Hospiz ist Haltung. Группа авторов
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Heute höre ich dies anders. Ich habe den Eindruck, dass jetzt das Ehrenamt mehr und mehr in den Hintergrund und in die Rolle des Lückenbüßers gedrängt wird, weil SAPV, Qualitätsmanagement und Professionalität so in den Vordergrund geraten. Ich höre auch, dass die Bereitschaft, Kurse zur Vorbereitung der Ehrenamtlichen anzubieten, abnimmt. Ich habe im Bereich Köln zwei Dienste im Sinn, in denen ich noch tätig bin – und dort sind die Zahlen und die Bereitschaft von ehrenamtlichen Helfern, solche Kurse zu machen und in die ehrenamtliche Begleitung einzusteigen, von der Tendenz her eher abnehmend. Genauso sinkt die Bereitschaft, sich auch finanziell zu engagieren und zu spenden.
Glauben Sie, dass in der Weiterentwicklung der Hospizziele ein Arbeiten der Ehrenamtlichen mit den Professionellen auf gleicher Augenhöhe möglich wäre?
Ja, ich denke, dass dies möglich ist. An vielen Beispielen kann man erkennen, wie hervorragend das Zusammenwirken im Team zwischen Fachkräften und Ehrenamtlichen funktioniert. Das setzt aber eine noch stärkere Bereitschaft der Hauptamtlichen, der Ärzte, Pflegekräfte und auch anderer Verantwortlicher für die Weiterentwicklung von Strukturen voraus.
Wenn es jetzt aber Überlegungen geben soll, die Leitung stationärer Hospize Ärzten zu überlassen, dann frage ich mich, wo da die Notwendigkeit besteht, denn austherapierte Patienten bedürfen der Schmerzmedizin, sie müssen richtig eingestellt sein, „therapiert“ werden muss das Lebensende.
Meine Hoffnung ruht auf der zunehmenden Entwicklung von Hospiz- und Palliativ-Netzwerken, in denen die unterschiedlichen ambulanten und stationären Einrichtungen vertrauensvoll zusammenarbeiten, sich gegenseitig ergänzen und unterstützen, ohne sich in Kompetenzgerangel zu verlieren. Dabei werden selbstbewusste Ehrenamtliche die „Augenhöhe“ der Beziehungen mitbestimmen.
Das Interview führte Horst Schmidbauer
Norbert Schmelter
Gründungsmitglied der BAG Hospiz e.V.
Norbert Schmelter, geb. am 23.5.1951 in Verl, NRW, hat die Hospizbewegung in Deutschland von Beginn an begleitet. Sowohl im ehrenamtlichen als auch im hauptamtlichen Kontext. Als Geschäftsführer der Pflege „Lebensnah“ hat er die Ideen der hospiziellen Gestaltung in den stationären und ambulanten Pflegebereich integriert. Im folgenden Interview gibt er Antworten zu gesellschaftspolitischen und eigenen Interessen der Hospizbewegung.
1.4Hin zum bürgerschaftlichen Tun
Interview Schmelter
Interview und Vita Herr Schmelter
Sie haben die Anfänge der damaligen Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz (heute DHPV e.V.) als Gründungsmitglied begleitet. Wie sind Sie zur Hospizarbeit gekommen?
Im Jahr 1981 habe ich im Rahmen einer Zusatzqualifikation zum Fachkrankenpfleger für Gemeindepflege erstmalig die Hospizidee kennengelernt. Bei einer Exkursion in London wuchs mein Verständnis der Hospizarbeit. 1987 habe ich im Rahmen einer Veranstaltung Dr. Becker von der IGSL (Internationale Gesellschaft für Sterben und Lebensbegleitung) in Freiburg kennengelernt. Daraus resultierte eine Mitgliedschaft in der IGSL. Im Besonderen hat mich die eigene Betroffenheit durch den Tod meines Vaters (1974) wachgerüttelt, da ich den Umgang mit dem Leichnam meines Vaters im Krankenhaus als wenig rühmlich erfahren habe. So wurde das eigene Erleben, gepaart mit der beruflichen Identifikation, Wegbereiter meiner hospizlichen Motivation.
In den Jahren der gemeinsamen politischen Arbeit für die Hospizidee habe ich Sie immer als einen Menschen mit klaren Positionen kennengelernt. Was sind für Sie die größten Erfolge der Hospizbewegung?
