Mord oder Absicht?. Lothar Schöne

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Mord oder Absicht? - Lothar Schöne

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style="font-size:15px;">      „Das Spazierengehen muss auch mal ein Ende haben“, murrte Feuer, „jetzt sitze ich schon auf seinem Platz, bin ich etwa sein Stellvertreter?“

      Julia erwiderte: „Niemals könnten Sie sein Stellvertreter sein.“ Sich räuspernd, fuhr sie fort: „Ich meine es natürlich umgekehrt. Übrigens ist Kommissar Spyridakis auf einer Recherche. Ich habe ihn zu einem Mann ent­sandt …“

      Sie kam nicht weiter, Robert Feuer beugte sich vor: „Etwas Kriminelles, von dem ich nichts weiß?“

      Julia nahm den zugespielten Ball sofort auf: „Ja, das könnte möglich sein. Ich wollte Sie nicht damit belästigen, wir sind noch in den Vorarbeiten, in den allerersten. Wie gesagt, Recherche.“

      „Wie heißt denn der Mann, zu dem Sie Spyridakis geschickt haben?“

      „Niebergall“, antwortete Julia.

      „Niebergall … Niebergall … der Name kommt mir irgendwie bekannt vor … woher kenne ich den?“, murmelte Feuer.

      „Es gibt sicher eine Menge Niebergalls …“

      Wieder fiel ihr Robert Feuer ins Wort: „Ist es ein Name aus Verbrecherkreisen? Er klingt ganz danach.“ Feuer hielt inne und murmelte: „Aber woher kenne ich ihn?“

      Julia wollte ihm auf keinen Fall helfen: „Es wird Ihnen sicher noch einfallen.“

      Der Kriminalrat erhob sich: „Nun gut. Halten Sie mich auf dem Laufenden was diesen Niebergall anlangt. Und ich will auch wissen, was Spyridakis bei ihm ermittelt hat.“

      „Aber natürlich, Herr Feuer, ich erstatte Bericht, wenn ich mehr weiß.“

      Robert Feuer ging zur Tür, während er den Namen Niebergall vor sich hinmurmelte. Kaum war er draußen, griff Julia zum Telefon. Sie wollte Vlassopolous Spyridakis anrufen, nicht allein Wissbegier trieb sie, es war auch pure Neugier – sie wollte unbedingt erfahren, ob Dr. Niebergall ihren Vlassi in Sachen Gedächtnisverlust geheilt hatte.

      *

      Vlassi fuhr inzwischen in den Wiesbadener Vorort Schierstein ein. Als er am Drogeriemarkt Rossmann vorbeikam, überlegte er, ob er nicht den Parkplatz im Hof aufsuchen sollte. Er könnte in der Drogerie nach einem Gesundheits­tee fahnden. Nein, kein Moringa sollte es sein, sondern ein Tee, der seinem malträtierten Gedächtnis aufhalf.

      Gedacht, getan. Kaum befand er sich im Laden, steuerte er die Tee-Abteilung an. Und war überrascht. Was gab es hier nicht alles, was einen maladen Körper und Geist wieder in Form bringen konnte. Er sollte auf jeden Fall den Nerven- und Schlaftee nehmen, auch den Leber- und Galle-Tee nicht verschmähen – vermutlich war seine Leber auch angeschlagen, eventuell sogar die Ursache für seinen Zustand. Und einen Verdauungstee konnte man immer gebrauchen, wahrscheinlich verdaute er schlecht und litt deshalb unter Gedächtnisschwund. Zur Unterstützung würde er gleich auch den Magen-und-Darm-Tee einpacken.

      Und was sah er da? Kopf-Entspannungstee! Der war ja für ihn ausgesprochen wichtig. Sein Kopf, sein Geist musste sich enorm entspannen, dann konnte die Erinnerung wieder einströmen. Vielleicht würde auch der Brennnesseltee ihm weiterhelfen. Wofür war der eigentlich gut? Zur Durchspülung der Harnwege, stand auf der Packung. Meine Harnwege, ging es Vlassi durch den Kopf, sollten auf jeden Fall durchspült werden. Wer weiß, was da alles abtransportiert wird.

      Eine junge Verkäuferin näherte sich ihm: „Suchen Sie etwas Bestimmtes?“

      Vlassi drehte sich zu ihr: „Ja … also, haben Sie etwas … fürs Gedächtnis?“

      Die Frau nickte: „Nehmen Sie doch einen Ingwertee. Den trinke ich sehr gern.“

      „Ah“, sagte Vlassi, „daran habe ich noch gar nicht gedacht, etwas Spezielles wohl?“

      Die Verkäuferin nickte und lächelte.

