Vernichten. Hansjörg Anderegg
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Vernichten - Hansjörg Anderegg страница 15
»Nein, aber diese aalglatten Anzug-Typen gehen mir einfach auf den Wecker.«
»War seine Aussage denn glaubhaft?«
»Es gab keinen Grund, daran zu zweifeln. Er besaß sogar einen ordentlichen Waffenschein für den Revolver.«
»Na also«, sagte Monika Weber. »Und wie kommt diese Waffe ins Hotelzimmer in Sankt Petersburg?«
»Falls es tatsächlich dieselbe Waffe ist. Ist es denkbar, dass sie inzwischen doch aufgetaucht ist und die Kollegen sie aus Berlin mitgenommen haben?«
Dieter Vogel verneinte entschieden. »Ausgeschlossen!«
»Wir werden den Herrn Matulis noch einmal befragen«, entschied seine Partnerin.
Chris versprach sich nicht allzu viel davon. Falls Matulis damals die Wahrheit ausgesagt hatte, würde er an der Geschichte festhalten. Andernfalls auch. Es sei denn …«
»Ist Matulis erkennungsdienstlich erfasst worden?«, fragte sie.
Vogel nickte. »Wir haben seine Fingerabdrücke erfasst. Sie werden uns allerdings nicht weiterbringen. Auf dem Revolver sind nur die Abdrücke der ermordeten Kathi Bach sichergestellt worden.«
»Und auf den Patronenhülsen?«
Davon stand nichts im Bericht aus Sankt Petersburg. Es war nur von Abdrücken auf der Tatwaffe die Rede, was immer die russischen Kollegen darunter verstanden. Monika Weber ging zum Telefon mit der Spinne für Konferenzgespräche.
»Schadet nicht, wenn wir danach fragen«, bemerkte sie, während sie die Schaltung nach Sankt Petersburg vorbereitete.
Sobald die Verbindung zu Colonel Gregori Makarov stand, fragte sie zuerst nach dem Befinden des Mädchens.
»Es geht ihr gut, den Umständen entsprechend«, versicherte Makarov. »Wir haben inzwischen ihren Namen erfahren. Sie heißt Jelena. Einen Nachnamen kennt sie nicht, und wir tappen weiterhin im Dunkeln darüber, woher sie kommt.«
Er berichtete mit monotoner Stimme, als läse er den Text ab. Chris konnte nicht beurteilen, wie offen er informierte, oder ob er Informationen zurückhielt. Dass beide Seiten sich in der Fremdsprache Englisch unterhalten mussten, trug auch nicht zur besseren Verständigung bei. Weitere Fragen zu Jelena beantwortete Makarov kurz und ausweichend.
»Was geschieht jetzt mit dem Mädchen?«, fragte Monika Weber, bevor sie das Thema wechselte.
Makarovs Partnerin, Sofia Yeltsova, schaltete sich ein:
»Wir sind dabei, einen Platz in einer bekannten Familie für Jelena zu organisieren. Ich werde ein Auge auf sie haben.«
Eine gute Nachricht, endlich, dachte Chris.
»Wunderbar«, sagte auch Monika Weber. »Gibt es neue Erkenntnisse aus Ihren Ermittlungen?«
Makarov antwortete:
»Ja, zwei Dinge. Nach Aussage des Mädchens ist Jelena von einer ihr unbekannten Frau, wahrscheinlich zwischen dreißig und vierzig Jahre alt, mittelgroß mit grünen Augen, ins Hotel gebracht worden. Sonst hat sie nichts vom Gesicht der Unbekannten gesehen. Kurz vor dem Betreten des Zimmers hat ihr die Frau Wasser aus einer Flasche zu trinken gegeben. Danach erinnert sie sich an nichts mehr. Wir nehmen an, dass diese Frau die Tat begangen hat.«
»Eine Killerin!«, murmelte Monika Weber. »Das riecht nach organisiertem Verbrechen.«
»Davon gehen wir aus. Es war sicher keine Zufallstat. Die Fahndung nach der Verdächtigen ist bisher leider ergebnislos verlaufen.«
Das überraschte niemanden im Zimmer des LKA. Professionelle Killer hinterließen kaum Spuren, wenn sie etwas taugten.
