Das letzte Steak. Hansjörg Anderegg
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Читать онлайн книгу Das letzte Steak - Hansjörg Anderegg страница 16
»Quatsch. Es gibt Neuigkeiten aus Tübingen. Das Opfer ist in einer Kneipe gesehen worden. Der Schwarze hat sich dort mit einem älteren Weißen unterhalten, sagen die Kollegen.«
Leider war das auch schon die ganze Information. Kein Hinweis auf die Identität des Weißen, worüber sie gesprochen oder gestritten oder gelacht hatten. Es war noch nicht einmal sicher, in welcher Sprache sich die beiden unterhalten hatten.
»Wenn wir jetzt fahren, sind wir um sieben dort«, fügte er hinzu.
Jamie allein am Flughafen: Eines Tages würde ein Film mit diesem Titel gedreht, dachte sie zerknirscht. Einmal mehr würde eine unangenehme Nachricht auf ihren Geliebten warten nach der Landung, und einmal mehr schwirrte flüchtig der Vorsatz durch ihren Kopf, ihr Leben endlich vernünftig zu organisieren. Wie alle guten Vorsätze überlebte er kaum eine Sekunde. Sie schob die Pistole in die Tasche und stand auf.
»Also, worauf warten wir?«
Tübingen
Chris steckte das Telefon behutsam ein, als wollte sie Jamie nicht noch mehr verletzen.
»Manchmal frage ich mich, wie er es mit mir aushält«, sagte sie.
Sven blickte kurz zu ihr herüber, verzichtete aber auf jeden Kommentar. Ihr Gesichtsausdruck riet ihm, sich nicht in ihr Privatleben einzumischen.
»Du kennst dich aus in Tübingen?«, fragte er, als sie sich der Altstadt näherten.
»Einigermassen. Ich war ein Semester lang Gast bei den Geowissenschaften.«
»Den ›Hades‹ kennst du auch?«
»Wir waren einige Male dort. Da vorn an der Kreuzung biegst du rechts ab, dann zweimal links.«
»Stimmt«, bestätigte er beim Blick aufs Navigationsgerät.
Die Kneipe hatte sich nicht verändert: viel altes Holz, eng, proppenvoll mit jungem Volk, laut, und es roch nach Bier, Schnitzel und Pfannkuchen. Es gab nur ein wenig Platz an der Bar.
»Wir müssen mit dem Wirt sprechen«, antwortete sie auf den fragenden Blick der Frau hinter dem Tresen.
»Günther ist in der Küche. Ich glaube kaum, dass er jetzt Zeit hat. Sie sehen ja, was hier los ist. Möchten Sie essen?«
Sie schob ihnen die Speisekarten hin und kümmerte sich um die nächsten Gäste.
»Pfannkuchen à discrétion«, murmelte Sven, wobei er sich demonstrativ die Lippen leckte. »Scharf wie der Teufel mit Pfeffersalami – genau das Richtige für mich.«
Chris schüttelte den Kopf. »Glaube ich kaum.«
Sie ging um die Theke herum zur Tür, die offenbar in die Küche führte.
»He Sie, da dürfen Sie nicht rein!«, rief die Bedienung.
Sie schwenkte stumm den Dienstausweis und drückte die Tür auf.
»Günther?«
Der spindeldürre junge Mann, der erstaunlicherweise hinten und vorne Günther hieß, stand kurz vor dem Kollaps. Es war sein Normalzustand, wie sie vermutete, nachdem sie kurze Zeit mit ihm gesprochen hatte.
»Es tut mir leid«, keuchte er, während er gehetzt zwei Schnitzelteller garnierte. »Bei uns ist jeden Tag der Teufel los. Ich weiß nur, dass einer der Kellner mit den beiden gesprochen hat.«
»Wie heißt der Kellner? Wo finde ich ihn?«
Er sah ihr gequält und erschrocken in die Augen, als wäre er das Stück Fleisch, das der Koch gerade in die Pfanne haute.
»Sie glauben nicht im Ernst, dass ich mich daran erinnere.«
Er verschwand mit den Schnitzeln in die Gaststube. Ihr blieb kaum Zeit, sich zu ärgern, so schnell kehrte er zurück, um sich den nächsten Tellern zu widmen.
»Wir können uns gerne in Ruhe im Präsidium unterhalten«, schlug sie vor.
Er gestikulierte aufgeregt, dass sie fürchtete, er würde auseinanderfallen. »Hören Sie, wir beschäftigen hier viele Studenten als Hilfskräfte. Manchmal tauschen sie den Dienst. Es ist ein einziges Chaos.«
»Sieht so aus, aber Sie führen doch sicher so etwas wie eine Buchhaltung?«
»Das macht Sonja.«
Sonja unterhielt sich gerade angeregt mit Sven, als sie an den Tresen zurückkehrte.
»Sonja sagt, der Gustav Kramer, ein Student, habe mit den beiden gesprochen«, verkündete er grinsend. »Er ist auf dem Weg hierher.«
»Gustave«, korrigierte Sonja. »Gustave mit ü und weichem v am Schluss. Da legt er großen Wert darauf.«
Gustave mit ü stellte sich als ernsthafter Junge mit guter Beobachtungsgabe heraus. Seine Beschreibung des Schwarzen deckte sich genau mit den Fotos des Opfers. Der Weiße, mit dem er gesprochen hatte, war offenbar ein gepflegter, vornehm erscheinender, grauhaariger Mann, der sich beim Studenten nach Einzelheiten und Professoren an der Uni erkundigt hatte. »Vielleicht ein ehemaliger Prof«, vermutete Gustave mit ü.
Bei diesem Stichwort schlug sie sich an die Stirn. Wie blöd kann man denn sein!, ärgerte sie sich. Hastig kramte sie das Telefon hervor und rief Caro an. Ihre Freundin saß noch vor dem Computer beim BKA.
»Caro, gibt es unter den Kontakten des Opfers eine Nummer in Tübingen?«
Eine Weile blieb es still in der Leitung, dann antwortete Caro:
»In den Kontakten nicht, aber er hat zweimal eine Nummer in Tübingen angerufen an jenem Tag. Sie gehört einem Dr. Wilhelm Lorenz, Professor emeritus der Uni Tübingen.«
Chris’ Puls schnellte in die Höhe.
»Adresse?«, fragte sie lauernd.
Kapitel 3
Tübingen
Professor Lorenz war ein hoch geachteter Biologe, der sein halbes Leben lang an der Universität Tübingen gelehrt und geforscht hatte. Es gab keine weißen Flecke und keine dunklen Kapitel in seiner Biografie, soweit Chris in der kurzen Zeit herausfinden konnte. Worüber mochte er mit dem Reporter aus Namibia gesprochen haben? Bald würden Sie es wissen. Sven fuhr langsam die ruhige Quartierstraße entlang. Die schwarze Silhouette des Schlosses zeichnete sich wie ein drohender Schatten vor dem Nachthimmel ab. Einzig im Haus der Studentenverbindung, das selbst wie ein Schloss aussah, brannte Licht.
»Der wird doch nicht schon pennen«, spottete Sven.
»Er ist ein alter Mann, so wie du in einigen Jahren.«
Es tat ihr leid, den Mann wecken zu müssen, aber bei ihrer Arbeit war Rücksicht die falsche Strategie. Sie drückte lange auf die Klingel an der Tür, zweimal, dreimal. Im Haus blieb es dunkel und ruhig.
»Ausgeflogen«,