Am Himmelreich ist die Hölle los. Ilka Silbermann
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„Nein, er hat auf Orkos Verhalten automatisch reagiert. Ich glaube nicht, dass er sein Handeln überhaupt selbst registriert hat.“
In diesem Moment zückte Mark sein Smartphone, schaltete es ein und entsperrte es.
„Kein Empfang!“ Er stand auf und ging zum Fenster. Prüfend hielt er es hoch. „Orko, habt ihr WLAN?“ Er schaute auf den Hund herab und lächelte. „Na, komm! Das wollen wir mal von deinem entzückenden Frauchen erfahren.“ Er öffnete die Tür und machte eine einladende Handbewegung.
„Darf ich bitten, Orko? – Du zuerst.“
Und schon schlitterte der Hund die Treppe hinab.
Rolf richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Gerda. „Du solltest dich ausruhen. Du siehst so, so – ich weiß nicht, so komisch aus.“
„Was?“ Gerda fuhr zusammen. „Wie, komisch?“
„Na, komisch, so anders eben.“
Sie rauschte ins Schlafzimmer zum Spiegel und blickte hinein. Unwillkürlich wich sie vor Überraschung zurück.
***
Dicke graue Wolken hingen am ostfriesischen Himmel. Unterschiedliche Nuancierungen von hell bis dunkelgrau grenzten die Formen ab. Mehrere Schichten waren erkennbar, die der Sonne an diesem Tag keine Chance geben würden.
Die ständige Brise machte es den beiden Radfahrern nicht leicht, die als Einzige über den Deich am Benser Tief Richtung Norden strampelten. Die Strickmütze, tief ins Gesicht gezogen, schloss mit dem Rand der heute überflüssigen Sonnenbrille ab. Doch Iwan war so daran gewöhnt, sie zu tragen, dass er sich ohne sie unsicher und durchschaut fühlte.
Er hielt den Blick gesenkt und achtete auf den schmalen Pfad, als ihn plötzlich etwas am Kopf traf und er fast in Antons Fahrrad gefahren wäre, der vor ihm bisher das Tempo vorgegeben hatte. Doch nun bremste er schlagartig ab. Er sprang vom Rad und stürzte seiner davoneilenden Truckercap nach, die ihren Weg bereits fortsetzte, nachdem sie von Iwans Stirn abgeprallt war.
Während Anton sich bemühte, sie wieder einzufangen, schimpfte Iwan laut: „Lass die blöde Kappe, die fliegt dir sowieso wieder weg. Hab ich dir nicht gesagt, du sollst dir eine vernünftige Mütze kaufen?“
Anton ignorierte ihn und hechtete wie ein Torwart der Kopfbedeckung hinterher, die im Wind Kapriolen schlagend den Heimweg antrat. Doch gleich darauf hatte er sie unter sich begraben. Innerlich triumphierend nahm er sie an sich, streifte den Schmutz ab und drückte sie fest auf seinen Kopf.
„Können wir jetzt endlich weiter?“, zeterte Iwan.
Anton erwiderte lieber nichts, sondern trat nur in die Pedale. Mit seinem Gefährten war nicht gut Kirschen essen, wenn er gereizt war. Aber so eine Kappe hatte er schon lange haben wollen, darauf wollte er nicht verzichten. Er fand, dass er damit cool aussah. Und wenn er erst wieder zu Hause war …
Nur, wo war eigentlich sein Zuhause?
Bensersiel rückte immer näher. Sie überwanden die Umgehungsstraße, indem sie durch eine Unterführung radelten. Als sie an der anderen Seite herauskamen, erfasste die nächste Böe erneut Antons Kappe und wehte sie zurück über die Entlastungsstraße.
Anton wollte schon erneut vom Rad springen, als Iwan ihn zurückhielt: „Du lässt jetzt die Scheißkappe, hast du verstanden? Verdammt! Wir sind doch nicht im Kindergarten!!!“
Traurig sah Anton der Kopfbedeckung hinterher, wie sie auf der anderen Seite der Straße im Nichts verschwand.
Vielleicht konnte er später noch einmal hierherfahren und sie suchen, hoffte er.
„So ein Mist! Jetzt müssen wir nach Aurich fahren, um eine Mütze zu kaufen. Wir können hier nicht riskieren, dass man auf uns aufmerksam wird. Du blöder Idiot!“
Iwan steigerte sich in seine Wut hinein.
„Wir könnten mit der Bahn nach Oldenburg fahren. Das ist eine große Stadt, da merkt sich niemand unsere Gesichter“, warf Anton vorsichtig ein.
Iwan guckte ihn schräg von der Seite an. Keine schlechte Idee, dachte er sich, wollte es aber nicht zugeben. Außerdem wäre es gar nicht so übel, auch in jener Gegend ortskundig zu werden. Man konnte ja nie wissen …
„Dann sehen wir uns heute noch die Abfahrtzeiten am Bahnhof in Esens an. Aber erst einmal will ich den Hafen erkunden. Los! Abmarsch!“, kommandierte Iwan.
Anton trat in die Pedale, und schon bald darauf erreichten sie den Küstenort. Unschlüssig blieben sie auf der Brücke der Hauptstraße stehen und überlegten, welche Einfahrt sie zuerst nehmen sollten. Entschieden sich dann für die rechte Seite. Kurz darauf durchfuhren sie eines der Sieltore, die nur bei Sturmfluten geschlossen werden.
Am Kai lagen gut festgezurrt die Fähren nach Langeoog, während die Bauarbeiten am neuen Fähranleger lautstark vonstattengingen.
Noch waren keine Boote im Yachthafen zu sehen, doch schon bald sollte die Saison beginnen.
***
Kaum hatte Mark das WLAN-Passwort eingegeben, überschlugen sich die Mitteilungstöne seines Smartphones.
„Du lieber Himmel!!!“, rief Mark aus. „Du entschuldigst mich?“, und wandte sich, schon ganz in Gedanken, ab.
Sabrina nickte, blickte hinab zum Hund und sagte streng: „Du bleibst schön hier, mein Lieber.“
Mark drehte sich um: „Ist das dein Ernst?“
Verdutzt schaute sie ihn an, dann lachte sie. „Ich meinte Orko.“
„Ja, klar.“ Er grinste schief und verließ die Küche. Gleich darauf lugte er jedoch wieder durch die Tür. „Sag mal, wäre es möglich, bei dir zu essen? Ich zahle auch dafür.“
Das nimmt so langsam merkwürdige Züge an, dachte Sabrina. Insgeheim war sie allerdings sehr froh, ein wenig hinzuverdienen zu können.
„Wenn du mit Hausmannskost zufrieden bist?“
„Sehr gerne.“ Mark strahlte sie an und sprang dann, eine Stufe überspringend, die Treppe nach oben.
In seinem Zimmer nahm er sich die Nachrichten vor, die sein Smartphone überfluteten.
Seine Eltern erkundigten sich, ob er gut angekommen sei und eine schöne Unterkunft gefunden habe. „Schick uns mal ein paar Fotos. Wir waren doch auch schon so lange nicht mehr da“, baten sie.
Flink tippte Mark ein Lebenszeichen und schoss ein Foto aus dem Fenster, das er der Nachricht beifügte.
Eine Mail kam aus seinem Büro von seiner Mitarbeiterin, die eine Anfrage seines Auftraggebers weiterleitete und sich besorgt erkundigte, ob er im Outback Ostfriesia überhaupt mit der modernen Zivilisation verbunden sei.
Sogleich beantwortete er die Nachricht und versicherte, dass er sich alsbald mit dem Auftraggeber in Verbindung setzen würde.
Zwölf