Vernichten. Hansjörg Anderegg

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Vernichten - Hansjörg Anderegg

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der gegenüberliegenden Straßenseite im Parkverbot eine Lücke suchte. »Das ist ein Aufmarsch wie bei einer verdammten Oper.«

      In Zeitungen und im Netz hatte sie nichts von einer solchen Veranstaltung gelesen. Es musste wohl ein sehr exklusiver Event sein.

      »Geschlossene Gesellschaft«, beschied denn auch der Sicherheits-Bulle mit dem Knopf im Ohr am Eingang.

      Er gab den Tarif durch, bevor sie ein Wort gesagt hatten. Kleidung und Aussehen genügten als Filter. Sie gehörten nicht dazu. Das sah ein Blinder. Dieter Vogel schenkte dem Zerberus ein schiefes Grinsen und sagte:

      »Wenn Sie so weitermachen, könnten Sie schneller recht bekommen, als Ihnen lieb ist, junger Mann.«

      Bevor der andere seine Muskeln in Bewegung setzte, beruhigte er ihn mit dem Dienstausweis.

      »Oberkommissar Dieter Vogel vom LKA. Das ist meine Kollegin, Hauptkommissarin Monika Weber. Wir müssen den Chef sprechen, den Herrn Lukas Matulis.«

      Der Türsteher im Maßanzug überlegte nur kurz, bevor er leise ins verborgene Mikro sprach. Eine Sekunde später erschien ein anderer Maßanzug, wohl der Security-Chef, um mit bedauerndem Lächeln zu verkünden:

      »Tut mir leid, meine Herrschaften. Sie kommen zur falschen Zeit. Herr Matulis ist auf Geschäftsreise.«

      »Wann kommt der denn zurück?«, fragte sie.

      Der Anzug zuckte mit den Achseln. »Ich fürchte, da müsste ich die Geschäftsführerin fragen. Sie ist aber gerade sehr beschäftigt, wie Sie sehen.«

      »Die Mühe können Sie sich sparen. Wir sprechen gerne selbst mit der Geschäftsführerin. Wie heißt die Dame denn?«

      »Roze Matulis. Sie ist die Tochter von Herrn Matulis.«

      Roze Matulis mochte um die dreißig sein, kleidete sich wie zwanzig und empfing sie sichtlich nervös. Sie geleitete sie ins Büro im Erdgeschoss, bemüht, möglichst wenig Aufsehen bei der feinen Gesellschaft zu erregen.

      »Wir führen gerade die sehr wichtige Sommer-Auktion zugunsten unserer Stiftung durch. Ich wäre Ihnen außerordentlich dankbar, wenn sie sich kurzfassen könnten.«

      Monika Weber hatte kein Problem damit. Ihr Partner schon gar nicht. Sich kurz zu fassen war seine Spezialität.

      »Wo ist ihr Vater, Lukas Matulis?«, fragte er.

      »Auf Geschäftsreise in Holland. Hat man Ihnen das nicht ausgerichtet?«

      »Seit wann, und wann kehrt er zurück?«

      »Vorgestern ist er nach Den Haag geflogen. Wir erwarten ihn am Wochenende zurück. Was wollen Sie von meinem Vater? Worum geht es?«

      Monika Weber schaltete sich ein.

      »Es geht um den Einbruch vor einem Jahr. Sind Sie darüber im Bilde?«

      Roze nickte, abwartend.

      »Damals wurde ein Revolver gestohlen, der Ihrem Vater gehört hat. Wir vermuten, die Waffe sei wieder aufgetaucht. Können Sie sich an den Revolver erinnern?«

      »Ja sicher. Er lag immer hier im Schreibtisch – für den Notfall.«

      »Ich möchte Ihnen ein Foto zeigen.«

      Während sie das Foto der Tatwaffe von Sankt Petersburg in der Tasche suchte, fragte ihr Partner nach der Toilette. Der älteste Trick, sich in einem Haus umzusehen ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss. Roze überlegte kurz, dann schickte sie den unliebsamen Besucher ein Stockwerk höher, weg von den feinen Herrschaften.

