Wer braucht ein Herz, wenn es gebrochen werden kann. Alex Wheatle

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Wer braucht ein Herz, wenn es gebrochen werden kann - Alex Wheatle

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Elaine unterwegs gewesen –, und als ich hungrig nach Hause kam und in den Kühlschrank schaute, war kein Krümel mehr da gewesen. Mum hatte Lloyd mein Essen gegeben. Ich hatte geschäumt vor Wut. Mum und ich waren echt heftig aneinandergeraten. Ich schwöre, sie hat mir eine runtergehauen und Lloyd hat es noch schlimmer gemacht, indem er sich eingemischt hat. »Du solltest gegenüber deiner Mutter nicht solche Ausdrücke benutzen«, hatte er fast grinsend gesagt, als würde es ihm Spaß machen, uns streiten zu sehen. Dabei war alles seine Schuld gewesen.

      Wütend und hungrig war ich ins Bett gegangen. Später an dem Abend hatte ich Lloyds Real-Madrid-Trikot im Bad entdeckt, wo er’s zum Trocknen hingehängt hatte. Ich hab’s genommen und draufgepisst. Der Fleck war direkt auf der Nummer sieben. Danach hab ich’s zusammengeknüllt und vor Mums Zimmertür geschmissen. Anscheinend hatte Lloyd es gefunden, denn am nächsten Morgen ist er in mein Zimmer gekommen und hat mir eine reingehaun, als ich noch fest geschlafen hab. Er hat so fest zugeschlagen, dass ich aus dem Bett gefallen bin. Meine Nase hat ewig lange geblutet, ich bin den ganzen Vormittag mit Klopapier in den Nasenlöchern rumgelaufen, musste ununterbrochen an die Decke gucken.

      Aber das war es wert gewesen. Ich hasse ihn!

      »Nein«, beantwortete ich endlich Lornas Frage. »Nein, wenn er auch nur einen Fingernagel gegen mich erhebt, bekommst du’s mit. Ich schrei den ganzen Block zusammen. Das kannst du mir glauben.«

      Lorna neigte den Kopf und verengte die Augen. »Sicher?«

      »Super sicher.« Ich lächelte. »Alles halb so wild. Mir geht’s gut.«

      »Hmmm.«

      Ich wollte das Thema wechseln. »Ist Sam schon weg?«

      »Vor einer Stunde ist er los. Musste noch Hausaufgaben fertig machen und ein Buch aus der Schulbibliothek besorgen.«

      »Ich hole ihn ein«, sagte ich. »Wiedersehen, Lorna.«

      »Schönen Tag, Mo.«

      Ich flitzte in die Schule, kam aber trotzdem fünfzehn Minuten zu spät. Die Sekretärin schrieb gerade meinen Namen in das Buch der Zuspätkommer dot com, als ich Holman entdeckte. Er trug eine schwarze Krawatte und schwarze Schuhe, die so heftig glänzten, dass sich mein Gesicht drin spiegelte. Er hielt die Hände auf dem Rücken verschränkt und kam auf mich zu. Anscheinend wollte er was sagen, verkniff es sich aber. Er musterte mein Gesicht wie ein Schönheitschirurg das eines alternden Promis.

      »Alles klar, Maureen?«, fragte er.

      »Ja – wieso nicht?«

      »Dir ist klar, dass du erneut zu spät kommst?«

      »Natürlich ist mir das klar! Was glauben Sie wohl, warum ich es so eilig habe?«

      »Gibt’s … gibt’s was, worüber du mit mir reden möchtest?«

       Wartet der jetzt jeden Morgen am Eingang auf mich in der Hoffnung, dass ich ihm meine Probleme anvertraue? Blödmann.

      »Nein! Ich will über gar nichts reden. Schieben Sie Ihre Hochglanzschuhe beiseite und lassen Sie mich in meine Klasse gehen.«

      Ich wartete Holmans Antwort nicht ab, hatte aber ein schlechtes Gewissen. Ich wusste, dass er’s gut meinte, aber manchmal ging er mir auf den Keks.