»O. K.«, sagte Monika Weber gedehnt, »und weiter?«
»Im Schließfach des Hotels ist ein Handy sichergestellt worden, welches das deutsche Ehepaar dort deponiert hat, obwohl es auch einen Safe im Zimmer gibt.«
Dieter Vogel grinste breit. Bevor jemand eine Frage stellen konnte, sprach Makarov weiter:
»Wir haben es bereits ausgewertet. Neben privaten Anrufen nach Deutschland ist zuletzt, vierzig Minuten vor der Tat, ein Anschluss in Sankt Petersburg angerufen worden. Dort befindet sich allerdings nur ein Festnetzapparat, der die Anrufe auf eine deutsche Prepaid-Nummer umleitet. Wir können daher den Besitzer dieser Nummer nicht ausfindig machen.«
Als er schwieg, herrschte eine Weile Totenstille. Die Kommissare vom LKA sahen sich an, als erwarteten sie jeden Augenblick, Makarov ließe nach dieser Enthüllung die ganz große Bombe platzen. Falls die Anrufliste des Handys eine Nummer enthielte, welche die falschen Meiers mit dem LKA in Verbindung brachte, wäre die Katastrophe perfekt. Alle warteten mit angehaltenem Atem, doch Makarov sagte nur:
»Entschuldigen Sie uns einen Augenblick.«
Im Hintergrund hörte man gedämpfte Stimmen. Die auf Russisch geführte Unterhaltung wurde schnell lauter, dann schlug eine Tür zu und es kehrte Ruhe ein.
»Die sind sich nicht einig, was für Bären sie uns noch aufbinden wollen«, brummte Vogel, die Hand auf dem Mikrofon.
Monika Weber entspannte sich allmählich. Die Bombe war nicht detoniert. Das gab Hoffnung. Sie zuckte dennoch kaum merklich zusammen, als Makarovs Stimme wieder aus dem Lautsprecher sprach. Sie hatte sich verändert. Er hörte sich verärgert an.
»Es gibt eine Änderung«, sagte er ohne weitere Erklärung. »Unser Vorgesetzter, Generalmajor Petrov, hat Ihnen etwas zu sagen.«
Perplex hörten sie Petrov zu. Er sprach ein miserables Englisch, aber was er sagte, hatte es in sich.
»Unsere Ermittlungen haben ergeben, dass das deutsche Ehepaar Meier Opfer eines Konflikts zwischen rivalisierenden Banden des organisierten Verbrechens geworden ist. Das Ehepaar stand offenbar mit einem Pädophilen-Ring in Kontakt, der mit dem Geschäft des Tambowskaja Kartells konkurriert, das zurzeit den Menschenhandel zu kontrollieren versucht. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Da der Fall das landesweit organisierte Verbrechen betrifft, mussten wir ihn an die zuständige Behörde abgeben.«
»Was heißt zuständige Behörde?«, brauste Monika Weber auf. »Ich denke, Sie sind zuständig.«
»Die Angelegenheit ist von nationaler Bedeutung. Zuständig ist jetzt das Innenministerium. Für weitere Fragen wenden Sie sich bitte direkt ans Ministerium.«
Damit endete die Telefonkonferenz abrupt.
»Nicht zu fassen – hält der sich für den verdammten Putin oder was?«, rief Vogel aus.
Monika Weber schüttelte nur stumm den Kopf, während Chris sich die Reaktion von Staatsanwältin Winter ausmalte. Die Begeisterung über den in Rekordzeit und ohne außenpolitische Komplikationen abgeschlossenen Fall würde ihr womöglich gar ein Lächeln abringen. Sie selbst sah allerdings keinen Grund zu übereilter Freude, so gerne sie den Fall lieber heute als morgen zu den Akten gelegt hätte. Das unbestimmte Gefühl beschlich sie, hinter dem Horizont erwarte sie ein Unwetter, auf das sie in keiner Weise vorbereitet war.