Wer braucht ein Herz, wenn es gebrochen werden kann. Alex Wheatle

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Wer braucht ein Herz, wenn es gebrochen werden kann - Alex Wheatle

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dem Film standen wir alle noch draußen vor dem Kino.

      »Ist noch nicht mal sieben«, sagte Naomi. »Wir können immer noch nach Hause, uns umziehen und ins Shenk-I-Sheck zum Chillen. Was meint ihr?«

      »Ich muss noch Englisch machen«, erwiderte Elaine. »Und ich hab Hunger, ich muss nach Hause.«

      »Und du, Mo?«

      Ich wollte nicht nach Hause, jedenfalls nicht bevor Mum und er schliefen. Aber ins Shenk-I-Sheck?

      »Nein«, erwiderte ich schließlich. »Bin zu müde. Und Hausaufgaben hab ich auch noch auf.«

      »Ihr beiden seid vielleicht langweilig, Mann«, protestierte Naomi. »Sagt wenigstens, dass ihr am Samstag mit mir shoppen geht.«

      »Äh … wir sagen dir noch Bescheid«, meinte Elaine.

      »Ihr seid echt grau«, sagte Naomi. »Ich will noch nicht zurück ins Heim – ihr könnt euch nicht vorstellen, wie langweilig meine Betreuerin ist. ›Wie fühlst du dich heute? Ich weiß, du vermisst Crumbs. Kommst du jetzt besser mit deinen Lehrern klar? Hast du eine positivere Einstellung zu den Dingen gefunden?‹ O Gott! Die labert endlos.«

      »Dann frag doch, ob du eine andere bekommst«, schlug ich vor.

      »Nee – die sind alle gleich. Ich kenne einen Bruder, der hat Dragon Hip Pills. Wir könnten …«

      Elaine zog Naomi abrupt am Arm, sah ihr direkt in die Augen und hätte ihr fast mit dem Finger eins ausgestochen. »Hör auf, mit Typen in deren Wohnungen zu gehen und Pillen zu schlucken! Weißt du noch, was das letzte Mal passiert ist?«

      »Du musst zugeben, Elaine«, sagte ich, »das letzte Mal war’s echt lustig.«

      »Lustig?«, tobte Elaine. »Der Bruder hat sich neben mich gesetzt und wollte fummeln! Ich hab ihn gewarnt und er hat’s trotzdem wieder versucht! Die Message ist erst bei ihm angekommen, als ich ihm in den Daumen gebissen und ihm das Gesicht zerkratzt hab.«

      »Das war ja das Lustige«, schmunzelte ich. »Sein Daumen hat geblutet und er ist aufs Klo, aber da war kein Papier. Und auf dem Weg nach daußen hat Naomi ihm noch seinen Grey Goose Wodka geklaut.«

      »Hast du ihn mit nach Hause genommen?«, fragte Elaine.

      »Hab ich zehn Finger? Na klar«, erwiderte Naomi. »Hab die Flasche in meinem Schrank versteckt und die nächsten drei Abende immer einen Schlummertrunk genommen. Als sie noch ungefähr halb voll war, hab ich sie einem aus der Achten für fünf Pfund verkauft.«

      »Wieso hast du sie verkauft?«, fragte ich.

      »Weil ich mir so einen neuen orangen Lippenstift passend zu der orangen Hose kaufen wollte, die ich in Ashburton geklaut hab. Verfluchte Geldverschwendung war das – nach zwei Stunden war der schon wieder ab.«

      Wir krümmten uns vor Lachen.

      4

      AUF DER WACHE

      »ALSO, WENN WIR NICHT IM SHENK-I-SHECK chillen gehen, was machen wir dann? Hausaufgaben?«, fragte Naomi. »Ihr beiden seid so traurig wie ein Regentag.«

      »Hab ich dich nicht gerade ins Kino geschleust, damit du Tom Cruise sehen kannst?«, fragte Elaine.

