Mord oder Absicht?. Lothar Schöne

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Mord oder Absicht? - Lothar Schöne

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ein – er verneint nicht durch Worte, sondern durch Lachen.

      Reinhardt hatte ausgelacht und wurde nun doch verbal: „Sie sehen doch, dass ich im Diesseits weile.“ Seine Gesichtszüge verzogen sich ins Ernste: „Wer hat Ihnen denn gesagt, dass ich nicht mehr in dieser Welt hause?“

      Auch jetzt hörte Vlassi genau auf seine Worte. Dieser Mann sprach von Diesseits, er sagte nicht, dass er tot sei. War ihm das Wort tot fremd oder verwegen oder unheimlich? Mied er es aus einem bestimmten Grund?

      Vlassi antwortete ausweichend: „Ach, ich kenne seinen Namen nicht. Er ist wohl auch ein Kandidat.“

      Reinhardt schaute ihn misstrauisch an, die Antwort des Besuchers befriedigte ihn offenbar nicht.

      „Wie ist eigentlich Ihr Name?“, fragte Reinhardt, „Sie haben ihn mir noch gar nicht gesagt, aber Sie kommen mir bekannt vor.“

      Vlassi fiel in der Eile nichts anderes ein als der Name dessen, mit dem er schon einige knifflige Fälle gelöst hatte, der Kollege würde sicher nichts dagegen haben.

      „Ich heiße Ernst Lustig“, sagte er und zog eine bescheidene Miene.

      „Ernst Lustig“, wiederholte Reinhardt und grinste, „ein sprechender Name, Sie sind bei eventuellem Ernst auch lustig, ja?“

      „So könnte man sagen“, bestätigte Vlassi und fügte hinzu: „Meine Eltern wollten es so, die Kombination schien ihnen richtig.“

      Reinhardts Blick fiel auf seine Armbanduhr, dann teilte er dem lustigen Ernst mit: „Ich hoffe, ich habe Ihre Neugier befriedigt, ich habe jetzt leider einen telefonischen Termin.“

      „Ja, natürlich“, erwiderte Vlassi, „ich konnte mich ja davon überzeugen, dass Sie leben.“

      Er machte auf dem Absatz kehrt, drehte sich aber gleich wieder herum, weil ihm noch etwas einfiel: „Kann ich mich denn als neuer Kandidat ansehen?“

      Frederick Reinhardt war schon einen Schritt ins Innere des Hauses gegangen und wollte gerade die Tür schließen. Er hielt inne und antwortete: „Ja, natürlich, alles Weitere telefonisch.“

      9 Meinen Sie, der Born ist ein Mörder?

      Als Vlassi über die Schiersteiner Brücke zurück nach Wiesbaden fuhr, fühlte er sich nicht ganz wohl, und der Pegel seiner Zufriedenheit ankerte in unteren Regionen. Dabei war sein Besuch bei Reinhardt doch eigentlich erfolgreich – wenn man es denn als Erfolg verzeichnen kann herauszufinden, dass ein Toter sich eines meckernd-lachenden Lebens erfreuen kann.

      Volker Borns Anruf bei Reinhardt war gar nicht verkehrt, und mein Besuch bei ihm ein nahezu genialer Einfall, überlegte Vlassi. Der Mann lebte. Er lebte und – lachte, was durchaus als Steigerung von Leben zu verstehen ist. Weshalb bin ich nicht so richtig zufrieden mit meiner Aktion? Komme ich nicht los von dem Gedanken, dass ich vielleicht doch mit einem Schauspieler gesprochen habe? Und in Wirklichkeit der echte Reinhardt schon längst im Jenseits siedelt. Und warum habe ich das Gefühl, mich an etwas Bestimmtes nicht zu erinnern? Was war das? Hat der mir was andrehen wollen, und ich hab’s in die Vergessens-Schublade gelegt?

