiten. Helene fröstelte.
„Der Hund saß die ganze Zeit hier und starrte nur Sie an. Nun wollen Sie mir erzählen, dass Sie ihn nicht kennen? Vielleicht ist das arme Geschöpf ja auch krank und Sie wollen die Arztrechnung sparen. Kennt man doch, so was. Stand neulich noch in der Zeitung. Das ist eindeutig ein Fall für den Tierschutz. Ich informiere jetzt das Ordnungsamt“, wetterte sie und hatte auch sogleich ein Telefon in der Hand.
„Sie irren sich“, gab Helene ganz ruhig zurück „und deshalb werde ich jetzt gehen. Auf Wiedersehen.“ Mit großen Schritten eilte sie Richtung Kantpark, wo sie im Randbereich ihren Wagen abgestellt hatte.
„Der ist aber gut erzogen. Läuft ohne Leine und setzt sich, ohne dass Sie ihn beachten, an der Gehwegkante hin“, sagte eine ältere Frau.
Helene brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass sie angesprochen wurde.
„Haben Sie gar keine Leine dabei? Wirklich toll. In all dem Gewühl interessiert sich der Hund nicht einmal für Radfahrer.“
Helene blickte nach links. „Ist nicht meiner, läuft mir lediglich hinterher“, brummte sie.
Spuren auf ihrem Rock zeigten, wie nah das Tier Helene gefolgt war. Vergeblich versuchte sie, Schmutz und Hundehaare wegzuwischen.
Mittlerweile hatte sie ihr Fahrzeug erreicht.
Ihretwegen konnte der Zottel ruhig hier stehen bleiben, bis sein Besitzer kam.
„Weg