      Dieter Vogel dachte nicht daran, den Weg über die Hintertreppe zu benutzen. Beim Betreten der Galerie war ihm im hinteren Teil des lang gestreckten Raums ein Balkon mit Balustrade aufgefallen, von dem aus man die Gäste, die an der Auktion teilnahmen, unauffällig beobachten konnte. Er war allerdings nur über eine leicht einsehbare, frei schwebende Treppe zu erreichen. In unregelmäßigen Abständen stiegen einzelne, meist ältere Herren hinauf und verschwanden im Dunkel des Flurs der oberen Etage. Der Weg zu den feinen Toiletten? Er schlenderte an Ikonen und vergoldeten Holzskulpturen vorbei, die niemand beachtete und eigentlich in ein abgelegenes russisches Kloster gehörten. An den Wänden hingen moderne, abstrakte Malereien, die seiner Meinung nach gar nirgends hingehörten, nicht wenige davon mit einem diskreten roten Punkt gekennzeichnet: verkauft. Die Gäste interessierten sich auch nicht für die Moderne. Er fragte sich, was hier wohl versteigert würde, oder ging es am Ende nur ums Geld, nicht um Kunst?

      Der Blick vom Balkon schaffte Klarheit. Hier wurden keine teuren Kunstwerke versteigert, sondern niedliche Kinderzeichnungen. Ein Banner an der Wand hinter dem Pult des Auktionators präsentierte unter dem Logo der Stiftung deren Leitmotiv: Wir helfen bedürftigen Kindern. Nobel, dachte er, fast ein wenig enttäuscht. Die Zeichnungen, oft nicht viel mehr als einige Strichmännchen mit einer gelben Sonne, gingen für bis zu fünfhundert Euro über den Tisch. Die Herrschaften zeigten sich großzügig zum Wohl der Kinder, ein eklatanter Widerspruch zu seinem gefestigten Vorurteil. Außer der Tatsache, dass da offenbar viel Geld zusammenkam, gab es nichts zu entdecken.

      Nach ein paar Minuten auf dem Beobachtungsposten fiel ihm auf, dass keiner der älteren Herren aus der oberen Etage zurückkehrte. Der nächste Herr kam die Treppe herauf. Obwohl er das Gesicht nur für einen Sekundenbruchteil sah, glaubte er, ihn zu erkennen. Er erinnerte sich nicht an den Namen, war sich aber sicher, den Herrn in letzter Zeit öfter im Fernsehen gesehen zu haben, in den Nachrichten, wo er sein Saubermann-Image pflegte. Der Mann arbeitete im Innen- oder Außenministerium, war aber kein Minister. Wenigstens so weit kannte er sich in der hohen Politik im Regierungsviertel aus.

      Er wartete, bis der andere im Flur verschwand, dann folgte er ihm. Der Gang führte an einer Reihe geschlossener Zimmer vorbei, erstreckte sich über die ganze Länge des Hauses und endete vermutlich an der Hintertreppe. Das hohe Tier aus dem Regierungsviertel war nirgends zu sehen. Leise fluchend überlegte er sich, hinter welcher Tür der Mann wohl verschwunden war. Es musste eine der Ersten sein. Am wahrscheinlichsten schien ihm die Tür neben dem Bild mit den Dollarzeichen. Dort stand eine antike Kommode, auf der einige Herren ihre halb leeren Sektgläser abgestellt hatten. Er ging auf die mit Zahlenschloss gesicherte Tür zu, entschlossen, anzuklopfen. Ein Geräusch hinter ihm ließ ihn herumfahren. Der angegraute Herr trat aus dem Zimmer gegenüber, das offenbar tatsächlich Kundentoiletten enthielt. Dieter Vogel starrte ihm wohl eine Sekunde zu lang ins Gesicht, denn der Schlipsträger zeigte mit finsterer Miene auf die Kommode und herrschte ihn an:

      »Worauf warten Sie, junger Mann? Räumen Sie das ab, oder brauchen Sie eine schriftliche Einladung?«

      Ohne ihn weiter zu beachten, klopfte er an die Tür neben der Kommode: einmal lang, zweimal kurz, einmal lang. Der Sesam öffnete sich. Er verschwand im Zimmer. Die Tür schlug zu.

      Dieter Vogel erwachte aus seiner Starre. Allzu gern hätte er einen Blick ins geheimnisvolle Zimmer geworfen. Die primitive Methode, einzutreten und nach der Toilette zu fragen, funktionierte nicht mehr. Sollte er einfach verschwinden? Was hinter dieser Tür verhandelt wurde, ging ihn nichts an. Es hatte nichts mit seinem Fall zu tun, also Abgang. Das professionelle Misstrauen war stärker. Vorsichtig drückte er die Klinke der Tür zum Nebenzimmer hinunter und stürzte beinahe hinein. Bis auf einen staubigen Schrank befand sich nichts im Raum, der offenbar schon lang nicht mehr benutzt wurde. Der Schrank interessierte ihn nicht, wohl aber das schlecht schließende Fenster, durch das die Geräusche des Nebenzimmers hereindrangen. Er konnte der Versuchung nicht widerstehen, ging ans Fenster

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