100 Boyfriends. Brontez Purnell

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100 Boyfriends - Brontez Purnell

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einschlafen, weil seine sonnengepeitschte Discokugel Lichtblitze durchs Zimmer jagte.

      Sein Körper war bedeckt davon; sogar der Gips an seinem Bein war von Licht gesprenkelt.

      Am Nachmittag zuvor war ich in sein Zimmer gekommen. Seine Mitbewohnerin feierte bei ihnen zu Hause eine After-Party. Sie war sternhagelvoll und meinte: «Ich stell euch meinem Mitbewohner vor, bin mir sicher, ihr werdet poppen.»

      Wir dröhnten uns komplett zu und redeten über alles Mögliche, von Nu Jazz bis hin zu Kindheitstraumata.

      Ich legte mich in sein Bett, und er zog mich an sich, schlang seine Arme um mich; ich war irritiert, weil es lange her war, dass mich jemand so berührt hatte, vor allem ein rattenscharfer Kerl mit Gipsverband.

      «Ich lass euch kurz allein», sagte meine Freundin, einen Kokainring um die Nase. Er zog mich fester an sich, und ich nahm meine Brille ab. Als ich so in seinen Armen lag, spürte ich, wie mein Schwanz hart wurde, und tat das, was mir als Erstes durch den Kopf ging.

      «Ich hau wohl besser ab», sagte ich.

      «Bin die ganze Nacht hier», sagte er.

      Ich schaffte es tatsächlich nach Hause, aber – Oh Scheiße. Brille vergessen.

      «Komm bitte wieder – sofort», sagte er, als ich anrief und nach der Brille fragte.

      Bald lag ich wieder in seinen Armen, diesmal war er auf Schmerztabletten. Er schob meinen Kopf nach unten. Ich bin mir sicher, dass ich ihm nachts, während eines Kokain-Wodka-Wortschwalls erklärt hatte, dass ich nicht gern Schwänze lutsche. Aber offenbar hatte er meine Meinung geändert. Ich hörte seine Stimme. Wie ein seufzender Engel. Vielleicht auch wie ein Typ auf Schmerztabletten, der einen geblasen kriegt? Ein vokal-lastiges (aber ansonsten völlig unverständliches) Stöhnen, unterbrochen nur von «jaa», «mehr» oder «ist das geil». Nach einer halben Stunde oder so haute ich ab, weil ich auf der anderen Seite der Stadt zu einer Lesung wollte.

      «Kommst du danach wieder?», fragte er.

      «Noch mal?» Langsam fühlte ich mich, als würde mich tatsächlich jemand brauchen.

      «Ja», erwiderte er.

      Ich fuhr nach Hause, spülte mir den Arsch, fuhr weiter zur Lesung und auf direktem Weg zurück zu ihm, auf die Knie, auf ihn drauf.

      «Steck ihn rein», sagte er und wieder vokal-lastiges (aber völlig unverständliches) Stöhnen.

      Nachdem er gekommen war, stieg ich von ihm runter und fragte, ob er Lust auf Hähnchen vom Grill hätte. «Ja. Und Whiskey», erwiderte er.

      Schmerztabletten und Whiskey – sein Style gefiel mir.

      «Du bist jetzt mein Freund – du musst das Essen holen.»

      «Bin pleite und mag grad nicht zu Fuß gehen, außerdem ist es kalt und neblig», sagte ich und dachte, ich hätte meine erste Aufgabe als Fake-Freund erfolgreich abgewehrt.

      «Nimm die blaue Patagonia-Jacke aus dem Schrank – du kannst sie behalten, wenn du willst. Meine Kreditkarte ist im Portemonnaie. Benutz sie, PIN ist fünf sechs neun acht. Hol dir mein Fahrrad aus dem Keller. Das Bianchi Pista aus Chrom … und beeil dich verdammt nochmal», sagte er lachend.

      Ich machte alles so, wie er gesagt hatte, und fuhr in seiner Jacke, auf seinem Fahrrad, mit seinem Geld die Straße runter. Ich war hin und weg von dem Rad, weil ich Vintage-Bike-Junkie bin und Bianchi die Chrome-Pistas gar nicht mehr herstellt – ich glitt durch die neblige Nacht und fühlte mich wie der Silver Surfer, nur eben auf einem Fahrrad.

