Kirchlicher Dienst in säkularer Gesellschaft. Группа авторов
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Die zweite Konsequenz einer von AVR abweichenden Regelung ergibt sich unmittelbar aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. November 2012: Wer dem privilegierten Arbeitsrechtsregelungsverfahren des auf die Dienstgemeinschaft zugeschnittenen Dritten Weges und dessen Ergebnissen, die nach dem Willen der Kirche für jedes einzelne bei ihr angesiedelte Arbeitsverhältnis verbindlich sind, bewusst, wenn auch vielleicht nur punktuell ausweicht, verletzt die in § 2 AVR allgemein festgelegte und vom Bundesarbeitsgericht für diese Privilegierung verlangte Verbindlichkeit des Dritten Weges. Er verliert den aus dem kirchlichen Selbstverwaltungsrecht fließenden Anspruch auf staatlichen Schutz vor Arbeitskampfmaßnahmen zur Durchsetzung von Tarifverträgen.22 Und: Auch ein kirchlicher Träger, der im kirchlichen Regelungsbereich regelt, ohne hierzu durch eine kirchliche Regelungsordnung legitimiert zu sein, kann damit auch eine gesetzliche Öffnungsklausel nicht verwerten, die Regelungen der Kirche vorbehalten ist, wie z. B. § 7 Abs. 4 ArbZG.23 Ob dies für jede lückenhafte Übernahme der AVR gilt oder nur für solche, die in dem betreffenden geöffneten Regelungsbereich vom kirchlichen Regelwerk abweichen, ist offen, aus meiner Sicht aber im erstgenannten Sinne zu beantworten.
2. Die kirchlichen Vermittlungsverfahren
Für die Beantwortung der Frage, ob die auf katholischer Seite getroffenen Verfahrensregelungen zur Einleitung und Durchführung des Vermittlungsverfahrens den Vorgaben der Rechtsprechung vom 20. November 2012 genügen, werden beispielhaft die bundesweit geltenden Ordnungen herangezogen.
a) Zentral-KODA Ordnung
Zunächst zu den Regelungen der von der Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands am 18. November 2013 beschlossenen und am 1. Januar 2014 in Kraft getretenen Zentral-KODA Ordnung:
Hat ein Antrag der Dienstgeber- oder Dienstnehmerseite, mit dem eine arbeitsrechtliche Neuregelung für die Beschäftigten der verfassten Kirche angestrebt wird, nicht die erforderliche Mehrheit von drei Vierteln der Mitglieder der paritätisch besetzten Zentralen Kommission gefunden, kann ein Vermittlungsausschuss angerufen werden. Dies setzt voraus, dass dem Regelungsantrag mindestens die Hälfte der Mitglieder der Zentralen Kommission zugestimmt und sich auch die Hälfte der Mitglieder für die Anrufung Vermittlungsausschusses ausgesprochen hat (§ 17 Zentral-KODA Ordnung). Die strukturell unterlegene Dienstnehmerseite kann also, wenn sie sich einig ist, die Durchführung des Vermittlungsverfahrens erzwingen Dass hierfür nicht auch die Mehrheit oder zumindest eine qualifizierte Mehrheit der Mitglieder der Dienstnehmerseite ausreichen, kann man vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, auch im Vergleich zu den Regelungen, die für gewerkschaftliche Tarifkommissionen gelten, problematisieren. Durchgreifende Bedenken dürften hier aber nicht bestehen.
Schwieriger wird es bei der Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses und der Wahl der hier vorgesehenen zwei Vorsitzenden. Es ist schon merkwürdig, dass dem Vermittlungsausschuss je eine/ein Vorsitzende(r) „jeder Seite“ vorsitzt.24 Dass so die Voraussetzung eines oder einer neutralen und unabhängigen Vorsitzenden erfüllt wird, ist zweifelhaft. Man kann dies aber isoliert vielleicht noch als Petitesse ansehen. Entscheidend muss sein, ob die Regelungen im Übrigen Unabhängigkeit und Neutralität gewährleisten. Die Installation von zwei Vorsitzenden, die sich auch in einigen tarifvertraglichen Schlichtungsregelungen findet,25 muss dem Vorsitz durch einen unabhängigen Dritten aufgrund entsprechender Verfahrensvorschriften letztlich gleichwertig sein. Dies ist dann der Fall, wenn danach Unwägbarkeiten bestehen, die einen vergleichbaren Einigungsdruck auslösen wie bei der Vermittlung durch einen unabhängigen Vorsitzenden.26
