Vernichten. Hansjörg Anderegg

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Vernichten - Hansjörg Anderegg

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wolltest du mir sagen?«, fragte er beunruhigt.

      »Ach nichts – nicht jetzt.«

      Es war kein Tag für gute Nachrichten. Sie sah ihm tief in die Augen und hoffte, er würde ihr ehrliches Bedauern spüren.

      »Es tut mir leid, Jamie. Heute ist einfach nicht mein Tag. Bitte entschuldige mich.«

      Er blickte ihr kauend nach, wie sie auf leisen Sohlen die Küche verließ. Lange stand sie unter der Dusche, doch die Bilder in ihrem Kopf ließen sich nicht abwaschen. Er verstand, dass sie jetzt Zeit für sich alleine brauchte. Erst viel später, als er glaubte, sie schliefe, trat er kurz an ihr Bett, streichelte über die neue Haarpracht, hauchte einen Kuss auf ihre Wange und verließ das Zimmer, um unten auf der Couch zu schlafen. »Du hast diesen Mann nicht verdient«, war der letzte Vorwurf, mit dem sie sich diesen schönen Tag versaute, bevor sie einnickte.

      Sie erwachte schweißgebadet. Der Albtraum lastete auf ihr, als säße ein Nachtmahr auf ihrer Brust und hinderte sie am Atmen. Sie hatte geträumt, das stand fest. Geblieben waren nur Erinnerungsfetzen, genug, um ihr Angst einzujagen. Sie hatte auf der falschen Seite gestanden, sich so intensiv um ihr eigenes Kind gekümmert, um es vor der bösen, bösen Welt zu beschützen, wie die Perversen in den Akten. Und sie hatte Lust dabei empfunden. Es war das Schlimmste, woran sie sich erinnerte.

      Ächzend erhob sie sich und dankte der Vorsehung, dass Jamie nicht neben ihr lag. Der Magen fühlte sich leer an, als hätte sie tagelang gefastet. Sie wünschte, es gäbe eine verlässliche Methode, um so etwas mit dem Kopf anzustellen. Lust auf pädophile Handlungen! Wie widerlich war das. War sie auch so eine? Steckte der schlimme Keim in allen Erwachsenen? Kleine, wehrlose Kinder zum eigenen Lustgewinn zu missbrauchen ist doch die abscheulichste Form von Kindesmisshandlung, weil sie die Seele zerstört. Solche Wunden heilen nie. Sie ekelte sich vor sich selbst und mied den Blick in den Spiegel, bis sie heiß geduscht hatte. Sie musste dringend etwas unternehmen, um den Kopf freizukriegen. Es war erst sieben Uhr früh, Jamie vielleicht noch im Haus.

      »Jamie?«, rief sie auf der Treppe zum Wohnzimmer. »Wir müssen reden.«

      Statt einer Antwort hörte sie ihr Handy klingeln.

      »Sie sollten herkommen«, sagte Hauptkommissarin Monika Weber vom LKA. »Wir haben den Bericht aus Sankt Petersburg erhalten.«

      »Schon unterwegs.«

      Auf dem Küchentisch lag ein Zettel von Jamie: Wir holen das nach. Ich liebe die neue Chris. Lächelnd steckte sie ihn ein wie eine wertvolle Trophäe. Sie aß in aller Eile zwei Brote mit Jamón, um den Magen zu beruhigen, bevor sie zum Präsidium fuhr. Ein leerer Magen eignete sich nicht für diesen ekelhaften Fall. Zudem musste sie sich allmählich angewöhnen, für zwei zu essen, selbst wenn ihr wegen der Bilder im Kopf ganz und gar nicht danach war.

      Monika Weber und ihr Partner Dieter Vogel standen vor der Pinnwand im Besprechungszimmer, wo sie die Akten studiert hatte. Der fensterlose und meist abgeschlossene Raum diente als diskrete Operationsbasis für die kleine Truppe, die den Doppelmord in Sankt Petersburg untersuchte. Die spärlichen Informationen an der Wand bedeuteten nichts Gutes. Die beiden waren offenbar noch keinen Schritt weiter bei der Ermittlung der russischen Kontakte ihrer ermordeten Kollegen. Vogel blätterte in einer Akte und schüttelte den Kopf, dann knallte er die Mappe schimpfend auf den Tisch.

