Staatsfeinde. Hansjörg Anderegg
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»Klar, Tom Fischer war mein Partner. Feiner Kerl.«
»He?«, rief Phil verdutzt. Fast wäre ihm die Wasserflasche entglitten. »Das ist nicht dein Ernst, Kai!«
»Was?«
»Hauptkommissar Tom Fischer ist ein Arschloch.«
»Stimmt«, gab Kai zu.
Phil verstand gar nichts mehr.
»Ja was jetzt?«, fragten er und Pia im Duett.
»Beides ist richtig. Im Grunde ist er ein feiner Kerl, der Tom. Als Partner konnte ich mich hundertprozentig auf ihn verlassen. Aber jetzt ist er ein Arschloch.«
»Eine ziemlich krasse Verwandlung«, bemerkte Phil, »wie bei Kafka.«
Kai dachte nach. Das strengte ihn offensichtlich an. Pia stellte ihm eine Tasse schwarzen Kaffee mit viel Zucker hin. Nach dem ersten Schluck schüttelte er sich und erzählte weiter.
»Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was der Auslöser war. Es hat wohl damit zu tun, dass ihn Frau und Tochter kurz nach dem Einsatz – ihr wisst schon …«
»Wir wissen, was du meinst«, warf Pia augenblicklich ein.
»Also kurz danach hat ihn die Alte verlassen.«
»Und die Tochter«, ergänzte Pia. »Das ist hart.«
»Zweifellos«, gab Phil zu, »trotzdem muss einer nicht zwingend zum Arschloch mutieren und andere Leute belästigen, zum Beispiel mich.«
Das war auch für seine Schwester neu. Er hatte sie aus dem Gefecht mit Kommissar Fischer heraushalten wollen, aber jetzt war es zu spät. Haarklein musste er vom Mord am Antiquar Rosenblatt in Aachen und den quälenden Befragungen im Landeskriminalamt berichten. Kais einziger Kommentar am Ende der Geschichte bestand aus einem Wort:
»Arschloch.«
Pia zog ihn hinter die Theke und in eine Ecke, wo sie ungestört reden konnten. Sie war der einzige Mensch, der ihn ungestraft berühren durfte.
»Ist da was dran?«, fragte sie mit zitternder Stimme. »Hast du irgendetwas mit diesen furchtbaren Verbrechen zu tun?«
»Spinnst du?«
Mit dem nächsten Atemzug stürzte alles wieder auf ihn ein, das er seit jener schrecklichen Nacht erfolgreich durch Arbeit verdrängt hatte. Schuld!, wollte er hinausschreien, doch sein Mund blieb verschlossen.
Düsseldorf
Der Verdacht gegen Tom Fischer hatte sich zwar nicht erhärtet in den letzten vierundzwanzig Stunden, war aber keineswegs vom Tisch. Chris fehlte das Motiv. Weshalb sollte ein Kollege wie Fischer als Phantom Leute umbringen, noch dazu im Internet damit prahlen?
Die Lagebesprechung im LKA Düsseldorf zog sich in die Länge. Fischer benahm sich völlig normal, machte seine Arbeit professionell, soweit sie feststellen konnte. Eine gespaltene Persönlichkeit? Unwahrscheinlich, dachte sie. In dieser Frage verließ sie sich aufs Bauchgefühl, das sie normalerweise nicht im Stich ließ. Sicher, Fischer besaß einen labilen Charakter, brauste leicht auf, würde möglicherweise aus nichtigem Anlass ausrasten, falls man ihm auf die Füße trat. Das entsprach ganz und gar nicht dem Profil des eiskalten Killers. Das Phantom hatte seine Tat in Aachen in allen Einzelheiten geplant wie ein Auftragsmörder, der sich keinen Fehler erlauben kann. Die Nachricht mit der Drohung der Geschworenen war ein klares Indiz dafür. Und wie anders wäre zu erklären, dass er sich nach der Tat scheinbar in Luft auflöste trotz der Zeugen, die seinen Abgang beobachteten? Das Phantom blieb ein Rätsel, dessen Lösung weder sie noch die Kollegen vom LKA auch nur einen Schritt näher gerückt waren, wie diese Besprechung zeigte.
