Das letzte Steak. Hansjörg Anderegg
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Читать онлайн книгу Das letzte Steak - Hansjörg Anderegg страница 12
»Und Sie?«
Lange starrte ihn entsetzt an. »Sehe ich aus wie ein Nazi?«
»Man sieht den Menschen oft nicht an, was sie denken.«
»Hast du eine Ahnung. Schmitz sieht und hört man es von weitem an, mit den Kampfstiefeln und seinem beschränkten Wortschatz und allem.«
»Kampfstiefel?«
Lange nickte heftig und trommelte mit dem leeren Schnapsglas im Takt marschierender SS auf den Tisch. Kampfstiefel! Die Bedeutung des Zeugen Schmitz wuchs gerade exponentiell.
»Haben Sie wirklich keine Ahnung, wo er sich aufhalten könnte?«
Lange konzentrierte sich auf sein Glas. Als das nichts fruchtete, sagte er verschmitzt:
»Hosch abr a schee Audo.«
»Wie bitte?«
»Ein schönes Auto hast du.«
»Was hat das mit Schmitz zu tun?«
»Kann man mal eine Runde drehen?«
Sven lachte laut auf. »Sie haben getrunken, Mann! Besitzen Sie überhaupt einen Führerausweis?«
»Ja, bin i denn halbbache! Ich meine doch, du sollst mich herumkutschieren.«
»Geht nicht. Das ist ein Dienstwagen.«
Lange spitzte die Lippen und hob das Glas, um den letzten Tropfen herauszusaugen.
»Das wäre ja auch eine Dienstfahrt«, sagte er nach einer Weile.
Sven sah ihn verwirrt an und wartete auf eine Erklärung.
»Brauchst nicht so verstört zu gucken. Vielleicht weiß ich ja, wo sich der Nazi versteckt.«
Schwäbische Alb
Sven fluchte leise, als die Tankanzeige aufleuchtete. Er wollte die Fahrt mit dem übel riechenden Beifahrer so schnell wie möglich hinter sich bringen. Schon die zehn Minuten bis Reutlingen reichten ihm. Jeder Unterbruch qualifizierte als Folter und verstieß klar gegen die Menschenrechte. Griesgrämig hielt er bei der nächsten Tankstelle an.
»Gut, ich muss nämlich mal«, grinste Lange.
Sven füllte den Tank, bezahlte, aber sein Beifahrer blieb verschwunden. Hinter dem Haus fand er ihn. Die brennende Zigarette im Mund, pinkelte er sichtlich vergnügt an die Wand.
»He, was soll das? Machen Sie sofort die Zigarette aus. Das ist eine verdammte Tankstelle.«
Dass Langes Abwasser ins Kellerfenster tropfte, störte ihn nicht, aber er war noch zu jung, um lebendig flambiert zu werden. Die Zigarette fiel dem Sandler aus dem Mund und erlosch in seinem Strahl. Zufrieden zog er den Reißverschluss zu, strich die Hände an der Hose ab und kam auf ihn zu.
»Im Haus gibt’s Pissoirs und fließendes Wasser«, brummte Sven angewidert.
»Ich kann nicht in geschlossenen Räumen. Ist schlecht für meine Kreativität, weißt du.«
»Ihre Kreativität wird gleich noch mehr leiden, wenn ich Sie wegen Behinderung der Justiz einbuchte. Ich frage zum letzten Mal: Sind Sie sicher, dass wir Schmitz hier finden?«
»Sicher ist nur der Tod.«
Er verspürte nicht übel Lust, den sturen Langen einfach stehen zu lassen, die Fahndung nach Schmitz einzuleiten und auf schnellstem Weg nach Wiesbaden zurückzufahren.
»Die Albstraße hinauf nach Sankt Johann, du wirst schon sehen«, sagte Lange und setzte sich mit erwartungsfrohem Grinsen auf den Beifahrersitz.
Sein Spyder war kein Auto für Bergrennen, dennoch reizte es ihn, dem Langen ein wenig Angst einzujagen. Auf der Geraden vor der ersten Spitzkehre beschleunigte er weit über die erlaubte Höchstgeschwindigkeit. Erst kurz vor der Kurve bremste er hart ab, um sogleich wieder abrupt aufs Gas zu drücken. Er schielte kurz zu seinem Beifahrer hinüber. Der hing angespannt, mit weißen Knöcheln, aber glücklich lächelnd im Gurt. Wenigstens kam er so ein paar Sekunden schneller ans Ziel, tröstete er sich. In der Ferne tauchten die ersten Häuser von Sankt Johann auf.
»Wo finden wir nun den Schnapsladen?«, fragte er.
»In Sankt Johann.«
»Sehr hilfreich. Da sind wir jetzt.«
Da sie nun wieder vorschriftsmäßig unterwegs waren, wagte Lange, sich ein wenig zu entspannen. Er reckte den Hals, als würde er sein Zoomobjektiv ausfahren.
»Wahrscheinlich auf der andern Seite am Ausgang des Dorfs«, murmelte er unsicher.
»Ich höre wohl nicht richtig«, fuhr Sven auf. »Sie wissen gar nicht, wo Schmitz’ Schwager wohnt?«
»Sagte ich doch schon. Die Adresse habe ich vergessen, aber das Haus kenne ich, wenn ich es sehe.«
»Das beruhigt mich ungemein.«
Er fuhr langsam durch das Dorf, das aus kaum mehr als der Hauptstraße bestand, gesäumt mit Fachwerkbauten und einigen moderneren Geschäften. Sie hatten die letzten Häuser fast erreicht, da bemerkte er die Reklametafel: ›Scholz Branntwein aus der Schwäbischen Alb‹.
»Da!«, rief Lange überflüssigerweise.
Einen Schnapsladen gab es zwar auch, wie er behauptet hatte, aber der Hauptzweck von Karsten Scholz’ Firma war nicht der Verkauf über die Ladentheke, sondern das Brennen von Hochprozentigem aus Trauben, Obst und Gerste. Scholz betrieb eine der wenigen Whisky-Destillerien auf der Alb. Wahrscheinlich für Kunden, die dem Scotch nicht trauten, dachte er beim Betrachten der Auslage.
»Es gibt heute leider keine Führung«, sagte die Frau hinter der Theke mit einem misstrauischen Blick auf seinen Begleiter. »Schauen Sie sich nur ungeniert um. Sie können auch gerne von unsern Produkten kosten.«
Er schüttelte den Kopf. »Danke, aber wir möchten nur mit Herrn Scholz sprechen, Karsten Scholz.«
»Mein Mann ist im Lager. Vielleicht kann ich Ihnen helfen?«
Lange öffnete den Mund, doch Sven schnitt ihm das Wort ab:
»Das kann ich mir gut vorstellen. Wir sind nämlich auf der Suche nach Alois Schmitz.«
Die Freundlichkeit wich augenblicklich aus ihrem Gesicht. Sie warf ihm einen erschrockenen Blick zu, dann murmelte sie verlegen: »Moment«, und entwischte durch die Hintertür.
Es dauerte nicht lang, bis ein vierschrötiger Mann mit grimmiger Miene den Laden betrat.
»Hier gibt es keinen Alois Schmitz«, behauptete er. »Und jetzt machen Sie, dass Sie weiterkommen, sonst rufe ich die Polizei.«
»Karsten Scholz?«, fragte Sven ungerührt, während er seine Dienstmarke aus der Tasche zog.
»Habe ich mich nicht klar …«
Scholz