Das Arbeitsrecht ökumenischer Einrichtungen, Unternehmen und Konzerne. Regina Mathy

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Das Arbeitsrecht ökumenischer Einrichtungen, Unternehmen und Konzerne - Regina Mathy Schriftenreihe zum kirchlichen Arbeitsrecht

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Das gilt insbesondere, da die Rechtsformwahl gerade Teil des Selbstbestimmungsrechts ist. Andernfalls würde der Staat die Kirchen mittelbar dazu zwingen, eine Zusammenarbeit lediglich in Form eines gemeinsamen Betriebs zu organisieren. Konsequenz wäre: In einem gemeinsamen Betrieb würde kirchliches Arbeitsrecht ohne jede Einschränkung gelten, wohingegen ein gemeinsamer Rechtsträger weltliches Arbeitsrecht – allenfalls mit Tendenzschutz – anwenden müsste. Können sich die am ökumenischen Rechtsträger beteiligten Kirchen jeweils auf das Selbstbestimmungsrecht berufen und ist die Einrichtung ihnen zuzuordnen, muss konsequenterweise auch die ökumenische Einrichtung vom Anwendungsbereich des BetrVG ausgenommen sein.

      Nach in der Literatur vertretener Auffassung gelten als „kirchliche“ Stiftungen nur solche, die einen kirchlichen, d.h. konfessionellen, nicht ökumenischen Zweck verfolgen.553 Dies könnte als Indiz dafür herangezogen werden, dass ökumenische Einrichtungen nicht am Selbstbestimmungsrecht teilhaben können. Auch wenn die Literatur eine Begründung hierzu schuldig bleibt, steckt möglicherweise der Gedanke dahinter, dass im Falle einer ökumenischen Zwecksetzung die für eine kirchliche Stiftung erforderliche Aufsicht durch die zuständigen kirchlichen Autoritäten unter Umständen nicht gewährleistet ist. Für ökumenische Einrichtungen generell die Rechtsform der Stiftung auszuschließen, wäre zu weitgehend. Dies wird dem verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrecht nicht gerecht – schließlich ist die Freiheit der Rechtsformwahl essentieller Teil desselben. Vielmehr ist für eine entsprechende kirchliche Aufsicht Sorge zu tragen. Aus dieser – zumal vereinzelten – Ansicht zu schließen, eine ökumenische Einrichtung könne generell nicht teilhaben am Selbstbestimmungsrecht, wäre unzutreffend.

      Die Literatur spricht sich vorherrschend für eine weite Auslegung des verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts aus. Auch ein ökumenischer Rechtsträger kann sich hierauf berufen. Verselbstständigte Rechtsträger müssen einer bzw. mehreren Kirchen zugeordnet werden.

      Nach der bisher nur punktuell in Bezug auf den Begriff der „Religionsgesellschaft“ in Art 137 Abs. 3 WRV erfolgten Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung aus der sich eine Tendenz zur Einbeziehung ökumenischer Einrichtungen in das Selbstbestimmungsrecht ableiten ließ, ist nunmehr eine vertiefte Prüfung erforderlich. Dies betrifft die Rechtsprechung sowohl der obersten als auch der Fachgerichte.

      Nach Ansicht des BVerfG kommt dem Schutz der Religionsfreiheit und dem Selbstbestimmungsrecht eine große Bedeutung zu. Hierbei sind mehrere Aspekte von Relevanz:

      Nach der Rechtsprechung des BVerfG können sich auch Vereinigungen, die sich „(…) nicht die allseitige, sondern nur die partielle Pflege des religiösen oder weltanschaulichen Lebens ihrer Mitglieder zum Ziel gesetzt haben“ auf die Religionsfreiheit berufen.554 Entscheidend sei, dass die Einrichtung die Pflege und Förderung eines religiösen Bekenntnisses oder die Verkündigung des Glaubens ihrer Mitglieder bezweckt.555 Das gilt konsequenterweise auch für das Selbstbestimmungsrecht: In einer vergleichsweise jungen Entscheidung von 2014 schob das BVerfG556 der zwischenzeitlich restriktiven Auslegung des religionsverfassungsrechtlichen Selbstbestimmungsrechts insbesondere durch das BAG einen Riegel vor.557 Das BVerfG betonte jüngst erneut, dass es gerade Aufgabe der Kirchen sei zu bestimmen, was „(…) die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihre Verkündigung erfordert“, was „spezifisch kirchliche Aufgaben“ sind, welche Anforderungen für die „Nähe“ zu ihnen bestehen und schließlich, was die „wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre“ sind.558 Neben dem Bereich des Glaubens und des Gottesdienstes zählen hierzu auch der missionarisch-diakonische Auftrag nach dem Selbstverständnis der Kirchen.559 Eine enge ökumenische Zusammenarbeit spiegelt die Auffassung sowohl der katholischen Kirche als auch der evangelischen Kirchen wider. Die Verfolgung des gemeinsamen Auftrags beruht in beiden Konfessionen auf einem tiefen theologischen Fundament. Insofern handelt es sich um einen originären kirchlichen Zweck, der hiermit verfolgt wird.

