Das letzte Steak. Hansjörg Anderegg
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»Irgendwie kann ich dich verstehen«, murmelte er.
Es musste sich etwas ändern, bloß wusste er nicht was. Er und sein düsteres Treibhaus am Rand des eisigen Großraumbüros lebten schon ewig in einer Symbiose, deren labiles Gleichgewicht niemand zu stören wagte, nicht einmal er selbst.
Nach und nach verließen seine Leute die Schreibtische. Es wurde Zeit für die Lagebesprechung im großen Sitzungszimmer. Unterwegs sammelte er die vier zur Drogenfahndung Verdammten ein. Sie nahmen die Nachricht mit freudestrahlenden Gesichtern auf. Vier glückliche Detectives an einem Tag – ungefähr vier mehr als im Durchschnitt.
»Wer zum Teufel isst Ölsardinen aus Blechbüchsen?«, fragte Pete, als er sich neben ihn setzte.
Pete Townsend gehörte zum Inventar seiner Abteilung. Als einfacher Sergeant besaß er mehr Autorität als die meisten Inspectors, dennoch wehrte er sich seit Jahren erfolgreich gegen eine Beförderung. Adam hatte nie wirklich verstanden, was ihn dazu bewog, auf höheres Gehalt und bessere Pension zu verzichten. Möglicherweise bildete er sich ein, als Inspector nicht mehr frisch von der Leber weg reden und fluchen zu dürfen.
Adam brauchte nicht zu antworten. Mad Barclay meinte giftig:
»Man sollte diesen Josh Sorin selbst zu Büchsenfutter verarbeiten.«
Adam pflegte eine ambivalente Beziehung zu seiner Pathologin. Sie hieß eigentlich Dr. Madison Barclay. Er kannte keinen besseren Gerichtsmediziner, doch ihr Spitzname war Programm. Hatte man das Pech, einen ihrer unkontrollierten Wutausbrüche zu erleben, konnte man sie durchaus für verrückt halten.
»Der Fabrikant aus Felixstowe?«, fragte er, um sie zu beruhigen.
»Arroganter Macho. Glaubt, mich mit seinen Beziehungen unter Druck setzen zu müssen. Ich kann’s nicht erwarten, diesen Idioten auf meinem Tisch zu haben.«
Machos zersägen und ausnehmen gehörte zu ihren Lieblingsbeschäftigungen, denn sie war selbst das weibliche Äquivalent dazu und eine akute Gefahr für den weiblichen Nachwuchs beim Yard, wie jeder wusste.
Die Uhr an der Wand zeigte auf zehn. Zeit, anzufangen. Er blickte in die Runde und legte sogleich die Stirn in Falten. Mit hochgezogenen Brauen fragte er:
»Wo steckt Cornwallis?«
Erst nach kurzem Zögern meldete sich ein blasser junger Mann:
»Sir, ich glaube, DS Cornwallis ist noch in Felixstowe.«
Adams Blicke brachten das bleiche Gesicht zum Glühen.
»So, glauben Sie?«, fragte er lauernd. »Und was wissen Sie?«
Der junge Mann schluckte schwer, versuchte vergeblich, eine Antwort zu finden.
»Richten Sie Ihrem Partner aus, er habe sich gefälligst zur Lagebesprechung einzufinden wie alle andern auch«, wies er ihn zurecht.
»Verstanden, Sir, soll ich ihn …«
Er war aufgesprungen, das Telefon in der Hand.
»Setzen!«
Er brauchte den jungen Computerexperten, um das elektronische Whiteboard zu bedienen, das die gute, alte, einfache Pinnwand ersetzte. Er wartete, bis der eingeschüchterte Detective Constable den Stuhl wieder an den Tisch gerückt hatte, bevor er Pete aufforderte, die Lage im Mordfall Stuart zusammenzufassen. An der Wand erschien das Porträt einer Frau neben dem Ausschnitt aus der Landkarte von Felixstowe.
