Mettes Flucht in den Tod. Jürgen Hoops von Scheeßel
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Abelke hörte gespannt zu, denn sie musste Adelheid auch einmal bei einem solch tragischen Geschehen zur Hand gehen, wobei die Mutter und das ungeborene Kind einen qualvollen Tod starben. Sie hatte sich damals mehrmals übergeben müssen, aber auch viel dabei gelernt. Adelheid erinnerte Abelke während des Erzählens an ihre selige Mutter, die ihr sehr fehlte.
Als Harms Frau mit der Geschichte fortfuhr, wurde Abelke wieder aus ihren Gedanken gerissen.
„Für den Tod des Kindes und der Tatsache, dass seine Frau niemals mehr Kindern das Leben würde schenken können, machte mich dieser Mann, der die alleinige Schuld daran trug, verantwortlich. Dass er damit von seinen Fehlern ablenken wollte, entschuldigt nichts. Er zeigte mich beim Amtmann an, eine Zauberin und Hexe zu sein, die Schuld am Tod des Kindes und allerlei anderer Miss-geschehen und Unglücke sei, die er selbst zu verantworten hatte, aber nun einen Sündenbock in mir gefunden zu haben glaubte. Mit meinem Tod als Hexe auf dem Scheiterhaufen wollte er sich an mir, aber auch an Harm rächen, der ihm in seinen Augen, die Frau, seine Frau weggenommen hatte.“
Sie schaute Abelke prüfend an, ob sie den Rest der Geschichte auch noch verkraften würde, denn der Prozess gegen ihre Mutter hatte ein halbes Jahr gedauert und sie hatten sie bei lebendigem Leib im Nachbaramt Ottersberg verbrannt. Die Schreie der Sterbenden hatte Adelheid nicht aus den Ohren bekommen und Abelke musste als Kind mit ansehen, wie man die Mutter in den Flammen förmlich geröstet hatte. Danach nahm sie das Mädchen in ihre Obhut, schließlich waren sie über viele Ecken miteinander verwandt. Sicherlich, sie war auch mit Döhrnemanns verwandt, aber das hatte alles nichts geholfen, es eher noch verschlimmert. Adelheid war in ihre Gedanken versunken und bemerkte gar nicht, dass die anderen auf die Fortsetzung der Erzählung warteten, bis Harm seine Hand sanft auf die ihre legte und sie mit einem Stirnrunzeln erwartungs- und liebevoll anschaute.
„Entschuldigung“, sagte Adelheid leise und fuhr fort.
„Harm Döhrnemann hatte nicht nur mich beschuldigt, sondern auch noch meine Familie in Bötersen und in Höperhöfen als „Zaubersche“ und „Hexen“ beschimpft. Hinzu kam sicherlich noch, dass er seinen Hof nicht so ertragreich wie mein Harm bewirtschaftete und dem Brandwein sehr zugetan war. Ich wurde verhaftet und mehrmals verhört, wie auch meine ganze Verwandtschaft. Da Döhrnemann aber keinen Beweis für seine Anschuldigungen vorlegen konnte, die Nachbarin, die mich zur Geburtshilfe in sein Haus geholt hatte, unter Eid aussagte, was wahr war, wurde er vor vier Jahren, nach vier ganzen Jahren Prozessdauer, des Landes verwiesen.
Diese Anschuldigungen und Anfeindungen hat unser Warneke nicht verkraftet, dazu kam, dass er in einem Alter war, ein Mann zu werden. Die schiere Verzweiflung trieb ihn zu diesem Selbstmord. Er hatte wenigstens einen schnellen Tod, da er sich das Genick dabei brach. Mein ist die Rache, sprach der Herr, predigt unser Schwattkittel immer von der Kanzel und da hatte er recht behalten.“
„Wieso?“, fragte Abelke erstaunt dreinblickend.
Harm übernahm nun die Fortsetzung der Geschichte, denn er bemerkte, dass das Erzählen seiner Adelheid immer schwerer fiel und sie den Tränen näher war als alle zusam-men dem Sommer.
„Nach vier Jahren Prozess, vielen Vernehmungen und Prozesstagen, wurde dieser gemeine Denunziant verdientermaßen des Landes verwiesen. Sie haben ihn damals an die Grenze zum Amt Rethem geführt. Er musste die „Urfehde“ schwören und versprechen, nie wieder ins Amt Rotenburg zurückzukehren“, sagte Harm und zog ein wenig an seiner Pfeife, als genösse er diesen Moment besonders. Nachdem er den Rauch ebenso genüsslich ausgehaucht hatte, fuhr er fort.