Weg von der Institutionalisierung hin zur Bürgerschaftlichkeit
Die größten Erfolge der Hospizbewegung sehe ich in der Finanzierung stationärer Hospizarbeit und in der qualifizierten ehrenamtlichen Mitarbeit in der ambulanten Arbeit. Ein weiterer Erfolg ist die prozesshafte Entwicklung von Haltung und Werten des menschlichen Lebens. Dadurch bedingt hat die Hospizarbeit dazu beigetragen, dass eine Veränderung in vielen Bereichen stattgefunden hat, wie z. B. Medizin, Pflege, Seelsorge, psychosoziale Belange, Trauer und weiteren Fachdisziplinen. Diese Entwicklung führte weiter zu Veränderungen bis hin in die kleinzelligen politischen Strukturen der Nachbarschaft, Stadtteile, Kommunen, Städte und Regionen.
Das Ehrenamt bildet eine zentrale Rolle in den vernetzenden Aufgaben. Wo sehen Sie das Ehrenamt, wie wichtig ist es, was braucht Ihres Erachtens das Ehrenamt?
Beim Thema ehrenamtliches Engagement fühle ich mich Prof. Dr. Dr. Dörner nahe. Sein Postulat zum Thema bürgerschaftliches Engagement teile ich vorbehaltlos, wenn er beschreibt, dass die „sogenannten“ Profis weiterhin lernen müssen, sich zu öffnen, weg von institutioneller Prägung hin zum bürgerschaftlichen lebensweltorientiertem Tun.
Wo sehen Sie die zukünftigen Aufgaben in der Politik?
Politische Unterstützung muss stadtteilorientierter stattfinden, so dass sich das Gemeinwesen an der jeweiligen Lebensform orientieren kann.
Wo sehen Sie die zukünftigen Aufgaben an der Basis?
Hinterfragt die Profis!
Menschen an der Basis – und hier meine ich jeden Bürger – müssen den Mut haben, ständig den Profi zu hinterfragen. So könnte eine Frage lauten: Wie viel Medizin verträgt der Mensch? Zeitgeschenke sollten erfolgen, um gemeinwesenorientierte Aufgaben erfüllen zu können. Die Basis sollte einen Beitrag leisten, um nachbarschaftliche Wohn- und Lebensformen zu gestalten. Wir alle müssen eine Abkehr herbeiführen, eine Abkehr von der schnellen Hilfe, wie sie heute forciert wird durch Suchtmittel (Medikamente, Alkohol, illegale Drogen). Der Tendenz zur Vereinsamung, Isolation und sozialen Verwahrlosung gilt es entgegenzuwirken. Wir brauchen sinnstiftende Aufgaben.
Als Geschäftsführer haben Sie hier in Rendsburg die Pflege Lebensnah aufgebaut. Wie viel Ehrenamtliche arbeiten hier und was sind die Aufgaben der Ehrenamtlichen?
Hier in Rendsburg arbeiten 80 bis 100 Ehrenamtliche. Für mich bedeutet das Ehrenamt gleichzeitig auch eine Übernahme von Verantwortung den Mitmenschen gegenüber, es gibt mir Freiheit und Sinnerfüllung. So sehe ich auch meine Mitwirkung in der hospizlichen, ehrenamtlichen Vielfalt, die da wären: Basare initiieren, Öffentlichkeitsarbeit, Besuchsdienst bei Patienten in der Häuslichkeit, in der Tagespflege, Kurzzeitpflege und im stationären Hospiz, Telefondienst im Hospiz, ehrenamtliche Netzwerkarbeit sowie das Einbringen niedrigschwelliger Angebote für Menschen mit Demenz und auch in Hausgemeinschaften. Zusätzlich die Etablierung eines Fördervereins und die dazu gehörige ehrenamtliche Arbeit.
Herr Schmelter, ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen und wünsche Ihnen weiterhin sinnstiftende Erfolge in Ihrer hospizbewegten Arbeit.
Das Interview führte Gerda Graf
Sir Charlie Chaplin an seinem 70. Geburtstag
So wie die Hospizbewegung ihre Wurzeln braucht, um in Bewegung zu bleiben,