Mettes Flucht in den Tod. Jürgen Hoops von Scheeßel

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Mettes Flucht in den Tod - Jürgen Hoops von Scheeßel

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aber rief Harm über den Hof, denn er hatte seine Schwester aus dem Haus schauen sehen, neugierig, wie sie nun mal eben war.

      „Gesine! Ist alles gut vorbereitet?“, hörte sie ihren Bruder fragend rufen. Sie winkte ab, ließ sich nicht weiter ablenken und verschwand vollends im Haus.

      „Junge, deine Mutter wird als Bademutter viel unterwegs sein und ich werde sie, wenn notwendig fahren, solange ich es vermag. Du kannst den Knecht dann anders einsetzen und ich habe eine sinnvolle Aufgabe.“

      „Vadder, das kommt überraschend. Darüber freue ich mich sehr“, entgegnete Joachim strahlend.

      „So wie ich Gesche verstanden habe, wird sie von deiner Mutter als Nachfolgerin in der Kräuterkunde und als Bademutter eingewiesen werden. Pass gut auf sie auf, denn die Leute reden gerne und sehr viel, meistens aber nichts Gutes“, fügte Harm nach einer ganzen Weile an.

      Der Tag der Hochzeit war nun für das Brautpaar gekom-men und die Zeit der Verlobung damit zu Ende.

      Es war eine für die Zeit und die Umstände angemessen ausgestattete Feier, die sich für einen Außenstehenden aber durchaus als bescheiden darstellte.

      Adelheid hatte darauf bestanden und gesagt: „Die Leute sollten keinen Grund haben, um Gerüchte und üble Reden über die Ausgestaltung der Feier zu verbreiten. Sie reden sowieso, aber wir müssen vorsichtig sein, denn das Geschwätz von Döhrnemann bedroht die Familie noch immer unterschwellig.“

      Es war eine wunderschöne Feier bei herrlich trockenem Wetter an einem sonnigen Oktobertag.

      „Wir können sehr zufrieden sein“, sagte Harm stolz zu Adelheid. „Die Ernte war gut, die Vorratskammern sind aufgefüllt, der Hof befindet sich in einem guten Zustand, der Junge ist gesund und er hat eine gute Frau gefunden. Hinzu kommt, dass wir noch bei guter Gesundheit sind, woran auch deine Kräuter und Tees nicht ganz unbeteiligt sind“, meinte er mit Schalk in den Augen und Adelheid stimmte ihm wortlos lächelnd zu, aber nicht ohne dabei auch ein Glänzen in die Augen zu bekommen.

      Ein Jahr später verließ Hibbel den Hof. Adelheid hatte ihr alles beigebracht, was sie wissen musste und war sehr stolz auf sie. Sie hatte Hibbel ins Herz geschlossen und sie ließ sie ungerne ziehen, aber drei Bademütter auf einem Hof waren einfach zu viel des Guten.

      1613

      Als in den Dörfern des Kirchspiels Sottrum und darüber hinaus wieder einmal die Blattern wüteten, wodurch zwei Dutzend Kinder und viele Erwachsene innerhalb kürzester Zeit dahingerafft wurden und unter den Opfern sogar der Pastor Johann Baptista Schmied war, kannten die Angstmacher und Gerüchtestreuer keine Anstandsgrenzen mehr.

      Cordt Döhrnemanns Nichte verlor innerhalb weniger Tage drei ihrer Kinder.

      Das war die Gelegenheit, auf die er seit Jahren sehnsüchtig gewartet hatte. Er fachte erneut das schwelende Feuer der Verleumdungen und üblen Gerüchte gegen Adelheid Hoops in Höperhöfen an.

      Viele glaubten, dass es nur die mit dem Teufel im Bunde stehenden Wesen und Hexen gewesen sein konnten, die dafür verantwortlich waren. Dass er damit Adelheid meinte, wusste jeder, ohne dass der Name ausgesprochen werden musste.

      Eine Anklage wurde trotz seiner Anzeige nicht erhoben, verlor sie doch selbst zwei Kinder durch die Seuche.

      1614

      Gesche wurde nach Hibbels Weggang von ihrer Schwiegermutter als Hebamme sowie in der Kräuter- und Heilkunde ausgebildet. Sie musste mehrfach erfahren, welche harten Prüfungen das Leben dabei für sie bereit-hielt.