      Ich setzte mich zu Elaine in den Geschichtsunterricht. Sie trug dicke falsche Wimpern. Als sie mich sah, klimperte sie damit. Ms Gorman fand’s nicht geil, dass ich zu spät kam – sie sagte zwar nichts, folgte mir aber mit strengen Blicken bis zu meinem Platz. Auf eine Leinwand hinter ihr war ein altes Foto in körnigem Schwarz-Weiß geworfen. Irgendwas über den Aufstieg der Nazis.

      »Wieso kommst du zu spät?«, fragte Elaine.

      »Ist eine lange Geschichte«, erwiderte ich.

      »Und was ist mit deinen Haaren passiert? Oder besser gesagt, was ist nicht damit passiert?«

      »Hör auf, ich könnte dich auch wegen deiner Wimpern blöd anmachen. Du siehst aus, als hätte dir einer die Tore von Mordor auf die Augen geklebt.«

      »Du kannst mich mal!«

      »Du mich auch, Bitch!«

      »Elaine Jackson und Maureen Baker!«, unterbrach Ms Gorman unseren Flow. »Wenn ihr euch unbedingt beschimpfen müsst, hebt euch das bis nach Unterrichtsende auf.«

      Sarkastische Kuh. Gorman hielt sich für so wahnsinnig witzig. Ich nahm mir fest vor, sie irgendwann mal auf ihre Achseln hinzuweisen und ihr zu erklären, dass sie auch trotz ihrer engen Hosen niemals bei Crongtons Top Model würde mitmachen dürfen.

      »Und? Kommst du jetzt nach der Schule mit ins Kino?«, flüsterte Elaine.

      »Ich kann nicht«, erwiderte ich.

      »Wieso nicht?«

      »Kein Budget. Ich hab nicht mal Geld für was zu essen.«

      »Schon wieder nicht? Keine Sorge. Ich hol dir was vom Chicken Coop.«

      Ich nickte. »Wings mit Fritten wären super, kosten auch bloß 1.99.«

      »Und ins Kino kriegen wir dich auch.« Elaine grinste. »Wir machen’s wie beim letzten Mal. Also hör auf, über dein Budget zu jammern, und komm mit.«

      »Elaine Jackson!«, rief Gorman erneut. »Mir ist bewusst, wie schwer dir das fällt, aber kannst du bitte die Besprechung eurer nachmittäglichen Vorhaben auf die Pause verschieben? Wäre das möglich?«

      »Aber ich hab schon alle Hausaufgaben gemacht!«, protestierte Elaine. Sie stand auf, stemmte die Hände in die Hüften und machte diese Bewegung mit dem Kopf, wie türkische Bauchtänzerinnen sie draufhaben – ich hab’s in meinem Schlafzimmer geübt, aber nie richtig hinbekommen. »Der Anführer von den Nazis war so ein hinterhältiger Bruder mit Problembart namens Hitler. Er brauchte jemanden, den er für alles verantwortlich machen konnte, was nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland schiefgelaufen war. Also hatte er’s auf die Juden abgesehen. Und außerdem konnte er einfach nicht genug Land kriegen, weil er wollte, dass sich alle auf diese bescheuerte Art grüßen. Er hat das Nachbarland Polen überfallen, was England nicht so richtig getickt hat, und daraufhin haben wir ihm den Krieg erklärt …«

      »Das reicht an Show, Elaine«, unterbrach Gorman sie. »Du kannst dich wieder setzen. Ich bitte dich nur, die anderen nicht in ihrer Konzentration zu stören.«

      Elaine setzte sich, drehte sich zu mir um und stellte den Theaterton wieder ab. »Also kommst du mit?«

      »Was wollt ihr euch denn ansehen?«

      »Weißt nicht – keine Ahnung, was läuft.«

      »Mir egal«, sagte ich, »Hauptsache, ich muss nicht nach Hause in die Wohnung.«

      Elaine versuchte erneut, was aus mir rauszukriegen. »Was geht denn bei euch ab, Mo?«

      »Nichts«, log ich.

      Wir schafften es bis zur Pause, ohne dass Gorman uns erneut anmeckerte. Elaine ging zu Ms Crawford, der Theaterlehrerin, und ich suchte Sam – normalerweise spielte er in der ersten Pause immer Tischtennis auf dem Hof, aber da war er nicht.

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