Vernichten. Hansjörg Anderegg

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Vernichten - Hansjörg Anderegg

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wird wieder gesund werden, ganz bestimmt.«

      Die Notärztin war da weniger sicher gewesen. Während der Fahrt zurück zum Betreuungszentrum berichtete er Sofia leise, was er im Haus gesehen hatte.

      »Ein Freudenhaus für Pädophile«, fasste sie zähneknirschend zusammen.

      »Und ein einträgliches Kinderporno-Studio, das die User im Internet vermissen werden«, ergänzte er bissig.

      »Du meinst, die OMON habe die andern Kinder abtransportiert?«

      Er nickte stumm. Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander, bis Sofia herausplatzte:

      »Das passt überhaupt nicht zu denen.«

      »Ich weiß.«

      Der Gedanke beschäftigte ihn auch, seit er das Haus betreten hatte. Die OMON war eine Spezialeinheit für die Bekämpfung der ganz bösen Buben, Gewaltverbrecher, Terroristen. Das rote Haus aber war ein klarer Fall für die Sitte.

      »Es passt ganz und gar nicht zusammen«, murmelte er nachdenklich.

      Sofia rümpfte die Nase. »Und es stinkt zum Himmel. Dieses Räumungskommando, die verdammte Geheimniskrämerei des Colonels, der Abtransport und möglicherweise die Eliminierung von Zeugen – das alles weckt ganz böse Erinnerungen, wenn du verstehst, was ich meine.«

      Er verstand sie sehr gut.

      »Nos?«, fragte er nur.

      Sie nickte stumm. Nos, die Nase, war der Spitzname des Pakhan, des unbekannten obersten Bosses des mächtigen Tambowskaja Kartells in Sankt Petersburg, das sich neuerdings sehr aktiv mit Internet Pornographie der ganz harten Sorte beschäftigte.

      »Fragen wir unseren Freund Colonel Zorin«, brummte er mit bitterem Grinsen.

      Dahlem

      Chris zögerte auszusteigen, obwohl sie eigentlich leichten Herzens hätte aus dem Auto ins Haus und in Jamies Arme springen müssen. Hier in Dahlem war alles perfekt. Das hoffentlich nicht mehr lange kinderlose Ehepaar Roberts bewohnte eine der schönsten Villen im vornehmen Viertel, einen Prunkbau aus der Jahrhundertwende, um den sie jeder Yuppie Investmentbanker beneiden würde. Ein alter Freund mit Verbindungen zum preußischen Hochadel überließ ihnen das Haus mit der einzigen Auflage, es zu bewohnen – zu einem lächerlich niedrigen Mietpreis, den zu zahlen sie sich fast schämte.

      Im Gegensatz zu ihr besaß Jamie, Engländer und Arzt in der medizinischen Forschung, gleich zwei grüne Daumen. Der ehemals wild wuchernde Garten hinter dem Haus hatte sich daher in ein naturnahes Paradies verwandelt mit einem Kräutergarten, der jedem Kloster wohl anstünde. Eine Stunde bei gutem Wetter in diesem Garten war die bessere Medizin, um den Dreck loszuwerden, dem sie bei ihren Ermittlungen begegnete, und wieder herunterzukommen, als eine Dosis Benzodiazepin. Sogar der Pavillon unter der alten Buche sah jetzt, frisch gestrichen, einladend aus.

      Im Dachgeschoss befand sich das Musikzimmer mit einem Oberlicht, das ihr das Gefühl gab, auf Wolken zu schweben. Das war ihr Reich. Jamies Epizentrum befand sich im Erdgeschoss. Seine Küche mit Fenstern zum Garten diente nicht nur als Labor für raffinierte kulinarische Experimente. Der gemütliche Raum beherbergte auch den längsten Küchentisch, den sie je gesehen hatte, und war Mittelpunkt nächtelanger Diskussionen und leider allzu seltener Treffen mit Freunden.

      Jetzt hatte auch sie sich erneuert und trug ein Geheimnis in sich, das ihrer beider Glück nochmals steigern würde. Besser ging es nicht. Warum also zögerte sie?