      Man könnte die Vorgabe des BVerfG, wonach eine Einrichtung der Kirche zugeordnet wird, sofern sie berufen ist, „(…) ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen und zu erfüllen“560, so verstehen, dass es gerade einer Zuordnung zu einer (einzigen) Kirche bedarf. Ein solches Verständnis würde der Pflicht des Staates zu weltanschaulich-religiöser und konfessioneller Neutralität widersprechen und kann nicht vom BVerfG intendiert sein. Würde der Staat eine Zuordnung zu einer Kirche fordern, wären sowohl Zusammenschlüsse als auch bloße Kooperationen ausgeschlossen. Damit würde er vorgeben, dass es keine Veränderungen des status quo der Religionsgemeinschaften geben kann. Das ist nicht der Fall. Im Gegenteil argumentiert das BVerfG bei der Ausdeutung des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen und Zuordnung einer Einrichtung zur Kirche nicht konfessionell – vielmehr mit der „christlichen Religiosität“.561 Staatlichen Gerichten steht es nicht zu darüber zu befinden, welche Verhaltensweisen nach dem jeweiligen Selbstverständnis einer Religionsgemeinschaft ge- oder verboten sind. Diesen obliegt die Formulierung der Eigenart des kirchlichen Dienstes, also das kirchliche Proprium.562 Maßgeblich ist also das Selbstverständnis der Kirche.563 Entspricht es also dem Selbstverständnis der jeweiligen Kirche, eine ökumenische Einrichtung gemeinsam mit einer anderen Kirche zu betreiben, kann ihr das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht nicht versagt werden.

      Die Frage der Reichweite des Selbstbestimmungsrechts wird im arbeitsrechtlichen Kontext im Zusammenhang mit § 118 Abs. 2 BetrVG virulent. Bisher haben die Arbeitsgerichte sich nicht zur Anwendbarkeit des Selbstbestimmungsrechts auf ökumenische Einrichtungen positioniert. Möglicherweise können jedoch Rückschlüsse aus ihrer Rechtsprechung zur Frage der Zuordnung verselbstständigter Einrichtungen der Kirchen im Allgemeinen und weltlich-kirchlicher Einrichtungen im Speziellen gezogen werden.

      Neben dem BVerfG hat sich auch das BAG mit den Anforderungen an die Kirchlichkeit von Einrichtungen auseinandergesetzt. Dabei sind in der Vergangenheit mehrere Brüche in seiner Rechtsprechung erkennbar: In einer Entscheidung von 1975 rekurrierte das BAG für die Zugehörigkeit einer Einrichtung zu einer Religionsgemeinschaft auf deren „tatsächliche Verbundenheit“.564 Das Gericht forderte ein Tätigwerden der Einrichtung unter Verwaltung und Aufsicht kirchlicher Organe.565 Diese Anforderung sah das BVerfG allerdings als Beeinträchtigung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts an und hob die Entscheidung zwei Jahre später auf.566 Unter Berücksichtigung der verfassungsgerichtlichen Vorgaben kam es zu einer Rechtsprechungsänderung des BAG. Nunmehr stellte es nicht mehr auf die organisatorische oder institutionelle Verbindung zur Kirche ab; maßgeblich sei, dass es sich bei der Zwecksetzung der Einrichtung um eine Wesens- und Lebensäußerung der Kirche handele.567 Wie auch das BVerfG568 betonte das BAG in der Folgezeit, dass es für die Zuordnung einer Einrichtung zur Kirche nicht entscheidend auf deren Zugehörigkeit zur Kirchenverwaltung ankomme.569

      Eine erneute Rechtsprechungsänderung zeichnete sich im Jahr 1988 ab. Das BAG entschied abweichend von seiner bisherigen Rechtsprechung, dass es nicht genüge, wenn die Religionsgemeinschaft und

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