»Mrs. Felicity Stuart, einundvierzig, wurde am Freitag, 22. August, morgens um 11:20 Uhr in den Trimley Marshes bei Felixstowe, Suffolk, tot aufgefunden.«
Während er sprach, fügten sich mehr und mehr Zeichen, Texte, Figuren und Fotos ins Bild, bis der aktuelle Stand der Ermittlungen als virtuelle Collage fast die ganze Wand bedeckte. Auf Petes Zeichen blendete der junge Mann die Zeitlinie mit allen bis jetzt rekonstruierten Ereignissen ein, von den letzten Stunden vor Felicitys Verschwinden bis zum Fund ihrer Leiche. Es waren nicht viele, genau drei. Pete las vor:
»Dienstag, 19. August, 17:35 Uhr: Felicitys letztes Gespräch mit Aaron Poynter, ihrem Stellvertreter. Unmittelbar danach verlässt sie die Fabrik. Freitag, 22. August, 10:10 Uhr: Der Sohn Scotty Stuart entdeckt Felicitys Schal im Moor. Freitag, 22. August, 11:20 Uhr: Suchtrupp der Suffolk Constabulary findet Felicitys Leiche im Moor.«
Die beinahe leere Zeitlinie ärgerte Adam, doch enthielt er sich eines Kommentars und wandte sich an die Pathologin:
»Wissen wir inzwischen mehr über Todeszeitpunkt und Todesursache?«
»Steht im vorläufigen Bericht für alle, die lesen können«, brummte sie.
Und die Zeit dazu haben, hätte er am liebsten ergänzt. Stattdessen warf er ihr einen aufmunternden Blick zu und wartete.
»Die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen«, fuhr sie widerwillig fort. »Mal abgesehen von den zahlreichen postmortalen Hämatomen, die durch unsachgemäße Behandlung des Leichnams zustande kamen, kann ich Folgendes festhalten: Das Opfer ist durch einen einzigen Messerstich ins Herz gestorben. Der Tod muss unmittelbar eingetreten sein, so präzis war der Stich geführt. Ich selbst ich hätte es nicht besser gekonnt. Die Tatwaffe ist bisher nicht gefunden worden. Vermutlich handelt es sich um einen zweischneidigen Dolch mit zirka ein Zoll breiter und mindestens sechs Zoll langer Klinge.«
»Der Täter war ein Fachmann? Ein Arzt?«, fragte er verblüfft.
»Oder ein erfahrener Metzger. Die Präzision kann natürlich auch Zufall gewesen sein, aber das halte ich für eher unwahrscheinlich, denn es gibt wie gesagt nur eine Stichwunde.«
»Kann es eine Frau getan haben?«
»Möglich. Eine kräftige Frau mit der richtigen Portion Wut im Bauch – warum nicht? Der Stichkanal führt leicht schräg nach oben. Das deutet darauf hin, dass der Täter oder die Täterin ungefähr gleich groß ist wie das Opfer.«
»Fünf Fuß sieben, Sir«, rief der junge Mann am Computer dazwischen.
»Also eher klein, gedrungen«, murmelte Adam. »Das ist wenigstens ein erster, konkreter Anhaltspunkt. Wurde das Opfer misshandelt, missbraucht?«
»Vergewaltigt meinst du? Nein, es gibt kein Anzeichen von Missbrauch oder Gewalt, außer dem Messerstich. Er muss sie vollkommen überrascht haben.«
»Todeszeitpunkt?«
»Der Zeitpunkt des Exitus lässt sich nicht mehr genau eingrenzen. Sicher ist, dass der Leichnam schon vor der letzten Regenfront im Moor gelegen hat. Das heißt, er ist irgendwann vor ein Uhr am Mittwochmorgen dort abgelegt worden.«
»Sie ist nicht dort gestorben?«
»Nicht am Fundort. Die Kriminaltechnik konnte