      Im nächsten Moment fiel Vlassi ein: Weshalb sollte es eigentlich ein Double geben? Natürlich – weil der echte Reinhardt nicht mehr lebt, weil man ihn ermordet hat. Aber warum? Wenn es so sein sollte, war ich es doch am Ende? Nicht ich bin tot, das habe ich mir nur eingebildet, nicht ich bin ins Jenseits befördert worden, sondern ich habe umgebracht. Diesen Reinhardt? Nein, nein, er lebt ja, wenn er es denn wirklich war … ach, ich komme mit meinen scharfsinnigen Überlegungen nicht weiter, ich drehe mich im Kreis. Da sieht man mal wieder, wie schwach das menschliche Gehirn ist, wie es mich, seinen standhaften Vlassi, im Stich lässt. Das Hirn wird ja völlig überschätzt. Gerade dann, wenn ich es dringend brauche, dreht es eine Pirouette nach der andern. Und was meinte dieser Reinhardt eigentlich, als er mich als neuen Kandidaten bezeichnete? Kandidat wofür? Für einen Mord? Soll ich Täter werden? Oder Opfer?

      Vlassi war längst in Wiesbaden angekommen und hätte beinahe eine rote Ampel überfahren, als er sich sagte: Ich muss zu meiner Chefin, sie wird Licht in diese verquere Angelegenheit bringen, sie ist eine Frau, und Frauen wie Frau Wunder sind mitunter klüger als ein gepeinigter Vlassopolous, das muss ich mir leider eingestehen.

      Wenig später eilte er in den ersten Stock des Polizeipräsidiums, um zum Dienstzimmer zu gelangen. Unterwegs begegnete ihm Kriminalrat Feuer, der ihm zurief: „Na, schönen Spaziergang gemacht, Lücken aufgefüllt?“

      Vlassi nickte kurz angebunden, er wollte sich nicht auf ein längeres und unfruchtbares Gespräch mit Feuer einlassen, der es allerdings nicht unterlassen konnte, ihm nachzurufen: „Habe ich doch gesagt, ein Gang im Kurpark wirkt Wunder. Sogar Tote werden da wieder lebendig.“

      Na ja, dachte Vlassi, so übel ist der Feuer eigentlich nicht, ich bin ja wieder einigermaßen lebendig. Mit seinen Ratschlägen übertrifft Feuer jedenfalls den Dr. Niebergall bei Weitem. Als er die Tür zum Dienstzimmer öffnete, schaute Julia Wunder sofort von ihrem Schreibtisch auf.

      „Da sind Sie ja endlich!“, rief sie aus.

      „Haben Sie mich vermisst?“

      „Vermisst – ich habe mir Gedanken gemacht. Der Niebergall hat Ihnen ja nicht helfen können.“

      „Woher wissen Sie …?“, fragte Vlassi.

      „Ich weiß einiges, aber das tut jetzt nichts zur Sache.“

      Kommissar Spyridakis setzte sich ihr gegenüber an seinen Schreibtisch: „Ja, also dieser Doktor Niebergall hat mir den Teufel empfohlen. Bei dem habe ich aber nicht angeklopft, wer weiß, in welchem Kochtopf ich da gelandet wäre.“

      Julia schmunzelte: „Und er hält Sie für einen Hallodri, Ihr Gedächtnisschwund sei eine Vorgaukelei.“

      Vlassi verzog das Gesicht: „Vorgaukelei, was ist denn das für ein Wort?“

      „Ein schönes altes Wort, das viel zu selten benutzt wird“, erklärte Julia, „ständig wird uns doch was vorgegaukelt.“

      „Richtig“, stimmte Vlassi zu, „ich hab’s ja am eigenen Leib erfahren.“

      Julia legte ihren Stift zur Seite: „Zur Sache! Einen Gedächtnisschwund, wie Sie ihn vorgeben, gibt es nicht. So habe ich es vom Psychotherapeuten Niebergall erfahren.“

      „Obwohl Ihr Vater ihn empfohlen hat“, erwiderte Vlassi, „kann ich für diesen Doktor Niebergall keine Reklame machen. Und das nicht nur, weil er mich hinausgeworfen und den Teufel empfohlen hat.“

      Julia verstand ihren Vlassi nur zu gut. Auch sie war von dem Psychiater ja nicht besonders angetan gewesen beim Gespräch im Eltviller Café.

      „Eine Koryphäe ist er sicher nicht“, bemerkte sie, „aber immerhin hat er erkannt, dass Sie gefährdet sind und es nicht einmal merken würden.“

      Vlassi schaute Julia an und murmelte: „Gefährdet? Vielleicht hat er da gar nicht so unrecht.“

      Er dachte dabei lediglich an seinen wirren Gedankenstrom auf der Herfahrt im Auto.

      „Sie finden selbst, dass Sie gefährdet sind?“, fragte Julia verwundert.

      Vlassi zog sich an den Schreibtisch heran und

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