»Hat die Untersuchung des Steins etwas gebracht, was uns weiterhilft?«, fragte sie.
Fischer und seine Partnerin sezierten sie mit den Augen. Kriminalassistent Becker erlitt einen Hustenanfall. Der Gute hatte die Untersuchung des Steins veranlasst, ohne seinen Chef zu informieren. Sie beeilte sich, die Wogen zu glätten, bevor sie entstanden.
»Ich habe Herrn Becker beauftragt, die Gesteinsprobe genauer analysieren zu lassen. Das geht schneller und günstiger in Ihrem Labor, statt das Beweisstück nach Wiesbaden zu schicken.«
Fischer lief rot an. Becker besaß nicht nur schöne grüne Augen. Dahinter befand sich auch ein brauchbares Gehirn. Schnell sprudelte die Analyse der KT aus ihm heraus, dass Fischer nichts anderes übrig blieb, als zuzuhören.
»Der am Tatort sichergestellte Stein ist ein Stück Löss-Gestein. Es besteht im Wesentlichen aus Ton, Quarz und Kalk. Die KTU sagt, dass die Zusammensetzung typisch ist für die Zülpicher Börde. Der Stein auf der Nachricht der Geschworenen stammt aller Wahrscheinlichkeit nach aus einem Braunkohle-Tagbau am Nordrand der Eifel.«
Oder aus einer Kiesgrube in diesem riesigen Gebiet, ergänzte sie im Stillen. Sie schwieg wie die überraschten Kollegen, gönnte den grünen Augen den stillen Triumph.
»Der kann den verdammten Briefbeschwerer irgendwo aufgelesen haben«, brummte Fischer nach dem ersten Schreck.
»Sicher«, stimmte sie zu, »aber wie hoch würden Sie die Wahrscheinlichkeit dafür einschätzen, nachdem wir wissen, dass die Tat sorgfältig geplant war?« Niemand beantwortete die rhetorische Frage, also fuhr sie fort: »Ich denke, wir sollten davon ausgehen, dass unser Phantom eine Operationsbasis in der Gegend benutzt hat, aus der dieser Stein stammt.«
»Selbst wenn das stimmt«, warf Fischer ein, »die Zülpicher Börde ist ein gigantisches Gebiet. Wir würden Monate und tausend Leute brauchen, um es abzusuchen.«
»Lassen Sie sich was einfallen. Ich kümmere mich inzwischen um die Geschworenen, die in letzter Zeit merkwürdig still geworden sind.«
Die Bestätigung aus Wiesbaden folgte unmittelbar nach der Besprechung. Es gab keinerlei Lebenszeichen mehr von jury12. Die Webseite der Geschworenen blieb unverändert, als gäbe es die Hetzer nicht mehr, als hätten sich die Geschworenen in Luft aufgelöst wie das Phantom. Hirngespinste, weiter nichts, außer den zwei Leichen. Sie glaubte indessen keine Sekunde ans Ende der Geschichte. Es war die Ruhe vor dem Sturm, warnte ihr Bauchgefühl.
Zu viele mögliche Spuren führten nicht weiter als gar keine, stellte sie nicht zum ersten Mal in ihrer Karriere fest. Es gab weit über hundert in NRW registrierte HK45, wie sie das Phantom für die Todesschüsse benutzt hatte. Fischer besaß eine und John Stein, aber ohne konkrete Beweise war da nichts zu machen. Auch die nicht wenigen Besitzer eines Motorrads wie es Zeugen beschrieben hatten waren bekannt, ohne dass ein greifbarer Verdacht aufgekommen wäre. Der einzige Zufall, der sie störte, war die Tatsache, dass John Stein auch auf der Liste der Besitzer einer BMW 900 RT auftauchte. Andererseits, auf welcher Liste tauchte der nicht auf? Die Ermittlungen kamen nicht vom Fleck, während sich Geschworene und das Phantom seelenruhig auf die nächste Hinrichtung vorbereiteten, fürchtete sie.
Das Klingelzeichen auf dem Laptop riss sie aus ihren Gedanken.
»Uwe, gibt›s was Neues von jury12?«, fragte sie hoffnungsvoll.
Das Gesicht im Video-Chat blieb unbewegt.
»Nicht