Vernichten. Hansjörg Anderegg

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Vernichten - Hansjörg Anderegg

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nachdem das Haus fast bis auf die Grundmauern niedergebrannt war. Ein Unfall, ausgelöst durch einen Kurzschluss. In den Überresten fand man die verkohlten Leichen zweier Kinder, Knaben im Alter von sechs und sieben Jahren. Die Ermittlungen haben ergeben, dass sie sich zur Zeit des Unglücks allein im Haus befanden, eingesperrt in einem fensterlosen Kellerraum.«

      Chris schauderte unwillkürlich. »Was für Eltern tun so etwas?«

      »Das nette Ehepaar besaß gar keine Kinder«, warf Dieter Vogel düster ein. »Die Kleinen waren auch nicht zufällig zu Besuch im Haus.«

      »Die Kinder lebten illegal in Berlin, gekauft von Kinderhändlern«, stellte seine Partnerin klar.

      »Der reine Horror!«, war alles, was Chris dazu einfiel.

      Sie begann zu begreifen, woher die verhärteten Gesichtszüge ihres Gegenübers stammten. Monika Weber schwieg eine Weile nachdenklich, bevor sie leise fortfuhr:

      »Wir wissen nicht, was diese kleinen Jungen erdulden mussten während der zwei Jahre, die sie in der Villa verbrachten.« Wieder stockte sie, dann murmelte sie: »Ist wohl auch besser so. Der einzige Trost in dieser Tragödie ist, dass die beiden wahrscheinlich bewusstlos waren, als sie das Feuer erfasste. Kohlenmonoxid.«

      »Was geschah mit ihren Peinigern?«

      »Die bleiben auf unbestimmte Zeit verwahrt, schweigen aber bis heute.«

      »Kinderhandel«, murmelte Chris bedrückt.

      Die Galle kroch in ihr hoch. Abscheu und Ärger erfüllten sie angesichts der unbeschreiblichen Zustände, die sich hinter harmlosen, gutbürgerlichen Fassaden verbargen.

      Monika Weber nickte. »Kinderhandel, Kinderprostitution, Pädophilie, Kinderpornographie – das ganze Programm. Jahrelang haben wir nach Hintermännern, Verbindungen und weiteren Fällen gesucht, auch im Ausland über Europol. Das Resultat finden Sie in diesen Ordnern.«

      »Und wo ist der Link zu Sankt Petersburg?«

      Kollege Vogel klärte sie auf:

      »Die beiden Knaben stammten aus Sankt Petersburg. Zumindest müssen wir davon ausgehen, denn das saubere Pärchen hat sie dort gekauft, genauso wie Dutzende andere Opfer in Sankt Petersburg gekauft worden sind. Die Fälle sind alle im Detail dokumentiert. Wenn Sie wissen wollen, wie es in der Hölle zugeht, lesen Sie diese Akten.«

      »Ich hoffe, Sie besitzen Nerven wie Drahtseile«, warf Monika Weber ein, »sonst rate ich Ihnen dringend von der Lektüre ab.«

      »Sie vermuten eine kriminelle Organisation dahinter, die aus Sankt Petersburg heraus operiert?«

      »Und zwar in ganz Europa mit Schwerpunkt Berlin. Nach unseren Ermittlungen gibt es keinen Zweifel daran. Die Bande kauft Kinder von Not leidenden Familien zu einem Spottpreis, meist unter dem Vorwand, sie an westliche Paare zur Adoption zu vermitteln, ihnen ein gutes Leben zu ermöglichen. Das funktioniert ohne großen Druck. Noch einfacher geht es mit ein paar Rubel in Waisenhäusern. Die Empfänger im Westen zahlen Unsummen für die bedauernswerten Opfer.«

      »Vielleicht gibt es ja nicht nur Opfer.«

      »Sie meinen anständige Adoptiveltern? Klar gibt es die, aber vergessen Sie nicht, dass die Kinder illegal einreisen. Es ist schwierig bis unmöglich, die Adoption zu legalisieren. Wir müssen leider davon ausgehen, dass die überwiegende Mehrheit der Kinder auf Nimmerwiedersehen im pädophilen Sumpf verschwindet.«

      »Stimmt nicht ganz«, widersprach Kollege Vogel mit bitterem Lächeln. »Viele davon tauchen im Internet wieder auf. Möchten Sie eine Auswahl der Filmchen sehen?«

      »Zynismus hilft auch nicht weiter«, murmelte Monika Weber.

