Vernichten. Hansjörg Anderegg

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Vernichten - Hansjörg Anderegg

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sprechen, sagte ich schon.«

      Der Sprecher des Teams blitzte ihn aus jugendlichen Augen an. Der Kerl war bestimmt keine dreißig und noch grün hinter den Ohren, was die Diensterfahrung betraf. Dennoch oder gerade deswegen war äußerste Vorsicht angesagt. Um in die OMON aufgenommen zu werden, taten diese jungen Wilden alles. Die Durchfallquote bei der Aufnahmeprüfung betrug achtzig Prozent, wurde gemunkelt. Das wussten die erfolgreichen zwanzig Prozent und führten sich entsprechend als unbezwingbare Meister des Universums auf. Widerwillig sprach der junge Mann nach kurzer Denkpause ins Funkgerät. Eine Minute später stand ein Riese vor ihm, der sich zackig und viel zu laut als Colonel Igor Zorin vorstellte.

      »Ich kam zufällig vorbei«, log Gregori. »Was für ein Einsatz ist das?«

      »Warum interessiert Sie das?«

      Er versuchte, überlegen zu grinsen, was ihm nur schlecht gelang.

      »Ich bin bei der Kripo, schon vergessen? Bei uns weiß niemand etwas von einem solchen Einsatz, also …?«

      »Ist auch besser so. Das hier geht niemanden etwas an, auch nicht die Kripo. Anordnung vom Government.«

      Der Ärger war nicht mehr zu unterdrücken. Zudem sorgte er sich zunehmend um die Kinder, so sie denn in diesem Haus lebten.

      »Lassen wir doch den Scheiß. Ihr Government ist auch mein verdammtes Government!«

      Der Funkverkehr des SWAT-Teams aus Zorins Walkie-Talkie steigerte sich für kurze Zeit zu einem Stakkato zackiger Meldungen und Antworten, wie er sie zuletzt in der Polizeischule gehört und gleich wieder vergessen hatte. Der Kleinbus fuhr durch das zertrümmerte Tor auf die Straße, beschleunigte und verschmolz bald mit dem Horizont. Der Krankenwagen folgte mit den beiden Opfern. Zurück blieben nur zwei riesige Blutflecke und das Motorrad im Kanal, das niemanden interessierte. Auf einen Schlag zogen sich Zorins Männer in die 4 × 4 zurück.

      »Wir sind hier fertig«, sagte der Kommandant ohne weiteren Kommentar.

      Er drehte ihm den Rücken zu, sprang in den dritten ›Tigr‹, der gerade aus dem Hof fuhr, dann machten sich die OMON-Fahrzeuge ebenso schnell aus dem Staub, wie sie gekommen waren.

      »Du mich auch, Arschloch«, rief er ihnen nach.

      Jeder andere, der ihn wie Zorin behandelt hätte, liefe jetzt mindestens mit einem blauen Auge herum, sagte er sich zum Trost. Er stapfte zum Dienstwagen zurück, wo Sofia ihn mit einem Gesicht erwartete, das Zorin sofort in die Flucht geschlagen hätte. Sie sprang aus dem Wagen, sobald sie ihn bemerkte, knallte die Tür hinter sich zu, dass die arme Jelena auf dem Rücksitz sich duckte. Die nächsten zwanzig Sekunden benutzte Major Yeltsova, um zu beweisen, dass ihr Wortschatz ebenso reich an wüsten Flüchen war wie seiner. Sie musste sich Luft verschaffen. Er verstand es. Russen benutzten Schimpfwörter im Grunde genommen nicht zum Fluchen, sondern zum Sprechen, wie ein russischer Dichter schon vor hundert Jahren erkannt hatte.

      »Bist du fertig?«, fragte er, als sie endlich Atem schöpfen musste.

      »Was in drei Teufels Namen denkst du dir dabei, uns hier allein zu lassen, während da vorne der Krieg ausbricht?«

      »Der Krieg ist vorbei, und ich wüsste selbst verdammt gerne, wer ihn angezettelt hat und weshalb.«

      Allmählich beruhigte sie sich. Vom Standort des Wagens aus konnten die beiden den Doppelmord oder was immer es war nicht gesehen haben. Gut so. Er ließ es dabei bewenden, vorläufig.

      »Was wollte die OMON im roten Haus?«, fragte sie ruhiger.