Daran fehlt es. Zwar kann für die Regelung der Arbeitsverhältnisse in kirchlichen Einrichtungen eine gewisse Kirchennähe verlangt werden, die auch in einer qualifizierten Kirchenmitgliedschaft zum Ausdruck kommen kann; für Unabhängigkeit und Neutralität spricht zumindest, dass die Vorsitzenden nicht dem kirchlichen Dienst angehören dürfen (§ 15 Zentral-KODA Ordnung). Auch die Wahl der Vorsitzenden geht zunächst in diese Richtung. Sie sind vom Plenum der Zentralen Kommission mit nach Wahlgängen gestuften Mehrheitsanforderungen zu wählen. In einem etwa erforderlichen vierten Wahlgang ist dann aber eine getrennte Wahl der beiden Vorsitzenden durch die Dienstgeberseite und die Dienstnehmerseite vorgeschrieben (§ 16 Zentral-KODA Ordnung). Auch darüber könnte man noch hinwegsehen, wäre die Entscheidungsfindung im Vermittlungsausschuss so geregelt, dass für alle Beteiligten die Nichterreichung eines Kompromisses ein kaum wägbares Risiko darstellte, sodass letztlich mit aller Macht auf eine gemeinsame Lösung hingearbeitet würde.27
Leider begründet die Zentral-KODA Ordnung einen in die entgegengesetzte Richtung deutenden, relativ einfachen Ausweg in ein Verfahrensende ohne Neuregelung: Die beiden Vorsitzenden haben zwar dem paritätisch besetzten Vermittlungsausschuss einen gemeinsamen Vermittlungsvorschlag zur Abstimmung zu unterbreiten; ein Vermittlungsvorschlag von anderen Mitgliedern des Vermittlungsausschusses ist nicht vorgesehen. Bei der Abstimmung über ihren Vermittlungsvorschlag, die bereits mit einfacher Mehrheit zu einem Ergebnis führt, haben die Vorsitzenden auch nur eine Stimme. Können sich die beiden Vorsitzenden aber bereits nicht auf einen gemeinsamen Vermittlungsvorschlag einigen, ist das Vermittlungsverfahren aufgrund der ausdrücklichen Regelung in § 18 Abs. 2 S. 5 Zentral-KODA Ordnung schon an dieser Stelle insgesamt und abschließend beendet. Es kann von vornherein nicht mehr zu einem Verfahren zur ersetzenden Entscheidung kommen, der zweiten Stufe des Vermittlungsverfahrens (§ 19 Zentral-KODA Ordnung) und damit auch nicht zu einer Neuregelung.
Es wird so kein Druck dahin ausgelöst, dass sich die Vorsitzenden irgendwie zu einem gemeinsamen Vorschlag durchringen. Er bestünde, wenn nach der Feststellung, dass man nicht zu einem gemeinsamen Vorschlag findet, das Vorschlags- und später auch das gemeinsame Stimmrecht nur einem der Vorsitzenden zugewiesen würde. Für die Entscheidung, welcher der Vorsitzenden diese Rechte haben soll, bietet sich neben dem Losverfahren auch eine Regelung an, wonach dieses Recht von Vermittlungsverfahren zu Vermittlungsverfahren von(m) einer(n) auf die(en) andere(n) Vorsitzende(n) wechselt.28 Die hierin liegenden Unwägbarkeiten, aber auch die Gefahr, dass es nicht zu einer kontinuierlichen Entwicklung der im Vermittlungsausschuss gefundenen Regelungen kommt, würde unter vernunftgesteuerten Mitgliedern des Vermittlungsausschusses den Willen zum Kompromiss deutlich fördern.
Man kann sich bei dieser Regelung vielleicht noch damit beruhigen, dass Vorsitzende, denen zumindest der Anschein wichtig ist, ihrer Aufgabe gerecht werden zu wollen, es kaum je zu einem Scheitern nach § 18 Abs. 2 S. 5 Zentral-KODA Ordnung kommen lassen werden. Ihre Kompromissbereitschaft wird hier außerordentlich weit gehen, weil es ja nur um einen Vermittlungsvorschlag geht. Die Letztentscheidung über eine künftige Regelung liegt auf der ersten Vermittlungsstufe wieder bei der Zentralkommission. Endgültig problematisch wird es aber dadurch, dass es für das sich bei Scheitern der Vermittlung auf der ersten Stufe nach § 19 Zentral-KODA Ordnung anschließende Verfahren zur ersetzenden Entscheidung keine der beschriebenen Möglichkeiten gibt, eine einheitliche Abstimmung seitens der Vorsitzenden zu erzwingen. Es fehlt hierzu eine eigenständige Regelung für den unverändert bleibenden Vermittlungsausschuss. Deshalb wird § 18 Abs. 2 S. 5 Zentral-KODA Ordnung entsprechend anzuwenden sein. Damit fehlt auch für das ersetzende Verfahren hinreichender Druck auf die Vorsitzenden, sich auf eine gemeinsame Abstimmung über eine Neuregelung zu verständigen.
Eine vergleichbare Situation ist natürlich grundsätzlich auch dann möglich, wenn einem Vermittlungsausschuss nur eine unabhängige Person vorsitzt und diese sich nicht zu einem Vorschlag imstande sieht. Dies ist aber zum einen sehr unwahrscheinlich, zum anderen in die Verantwortung eines jedenfalls formal unabhängigen Dritten gelegt. Die