Am Himmelreich ist die Hölle los. Ilka Silbermann
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Gerda begab sich tatendurstig und furchtlos erneut vor dem Spiegel. Doch außer dem Spiegelbild der Wohnung war nichts Weiteres zu sehen.
„Nichts! Rolf, gar nichts. Aber ich habe mir das doch nicht eingebildet.“
***
Sabrina war gerade dabei, ihrer besten Freundin Janna eine Textnachricht zu tippen, als sich die Tür öffnete und Mark hindurchlugte.
„Stör ich?“
Orko sprang freudig wedelnd auf, rannte zu ihm und stupste die Tür mit der Schnauze vollends auf. Dann warf er sich ihm praktisch in die Arme.
Fast wäre Mark gestrauchelt. „Ho ho, nicht so stürmisch, Alter!“ Doch sein Gesicht strahlte. In der Tiefe seiner Seele hatte er sich schon immer so einen ergebenen Freund gewünscht.
Seine Eltern, obwohl sie ein Häuschen am Stadtrand besaßen, hielten nichts von Haustieren. Der einzige Versuch, ihm einen Hamster zu schenken, endete sehr rasch, als die Eltern bemerkten, dass er mit ihm nichts anfangen konnte. Wenn man sich einen Hund wünscht, ist ein Hamster ein ungeeigneter Ersatz. Doch sie sahen darin den Beweis des mangelnden Verantwortungsgefühls und setzten sich durch.
Seine Freizeitaktivitäten gestalteten sie ihm aber so interessant, dass er schon bald nicht mehr an einen Hund dachte.
Sabrina schaute verwirrt auf und fragte: „Entschuldige, was sagtest du?“
„Stör ich?“
„Nein, überhaupt nicht. Ich kann auch später meiner Freundin schreiben. – Was gibt es?“
„Freundin oder Freund?“, fragte Mark interessiert.
„Freundin! Wenn du es genau wissen willst, hatte ich keinen Freund mehr, seit …“ Sie schluckte, und ein Schatten huschte über ihr Gesicht. Doch dann fuhr sie forsch weiter: „… seit etwa vier Jahren.“
„Vier Jahre? Du lieber Himmel, dann musst du ja ausgehungert … äh, sorry. Hat dir denn nie ein Freund gefehlt?“
„Du meinst Sex? Dazu braucht man doch keinen festen Freund.“ Sabrina gab sich sehr cool. Sie hatte bereits zu viel gesagt. Er sollte nicht denken, dass sie keine Gelegenheit dazu gehabt hätte. – Na ja, hatte sie auch nicht, oder besser gesagt, diejenigen, die sich dazu anboten … Oh nein. Auf keinen Fall! Doch das würde sie ihm nicht auf die Nase binden.
„Also, was wolltest du eigentlich?“, lenkte sie ihn von seinem prüfenden Blick ab.
„Könnte ich wohl so um drei Uhr Mittagessen bekommen? Ich möchte gerne nach Bensersiel fahren, am Strand ein wenig spazieren gehen und Nordseeluft schnuppern.“
Sabrina warf einen Blick auf die alte Küchenuhr an der Wand und machte sich blitzartig Gedanken über das mögliche Menü. Wenn sie sich beeilte, könnte sie noch schnell etwas einkaufen fahren. „Was schwebt dir denn so vor?“
„Egal, ich lass mich von deiner Hausmannskost überraschen“, antwortete Mark erleichtert und fügte hinzu: „Prima, ich freu mich. Dann bis später.“ Er tätschelte Orko über den Kopf und verließ die Küche.
Sabrina löschte den bisher geschriebenen Text an Janna. Der Austausch musste warten. Sie schnappte sich ihre Jacke, das Portemonnaie und lief zum Schuppen. Zeitgleich hörte sie vor dem Haus den Motor starten und das Auto abfahren.