      »Der Kommandant, ein Baumstamm namens Colonel Zorin, hat den Taubstummen gemimt. So lang ich auch darüber nachdenke, mir fällt nur eine Erklärung ein: Das war eine Säuberungsaktion. Ich fürchte, wir werden nicht mehr viel vorfinden im Haus.«

      Sofia erschrak. »Und die Kinder?«

      Er zuckte die Achseln. »Gesehen habe ich sie nicht, aber die sind mit einem Kleinbus in den Hof gefahren und bald danach wieder verduftet. Ich nehme an, sie haben damit eher jemanden abtransportiert als hergebracht.«

      »Mein Gott, die armen Kinder. Hast du dir wenigstens das Kennzeichen gemerkt?«

      »Selbstverständlich, Major, ich bin ja auch Polizist.«

      Er gab ihr die Information zusammen mit den Angaben zu Zorin, damit sie die Daten durch den Polizeicomputer jagen konnte.

      »Wie geht es Jelena?«

      »Den Umständen entsprechend, aber die Sirenen haben ihr Angst eingejagt, und sie wird langsam ungeduldig. Sie will zu Natascha.«

      »Bloß nicht! Wenn die OMON das getan hat, was ich vermute, wird sie Natascha so schnell nicht wiedersehen, fürchte ich.«

      Sofia stampfte wütend auf den Boden.

      »So eine elende Schweinerei! Das kann doch alles kein Zufall sein.«

      Er lachte bitter auf. »Du meinst die Kommandoaktion zur Räumung des Hauses genau zum Zeitpunkt, als wir hier aufkreuzen? Wenn das ein Zufall ist, fresse ich meinen Lada.«

      »Elende Schweinerei«, wiederholte sie zerknirscht.

      Jelena wurde unruhig. Sie wollte aussteigen.

      »Du solltest dich um sie kümmern – und um den Computer«, sagte er und entfernte sich rasch. »Ich sehe mich jetzt im Haus um«, rief er über die Schulter zurück.

      Es war ihm schon während der OMON Aktion aufgefallen: Das Haus wirkte von außen unbewohnt. Im Dvor sprang ihm als erstes der überdimensionierte, schwarze Teufel an der roten Fassade ins Auge. Er stand zweifellos im Hof, den Jelena gezeichnet hatte. Es herrschte Totenstille. Nichts bewegte sich, nicht einmal die vertrockneten Blätter des Strauchs neben den Trümmern des Tors. Er betrat das Haus durch die einzige Tür zum Hof, die nicht mit Brettern verbarrikadiert war. Es roch nach Kohlsuppe und Urin – und Kindern. Er konnte sich den Eindruck nicht erklären, aber es roch definitiv nach Kindern. Vielleicht erinnerte ihn der Geruch ans Schulhaus seiner eigenen Kindheit. Offenbar war nur der von der Straße abgewandte Seitenflügel des Hauses bewohnt gewesen und da nur das Erdgeschoss mit den vergitterten Fenstern und einige Zimmer im ersten Stock. Bauschutt und Bretter versperrten die Zugänge zum Rest des Hauses.

      Niemand befand sich im Erdgeschoss, soweit er im spärlichen Tageslicht, das durch die kleinen Fenster und offenen Türen in den Flur schimmerte, erkennen konnte. Eine Blitzsuche bestätigte den Eindruck. Oben an der Treppe brannte Licht. Die Pistole schussbereit in der Rechten, stieg er auf Zehenspitzen die Treppe hinauf. Das Holz knarrte trotzdem unter seinem Gewicht. Auf den ersten Blick gab es auch im oberen Stock keine Anzeichen von Bewohnern, aber der Lichtschein aus dem Zimmer am Ende des Gangs jagte seinen Puls augenblicklich in die Höhe. Die Tür stand halb offen. Er versetzte ihr einen Tritt, damit er das ganze Zimmer überblicken konnte. Niemand zu Hause. Die Waffe glitt ins Halfter zurück. Es sah aus, als hätten die Bewohner in aller Eile Regale, Schränke und Schubladen geleert, bevor sie in Panik flüchteten. So sollte es zumindest aussehen, allein, der große Fleck frischen Blutes auf dem Teppich vor dem Fernseher und die zwei Einschusslöcher, die er auf Anhieb entdeckte, erzählten eine andere Geschichte. Leise fluchend zog er das Handy aus der Tasche, um die Kollegen von der Kriminaltechnik zu rufen. Er glaubte, einigermaßen sicher beurteilen zu können, dass hier kein Kind geschlachtet worden war. Zu viel Blut war geflossen. Wozu immer dieses Zimmer mit den leeren Regalen, dem fleckigen Sofa, den vier Stühlen und dem großen Flachbildschirm gedient

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