      Das Aktenstudium im LKA hatte ihr plastisch vor Augen geführt, was sie zwar schon immer gewusst aber bisher stets erfolgreich verdrängt hatte: Sie lebten in einer Welt, in der man Kinder missbraucht und wegwirft, wenn sie zu alt werden – wie seelenloses Spielzeug, dem man entwächst. Wie konnte sie da glücklich sein in ihrem Paradies in Dahlem? Vor dem Rückspiegel übte sie das entspannte Lächeln, mit dem dieser wichtige Tag enden sollte, bevor sie ausstieg.

      Jamie befand sich nicht im Haus. Sie ging in die Küche. Die Tränen zuvorderst, betrachtete sie die Leckereien, die ihr Kochkünstler als Requiem für den verlorenen Zopf aufgetürmt hatte. Gambas an scharfer Weißweinsauce, Datteln im Speckmantel, marinierte Paprika, Champignons mit Chorizo und natürlich die spanische Version von Bruschetta mit Jamón: Häppchen, die sie auf Anhieb erkannte. Die andere Hälfte der festlichen Tafel bestand aus neuen Kreationen, die sie noch nie gekostet hatte. Im Kühlschrank warteten bestimmt die Förmchen mit Jamies legendärer Crème brûlée, denn der Bunsenbrenner stand schon bereit. Der Gute hatte sich selbst übertroffen und war nun dabei, den Pavillon zu schmücken, wie sie beim Blick aus dem Fenster bemerkte. Warum konnte sie die quälenden Bilder in ihrem Kopf nicht einfach einen Abend lang vergessen und sich dieser Orgie hingeben? Ärger über ihre Unfähigkeit, einfach nur glücklich zu sein, gesellte sich zur Trauer über die verlorenen Kinder im Aktenberg des LKA.

      Er trat aus dem Pavillon, sah sie im Küchenfenster und erstarrte. Ihr gezwungenes Lächeln mochte auf die Entfernung ganz entspannt wirken. Nach dem ersten Schreck grinste er breit, warf ihr eine Kusshand zu, griff sich ans Herz, verbeugte sich und dankte pantomimisch dem Himmel, bevor er in großen Sätzen aufs Haus zu rannte. Sein Theater rührte sie noch mehr zu Tränen. Er stürmte in die Küche, während sie die feuchten Augen abtupfte, was er als Zeichen überbordender Freude interpretierte. Er küsste sie lange, bevor er sein Urteil abgab. »Scharf«, lautete das erste Adjektiv zur neuen Frisur.

      »Gib schon zu, es gefällt dir nicht«, jammerte sie scheinbar enttäuscht, ohne ihn anzusehen.

      »Was meinst du?«

      Dabei grinste er so unverschämt, dass sie wider Erwarten lachen musste.

      »Ich wusste es!«, rief sie aus. »Du hast nur meinen Zopf geliebt.«

      Zu ihrer Überraschung stimmte er zu, immer noch grinsend.

      »Das war so bei der alten Chris. Die neue Mrs. Roberts aber würde ich auf der Stelle heiraten, wäre ich noch zu haben.«

      Da ihr die angemessene Antwort nicht sogleich einfiel, presste er sie an seine Brust und wiederholte das erste Adjektiv, dem sogleich weitere aus derselben Kategorie folgten, wobei die Stimme immer tiefer in den Keller sank:

      »Entzückend, bezaubernd, hinreißend, verführerisch, unwiderstehlich – bloody sexy!«

      »Mehr fällt dir dazu nicht ein?«

      Ein gezwungenes Lächeln begleitete den kläglichen Versuch, britisch cool zu wirken. Er spürte, dass sie lieber weinen statt lachen wollte.

      »Stimmt etwas nicht, Liebling? Habe ich etwas Falsches gesagt?«

      Sein betroffenes Gesicht verdiente einen weiteren Kuss. Sie schüttelte traurig den Kopf.

      »Es hat nichts mit dir zu tun. Ich – hatte einfach einen schlechten Tag. Es tut mir leid, Liebster. Du hast dir solche Mühe gegeben … Ach, es ist zum Heulen.«

      Diesmal tupfte er ihr die feuchten Augen ab.

      »Deine Arbeit frisst dich noch auf«, murmelte er. »Aber setzen wir uns doch, essen ein Häppchen, trinken ein schönes Glas Rioja dazu und reden darüber.«

      Sie versuchte es, doch selbst die zarten Paprikastücke blieben ihr im Halse stecken. Sie trank einen winzigen Schluck Rotwein und sah ihm eine Weile beim Essen zu. Dann gab sie sich einen Ruck,

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