      »Das alles ist eine einzige Katastrophe«, seufzte Chris.

      Bis vor einer Stunde hatte sie noch geglaubt, bei der Arbeit am BKA schon in jeden Abgrund geblickt zu haben. Was für ein Irrtum! Möglich, dass sie besonders empfindlich auf Kinder als Opfer reagierte, weil sie selbst eins erwartete. Sie ahnte noch vor dem ersten Blick in die Akten, dieser Fall würde sie fordern wie kaum einer zuvor.

      »Was war der konkrete Anlass für den Einsatz in Sankt Petersburg?«

      Die beiden Kollegen hätten das Risiko sicher nicht auf einen bloßen Verdacht hin auf sich genommen. Vogel antwortete:

      »Malte ist es gelungen, in einem einschlägigen Internetforum Kontakt aufzunehmen. Die verwendeten Codes waren dieselben, die in mehreren unserer Fälle aufgetaucht sind.«

      »Malte Friedmann alias Tobias Meier?«

      »Genau der. Es war die erste gelungene Kontaktaufnahme seit Jahren.«

      »Wir mussten schnell handeln«, warf Monika Weber ein. »Es blieb keine Zeit für den langen Dienstweg.« Nach einer kurzen Pause fügte sie leise hinzu: »Das wird die Hinterbliebenen allerdings kaum trösten.«

      »Wer wusste von der Aktion?«

      »Nur wir zwei, der Dienststellenleiter – und die Opfer.«

      »Trotzdem sind die Kollegen in eine Falle getappt, wie es aussieht«, sagte Chris. »Sie haben sich sicher auch schon die Frage nach dem Leck gestellt …«

      »Die ganze Zeit denke ich an nichts anderes«, unterbrach Vogel wütend.

      Seine Partnerin schüttelte entschieden den Kopf und betonte:

      »Wer in Gottes Namen sollte hier ein Motiv zu so einem Verrat haben?«

      »Mir würden da schon einige Gründe einfallen«, gab Chris zu bedenken, »Geld, persönliche Konflikte, Rache, um nur die Üblichen zu nennen. Verstehen Sie mich richtig: Damit will ich nicht andeuten, dass mich diese Theorie überzeugt.«

      »Das ist Blödsinn«, stimmte Vogel zu. »Die Kollegen waren allseits beliebt und geachtet, lebten in geordneten Verhältnissen. Wir kennen – kannten – beide auch privat seit vielen Jahren.«

      Dieses Argument überzeugte zwar nicht, aber sie verzichtete auf Widerspruch. Es gab ein Dutzend andere Möglichkeiten, wie eine derart heikle Operation auffliegen konnte. Am wahrscheinlichsten erschien ihr ein tödlicher Fehler der Ermittler als Erklärung. Sie brauchte den Gedanken nicht auszusprechen. Monika Weber tat es für sie und provozierte eine heftige Auseinandersetzung mit ihrem Partner, offenbar einem guten Freund des ermordeten Malte Friedmann.

      »Wir alle machen Fehler«, warf sie ein, um die fruchtlose Diskussion zu beenden. »Wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich jetzt mit dem Aktenstudium beginnen. Sie halten mich bitte auf dem Laufenden über die Entwicklung in Sankt Petersburg.«

      Die beiden Kommissare erhoben sich. Vor dem Verlassen des Zimmers sagte Monika Weber düster:

      »Ich habe Sie gewarnt.«

      Der Tag hatte so gut begonnen.

      Sankt Petersburg, Russland

      Major Sofia Yeltsova von der Kripo Sankt Petersburg blieb mitten auf dem Flur des Betreuungszentrums stehen. Ihr Partner Gregori Makarov ging zwei Schritte weiter, bis er es bemerkte.

      »Was ist jetzt schon wieder?«, brummte er

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