Sie öffnete die Tür und rief: „Mist, das Rad ist mit dem Russen unterwegs.“ Sie schaltete das Licht ein und ging weiter hinein. Dort standen noch zwei Räder, die schon lange nicht mehr von Feriengästen benutzt worden waren. Die meisten brachten ihre eigenen Fahrräder mit. Immer häufiger sogar E-Bikes. Von Spinnweben und Staub bedeckt blieb die Farbe des Rahmens zunächst ein Rätsel. Mit spitzen Fingern zog Sabrina das erste Rad ein wenig hervor.
„Platten! Das war ja zu erwarten! So ein verdammter Mist“, schimpfte sie laut und trampelte mit den Füßen auf der Stelle herum, während Orko in den Ecken herumschnüffelte.
„Riechst du was?“, wandte sie sich an ihren Begleiter. Jetzt fehlte nur noch, dass er eine Ratte aufschrecken würde. Sie schüttelte sich bei der Vorstellung.
„Komm schnell!“ Rasch schloss sie die Tür und ging zurück in die Küche.
Sie öffnete ihren Vorratsraum und starrte auf die praktisch leeren Regale. „Jetzt sitzen wir ganz schön in der Patsche, Orko.“ Sie würde es nicht rechtzeitig schaffen, den Einkauf zu Fuß zu erledigen und zu kochen. Die fette und schwere Kost, die sie für die beiden Russen eingekauft hatte, mochte sie Mark nicht zumuten.
Eine einsame Packung Spagetti bot sich ihr dar. Sie nahm sie an sich und überlegte, was sie dazu reichen könnte. Ihr Blick fiel auf die angebrochene Flasche Olivenöl. „Spagetti mit Bärlauchpesto, das ist es, Orko.“ Sie lachte befreit auf. „Dazu einen Salat aus frischen Gartenkräutern!“
Kurze Zeit später suchte sie im Garten nach geeigneten Gewächsen. In der einen Hand einen Durchschlag, der ihre Ernte aufnehmen sollte, und in der anderen ein Messer. Und so wanderten Bärlauch für das Pesto, Giersch, junge Brennnessel, Löwenzahnblätter und eine Handvoll Gänseblümchen in den Behälter, den sie dann auf dem Terrassentisch abstellte, damit sämtliche Käfer und andere Insekten den Weg in die Freiheit nahmen, bevor sie den Salat weiterverarbeitete.
Nun hatte sie also schon zwei Mahlzeiten für unterschiedliche Uhrzeiten vorzubereiten.
Sie schaltete das Küchenradio ein, pfiff lautstark die Oldies aus dem heimischen Sender mit und machte sich vergnügt ans Werk.
***
Pünktlich um Viertel vor drei hörte Sabrina die Haustür ins Schloss fallen. Gleich darauf ein entspannter Mark, der ganz selbstverständlich die Tür zur Küche öffnete.
„Bin wieder da. Gehe nur kurz nach oben, mir die Hände waschen.“ Er schnüffelte in die Luft. „Gibt es gleich was zu essen?“ Offenbar konnte er nichts dergleichen ausmachen.
„Ja. Kann sofort losgehen.“
„Oh! Prima“, aber er dachte, da bin ich ja mal gespannt. Was kann man kochen, das nach nichts riecht? Doch er grinste sie nur an und verschwand.
Dem Geräusch nach zu urteilen, nahm er die Treppe erneut, indem er eine Stufe übersprang. Auf dem Rückweg schien er sogar aus einer gewissen Höhe herabzuspringen. Das laute Aufstampfen verriet ihn.
„Welche Stufe?“, fragte darum Sabrina als Erstes, als er hereinkam, ohne sich vom Herd umzudrehen.
„Was meinst du?“
„Von welcher Stufe aus bist du gesprungen?“
Er lachte ertappt. „Von der dritten.“
„Nur zwei übersprungen? Feigling!“
Verblüfft schaute er sie an.
„Komm, setz dich. Es gibt Spagetti mit