      Zum Hähnchenladen waren es nur zehn Minuten, aber zuerst das Wichtigste: Wie viel Geld hatte der Naivling auf seinem Konto?

      Ich hielt beim Geldautomaten, tippte die PIN ein, fünf sechs neun acht, und drückte auf Kontostand: $ 80.690,78. What the fuck?! Nach Abbruch der Transaktion steckte ich die Karte ein zweites Mal in den Schlitz und tippte die Zahlen nochmal ein, weil ich wissen wollte, ob ich richtig gelesen hatte – hatte ich.

      Während ich zum Imbiss weiterradelte, dachte ich: Scheiße, was ARBEITET der Typ?

      Eine Litanei an Fragen schoss mir durch den Kopf. Warum wohnt er in dem beschissenen Zimmer? Warum wohnt er in der beschissenen Wohnung? Wenn ich zwanzig Dollar von seinem Konto klaue, kriegt er das dann mit und ist angepisst? Hat er sich das Bein beim Skifahren in Tahoe gebrochen oder bei irgendeinem anderen Reiche-Leute-Scheiß? Und die wichtigste: Soll ich versuchen, ihn zu heiraten?

      Ich konnte mich nicht erinnern, wann auf meinem Konto oder dem eines Bekannten mehr als, sagen wir, viertausend Dollar gewesen wären – und das hier war nur sein Girokonto. Wie viel mochte er auf dem Sparkonto haben?

      Schnell verdrängte ich die Fragen, weil An-Geld-denken unappetitlich ist und die Rechnung zu viele Unbekannte enthielt. Man kann sich das Leben eines anderen nicht vorstellen, wenn man ihn kaum kennt, und mal ehrlich, ich kannte meinen Fake-Freund ja überhaupt nicht.

      Ich kam an einem Schaufenster vorbei und nahm mein Spiegelbild wahr. Ich sah aus wie boyfriend material oder wenigstens wie so ein Arsch mit Abschluss an einem Scheiß-WASP-College an der East Coast. Doch eigentlich war ich nur ein Hochstapler, was mich allerdings auch scharf machte, weil Verbrechen sexy sind. Aber das hier war seine arschteure Vintage-Patagonia, sein arschteures Vintage-Bianchi, seine Kreditkarte. Lieber Gott, fühlte er sich jeden Tag so? Wie ein normaler, erfolgreicher Erwachsener?

      Die Frau im Imbiss, die meine Bestellung entgegennahm, fragte nach meinem Ausweis, als ich seine Kreditkarte hinlegte, und ich sagte, cool wie ein Eispickel: «Ach, das ist nicht meine, sondern die von meinem Freund, er hat sich das Bein gebrochen und jetzt muss ich wirklich alles für ihn machen.» Sie blinzelte nicht mal, als sie mich unterschreiben ließ. Hatte sie mitgekriegt, wie sehr ich innerlich gestrahlt hatte, als ich von «meinem Freund» geredet hatte? Fake oder nicht, «mein Freund» zu sagen, fühlte sich irgendwie gut an.

      Ich brachte ihm das Essen.

      Und ich klaute keine zwanzig Dollar von seinem gut bestückten Konto.

      Kurz nachdem ich wieder bei ihm war, verlor die Nacht ihre Konturen. Der Morgen war klar, aber verkatert.

      Ich starrte ihn so lange an, bis er die Augen aufmachte, drei Herzschläge später fragte ich: «Heißt das, ich bin jetzt dein Freund?»

      «Ja, genau», erwiderte er und fing an zu lachen.

      Ich küsste ihn auf den Mund und zog mich schnell an, damit ich zu spät zur Arbeit kommen konnte.

      «Ich mag gebrochene Kerle wie dich – du bist von anderen abhängig und kannst nicht weglaufen», zog ich ihn auf.

      Er verdrehte die Augen, ich meine, so richtig. «Was machst du, wenn mein Bein wieder okay ist?»

      «Keine Ahnung, es nochmal brechen?» Ich gab mir Mühe, ernst zu gucken.

      Im selben Moment verzog sich die miese Wolke, die die Sonne verdeckt hatte, und das Licht fiel noch heller als vorher durchs Fenster. Es traf auf die Discokugel, und wieder sah ich überall funkelnde Flecken.

      Meine abergläubische Seite wollte darin ein Zeichen erkennen – Dieser Typ hier wird mein neuer Freund – doch sofort sagte eine Stimme in meinem Kopf:

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