      »So eine Scheiße! Entweder sind diese Russen lausige Ermittler, oder sie halten absichtlich Informationen zurück. Ich finde keinen verdammten Hinweis auf ein Handy der Opfer, noch nicht einmal die Info, man habe gesucht und keins gefunden. Das gibt‘s doch nicht.«

      »Vielleicht liegt es an der Übersetzung«, gab Chris zu bedenken.

      Monika Weber schüttelte energisch den Kopf. »Auf die Übersetzerin ist Verlass. Wir arbeiten schon jahrelang mit ihr zusammen. Für sie lege ich die Hand ins Feuer.«

      »Ihr Wort in Gottes Ohr. Ich möchte trotzdem eine Kopie des russischen Originals.«

      »Kein Problem. Im Moment können wir sowieso nur Daumen drehen, bis wir weitere Informationen aus Sankt Petersburg erhalten.«

      Der Bericht bestätigte die ersten Aussagen der russischen Kollegen. Das falsche Ehepaar Meier war ermordet worden, ein Doppelmord, der nur dank der Aufmerksamkeit des russischen Pathologen nicht als tragische Abrechnung unter Eheleuten durchging. Chris betrachtete das Bild der Tatwaffe, eines Revolvers ›Smith & Wesson‹ Modell 19, Kaliber .357, nicht gerade die gängigste Handfeuerwaffe in Russland. Die Täter hatten an alles gedacht. Es sollte wohl so aussehen, als hätten die Meiers den Revolver aus Deutschland mitgebracht.

      »Sind das Blutflecke auf dem Holzgriff?«, fragte sie unvermittelt.

      Die Kopie in der übersetzten Akte ließ keine eindeutige Interpretation zu. Monika Weber reichte ihr das Original aus dem russischen Bericht und stutzte.

      »Das sind Farbtupfer, rote Farbtupfer.«

      »Moment!«, warf ihr Partner ein. »Eine ›Smith & Wesson‹ mit roten Flecken auf dem Griff? Warum ist mir das nicht früher aufgefallen?«

      Chris hütete sich, ihm die Frage zu beantworten.

      »Sag nicht, du kennst den Revolver«, brummte Monika Weber.

      »Vielleicht«, antwortete er nachdenklich, schon an der Tür. »Augenblick.«

      Nach zehn Minuten kehrte er mit einer Fotokopie zurück, auf der ein Revolver abgebildet war, der ihrer Tatwaffe glich wie ein eineiiger Zwilling. Das Foto war nicht besonders scharf, da offenbar aus einem Schnappschuss vergrößert, aber die Farbflecke befanden sich an exakt denselben Stellen. Es konnte kein Zufall sein. Zwei fragende Augenpaare richteten sich auf Dieter Vogel.

      »Ja, es tut mir leid, dass ich nicht sofort geschaltet habe. Ein solcher Revolver ist vor einem Jahr bei einem Einbruch gestohlen worden.«

      »Seit wann beschäftigst du dich mit Einbrüchen?«, fragte seine Partnerin eingeschnappt.

      »Es war ein Einbruch in eine Galerie am Oranienburger Tor. Der Besitzer hat den Täter überrascht, wollte ihn mit so einem Revolver stellen, hat ihn sogar angeschossen, ist aber niedergeschlagen worden. Als er wieder zu sich kam, war die Waffe verschwunden. Man hat den Einbrecher nie geschnappt, den Revolver auch nicht – bis jetzt.«

      Monika Webers Gesicht verfinsterte sich um mindestens zwei Stufen.

      »Warum weiß ich nichts davon?«

      »Du warst damals im Urlaub, und der Fall nicht gerade weltbewegend. Er ist schnell zu den Akten gelegt worden.«

      »Offenbar zu schnell«, murmelte sie laut genug, damit er es hörte.

      »Was für eine Galerie war das?«, fragte Chris.

      »Die Galerie Matulis. Der Besitzer heißt so, Lukas Matulis.«

      »Der Matulis?«, fuhr seine Partnerin auf mit der Betonung auf »der«.

      Er nickte. Chris lebte offensichtlich noch nicht lange genug in Berlin oder verkehrte in den falschen Kreisen.

      »Muss man den Herrn Matulis kennen?«

      Vogel lachte verächtlich auf. »Er glaubt es jedenfalls. Der feine Herr verkehrt in den besten Kreisen der Stadt, spielt sich als der große

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