      Schmerzen konnte Adelheid mit selbst gebrauten Kräutertees lindern. Auf ihren gemeinsamen Wegen zu den besonderen Stellen, an denen die Pflanzen in den Wäldern, auf den Wiesen und in den Mooren wuchsen, kamen sich die beiden Frauen auch menschlich immer näher.

      Adelheid hatte einst selbst gelernt, die richtigen Pflanzen am rechten Platz und zu bestimmten Zeiten zu finden. Für die Ernte und die richtige Verarbeitung war ein sehr umfassendes Wissen notwendig, aber auch die Gabe, das richtige Mittel zielgerichtet zur Anwendung zu bringen.

      Einen Medikus konnte sich kaum jemand leisten und deswegen suchten viele die Kräuterfrauen auf, wobei die Meisten die Hausrezepte „für alle Fälle“ selbst kannten, die von den Müttern an die Töchter weitergegeben wurden.

      Häufig nahm man die Salben und den gebrauten Sud auch, um die wertvollen Haus- und Hoftiere zu behandeln. Für manchen Zeitgenossen war diese Kunst des Heilens aber Hexenkunst und Teufelswerk.

      Gesche lernte sehr schnell, denn Adelheid war eine sehr erfahrene Kräuterfrau und liebte ihre Schwiegertochter. Sie zeigte ihr jedes Kraut und jedes Blatt, beschrieb es genau und erklärte dessen Wirkung sehr eingehend und geduldig. Dabei vergaß sie nicht, die Gefahren einer falschen Dosierung oder Anwendung anzusprechen.

      Sie hatten keine Bücher und auch keine Möglichkeit, sich Aufzeichnungen zu machen, auch wenn sie ein wenig Lesen und Schreiben gelernt hatten.

      Das gesamte Wissen wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Dass die Mönche und Nonnen in den katholischen Klöstern, die noch vor wenigen Jahrzehnten hier existierten, dieses seit alters her zu nutzen wussten und vor allem durften, war bekannt.

      Adelheid sagte immer wieder: „Sei mit dieser Gabe vorsichtig! Gehe mit dem Wissen behutsam um und wende die Mittel nur offen an, wenn es sich nicht vermeiden lässt, denn Kräuterfrauen und Hebammen leben, wie du weißt, gefährlich. Denk an die Mutter von Abelke.“

      1615

      Im folgenden Jahr suchte erneut eine Seuche ihre Opfer in den Dörfern und Gehöften des Amtes Rotenburg. Die alte Adelheid Hoops aus Höperhöfen starb nach zehntägiger Bettlägrigkeit am Nervenfieber, auch Typhus genannt.

      Harm saß tagelang an ihrem Bett und stand ihr in den letzten Stunden bei, so gut er es vermochte.

      Gesche sagte einmal zu ihm: „Sie ist ja viel in den Dörfern herumgekommen und muss sich dabei angesteckt haben.“

      „60 Jahre ist kein Alter zum Sterben“, entgegnete Harm. „Wir wollten auf unsere alten Tage doch noch so manches erleben und deine Kinder, unsere Enkelkinder, gemeinsam aufwachsen sehen“, fügte er mit einem verzweifelten Unterton in seiner sonst festen und warmen Stimme noch an.

      Die Trauerfeier wurde knapp gehalten, denn das Amt hatte erneut angeordnet, die Seuchenopfer noch am Tag ihres Todes in die Erde zu bringen.

      Als Cordt Döhrnemann in Bötersen davon erfuhr, dass seine Erzfeindin dahingerafft war, konnte er sich nicht mehr zurückhalten und stieß einen lauten, markerschütternden Schrei aus, dass die Nachbarn meinten, er hätte sich beim Holzhacken, den Daumen abgeschlagen.

      Zu Maria gewandt, die ihren Onkel erschrocken ansah, sagte er mit einem teuflischen Grinsen und leuchtenden Augen: „Ich mache kein Hehl daraus, dass ich mich freue, dass die alte Hexe endlich tot ist, auch wenn sie angeblich nur an Typhus gestorben sein soll.“

      Maria verstand den Gefühlsausbruch ihres Oheims, glaubte sie doch auch an die Schuld von Adelheid am Tod ihrer Eltern.

      „Sie ist gestern auf dem Friedhof zusammen mit den drei Toten aus unserem Dorf und anderen eingekuhlt worden.“

      „Es

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