      Vermutlich ein guter Tipp, dachte Vlassi, offenbar hat die Dame auch Gedächtnisschwierigkeiten. Er bedankte sich und griff zu einer Packung Ingwertee. Die junge Frau erkannte, dass Vlassi einen Einkaufskorb brauchte. Sie warf ihm einen liebevollen Blick zu und brachte ihm einen solchen Korb.

      Ach, überlegte Vlassi, als er zur Kasse strebte, hier werde ich öfter herkommen, hier wird mein Leiden intuitiv erkannt, noch dazu von einer Frau in meinem Alter, hier hilft man mir auf die Beine. Beim Bezahlen merkte er, dass er eine Tasche für seine vielen Tees brauchte, aber das war für die Dame an der Kasse ein leicht zu lösendes Problem. Sie reichte ihm einen Papierbeutel: „Da gehen all Ihre Tees hinein.“

      Draußen auf der Straße wollte Vlassi zu seinem Auto im Hof der Drogerie eilen, als eine Gestalt auf der gegenüberliegenden Straßenseite ihm zurief: „Wen sehe ich denn da! Das ist doch Kommissar Spyridakis.“

      Vlassi hatte den Burschen nicht gesehen und fragte sich sofort, ob sich sein Gedächtnisschwund jetzt schon auf seine Sehkraft legte. Hätte er vielleicht noch einen Augen-Tee mitnehmen sollen? Er warf einen suchenden Blick nach drüben, und jetzt erkannte er, wer ihn da angerufen hatte. Es war Volker Born, der mit einem anderen Mann dastand.

      „Bleiben Sie, wo Sie sind!“, rief Born, „mit Ihrem Riesenbeutel müssen Sie nicht über die Straße kommen.“

      Er wartete ab, bis alle Autos vorüber waren, dann schlenderte er hinüber zu Vlassi. Der Bekannte von ihm kam mit.

      „Freut mich, Sie zu sehen“, begrüßte Volker Born den Kommissar, „Sie wollten wahrscheinlich in die Buchhandlung zu Andreas Dieterle. Aber ich fange Sie vorher ab.“

      Vlassi warf einen neugierigen Blick auf seinen Begleiter.

      „Das ist ein guter Bekannter von mir, darf ich vorstellen, Karl-Friedrich Oberembt.“

      Er wandte sich zu dem Genannten: „Herr Oberembt, Sie machen die Bekanntschaft von Vlassopolous Spyridakis, einer Spürnase von hohen Graden.“

      Karl-Friedrich Oberembt war ein schlanker, mittelgroßer Mann mit klaren, gutgeschnittenen Gesichtszügen. Er musste Ende vierzig oder Anfang fünfzig sein, sein volles dunkelbraunes Haar ergraute bereits an den Seiten, dennoch wirkte er recht jugendlich. Sympathischer Typ, dachte Vlassi.

      Zu Born sagte er grinsend: „Wenn ich eine Spürnase bin, sind Sie ein Anfänger.“

      Ihm war es gar nicht unrecht, den Theologen Born zu treffen. Wie oft hatte der ihm schon bei kniffligen Problemen geholfen. Und zwar ohne es zu merken, was das Beste war. Beim letzten Fall hatte er den Tod als Verjüngungskur gedeutet – vielleicht etwas ungewöhnlich, aber doch sehr hilfreich bei den Ermittlungen. Und wer hatte den Mörder schließlich aufgetan? Niemand anderer als er, Vlassopolous Spyridakis.

      „Jetzt, wo ich Sie abgefangen habe“, teilte Born mit, „könnten wir eigentlich mal wieder einen Kaffee trinken gehen.“

      „Ich bin dabei“, stimmte Vlassi zu und dachte: Eigentlich bin ich ja auf dem Tee-Trip, auf dem Gesundheits­tee-Trip, aber man muss auch mal fünfe gerade sein lassen.

      „Vielleicht kommen Sie mit, Herr Oberembt?“, fragte Born.

      „Würde ich gerne, aber ich hab’ noch so viel zu tun. Ein andermal gern.“

      Oberembt nickte Vlassi zu, der nickte zurück, und der sympathische Bekannte von Born ging in Richtung Buchhandlung

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