„Einige Tage später hörte ich in der Rotenburger Mühle, dass er bei Kirchwalsede tot am Ast eines Baumes baumelnd aufgefunden wurde und sich selbst gerichtet haben soll. Wie Adelheid schon sagte, der Herr lässt Gerechtigkeit walten.“
Abelke wollte etwas fragen, weil es spannend war und es ihr zu viele Erzählpausen gab, aber der strafende Blick von Harm hielt sie davon ab.
„Bei einem Krug Bier erzählte unser damaliger Amtsvogt, wie es sich seiner Meinung nach abgespielt haben könnte, denn so, wie er ihn vorgefunden hatte, muss der Teufel seine Hände im Spiel gehabt haben. Er hing mit seinem Hals in einer Seilschlinge, oder was von ihm noch übrig war, an einem dicken Ast. Da muss er wohl hinaufgeklettert sein und sich dann fallen gelassen haben.
Der Vogt beschrieb in allen Einzelheiten, wie so ein Genick brechen kann, wenn man es nur richtig macht. Ich hätte mir gewünscht, er wäre jämmerlich röchelnd an Luftnot erstickt, wie der Dieb im letzten Jahr, bei dem der Henker keine gute Arbeit ablieferte.“
Da hielt Harm mit dem Erzählen inne, denn er hatte nicht bedacht, dass Abelkes Mutter kurz danach auf dem Scheiterhaufen starb und das Mädchen ein wenig blass um die Nase geworden war.
Adelheid hatte die Situation sofort erfasst, lächelte das Mädchen an und sagte mit liebevoller Stimme: „Ich glaube, ich erzähle doch weiter“, und tat es auch.
„Mir tat zwar Beke, also Döhrnemanns Witwe, leid, aber ich hätte ihm auch ein langes und sehr qualvolles Ende gewünscht, schließlich hat er meinen Jungen in den Tod getrieben. Dass Beke sich darauf in den Hausbrunnen zu Tode stürzte, traf mich schon. Eigentlich taten mir nur die Kinder leid“, fügte sie leise an.
„Seit dem hat Cordt, der Hinkefuß, Harms jüngerer Bruder, dessen Rolle, mich schlecht zu machen, übernommen. Er verbreitet überall Gerüchte und führt üble Reden über mich. Er hatte auch behauptet, der Teufel, mit dem ich angeblich im Bunde stünde, hätte sich an seinem Bruder in meinem Namen gerächt.
Damit will ich es nun für heute gut sein lassen und du weißt jetzt, was geschehen ist. Sein Selbstmord hat erneut bewiesen, dass ich unschuldig bin.“
Abelke nickte und war froh, dass die Geschichte nicht von Harm weiter erzählt wurde, denn er erzählte Geschichten immer so lebhaft und voller Spannung, dass es ihr dann immer ganz flau im Magen war. Abelke stellte es sich sehr bildhaft vor und es grauste ihr dabei. Zugleich aber verspürte sie das Verlangen, die Geschichte bis zum Ende zu hören.
Sie konnte nachts nicht gut schlafen, weil sie immer noch die Schreie ihrer Mutter hörte, obwohl der Vater ihr damals die Ohren zugehalten hatte. Sie hatte sie dennoch deutlich vernommen. Erst seit sie bei Adelheid in Obhut und nun in Stellung war, ging es ihr immer besser und die Albträume wurde allmählich weniger.
1607
Es war das Jahr, in dem Anna Dreyer in Bötersen geboren wurde, die später Diedrich Hastede aus Hetzwege ehelichte. Im selben Jahr ließ Maria Hastedt aus Bötersen ihre Tochter Tibke taufen, die man später als „Tibke von Bartelsdorf“ benennen würde.
Marias Onkel, Cordt Döhrnemann, den alle nur den Hinkefuß nannten, konnte es einfach nicht sein lassen und sprach unentwegt und bei jeder Gelegenheit von seinem seligen Bruder Harm. Er saß während der Taufe von Tibke nur zwei Bänke hinter Harm und Adelheid Hoops.
Während der anschließenden bescheidenen Tauffeier erzählte er mit Häme von Adelheid und bezeichnete sie als „seine Hexe“, die wohl nur so getan hätte, als habe sie ihn nicht bemerkt. Er sagte für alle hörbar: „Dabei ist doch die alte Hexe Adelheid schuld am Tod meines Bruders Harm und meiner Schwägerin Beke.“
Als Maria davon hörte, war es ihr sehr peinlich