      Naomi dachte drüber nach. »Trotzdem bist du grau.«

      Elaine sprang Naomi an und wir prügelten uns nur so aus Scheiß mitten auf der Straße. Als wir fertig waren, hatte ich blaue Flecken am Handgelenk (Naomi machte immer Brennnesseln bei anderen), Kratzer am Hals und einen tauben Arm. Wir klopften uns den Dreck von den Klamotten, zupften die Haare zurecht und brachten Naomi zurück ins Heim.

      Sie wohnte in der Waterhouse Street, in der Nähe vom Wareika Way in einem dreistöckigen Haus mit einem schönen Vorgarten. Wenn ich den ganzen Scheiß mit Mum und ihren Freunden erzählt hätte, würde ich jetzt auch in so einem Heim wohnen. Daran dachte ich oft.

      Wir warteten draußen, während Naomi reinging und uns was zu trinken rausholte. Sie kam mit drei Gläsern Orangenlimo wieder raus. »Tut mir leid, dass es nichts Stärkeres ist. Wenn ich in die Küche gehe, beobachten die mich immer wie Drohnen.«

      Wir tranken hastig, während Naomi sich, deutlich sichtbar im Blickfeld des Mannes, der uns vom Fenster aus beobachtete, eine Zigarette anzündete. Wir kannten Naomi seit ein paar Monaten, aber sie lud uns nie ein, reinzukommen. Und wir fragten nicht, warum.

      »Kneift nicht beim Shoppen am Samstag«, sagte Naomi, bevor sie reinging. »Ich brauch ein paar Tops. Ihr sollt mir auch nur Rückendeckung geben.«

      »Ich glaube, Mum hat schon was mit mir vor«, entschuldigte sich Elaine.

      »Und ich geh mit dem Staubsauger in der Wohnung spazieren«, sagte ich.

      Naomi schüttelte den Kopf und zog abfällig die Oberlippe hoch.

      Wir verabschiedeten uns und ich ging mit Elaine zu ihrem Wohnblock. Ich sagte nicht viel, aber sie laberte wie ein Wasserfall darüber, dass sie auf die Schauspielschule wollte, und vorher einer Theatergruppe beitreten würde, um Bühnenerfahrung zu sammeln. Wir machten halt bei Dagthorn’s um Schokolade zu kaufen, und teilten uns eine Tafel. Als wir fast bei ihr waren, blieb sie stehen und starrte mich durchdringend an. »Was ist los, Mo?«

      »Was meinst du?«, erwiderte ich.

      »Du hast kaum was gesagt, seit wir aus dem Kino raus sind«, sagte sie. »Ich merke doch, wenn du Stress hast. Was ist heute Morgen wirklich passiert?«

      »Hab verschlafen.«

      »Und auf dem Mond hat ein Schwein eine Ente gepimpert.«

      »Ich lüge nicht, Elaine.«

      »Tom Cruise wartet oben und will mich zum Essen ausführen. Komm schon, Mo.«

      Ich starrte zu Boden.

      »Mo!«

      Betretene Stille. Ich spürte, wie mich ihr brennender Blick durchbohrte. Schließlich schaute ich auf.

      »Ist wegen Mums Freund«, gestand ich.

      »Was hat er gemacht?« Wut blitzte in ihren Augen auf. Sie schien genauso sauer auf mich zu sein, weil ich nichts gesagt hatte, wie auf ihn. »Ich will die ganze Geschichte hören«, verlangte Elaine.

      Ich zögerte. Elaine war nicht die Sorte Freundin, die sich Kummer anhörte, mir auf die Schulter klopfte und »ei ei« machte.

      »Mo! Spuck’s aus.«

      Ich setzte mich an die Mauer. Sie schaute mich stinksauer an. Ich schloss die Augen und spürte, wie mein Herzschlag meinen Hals hochwanderte.

      »Wir gehen keinen Zentimeter weiter, wenn du nicht auspackst.«

      Ich öffnete die Augen. Und erzählte ihr, dass Mum Lloyd am Wochenende mein Essen gegeben hatte, von seinem Real-Madrid-Trikot und dass er mich aus dem Bett geprügelt und mir mit der Faust gedroht hatte, weil ich ihm ans Bein getreten hatte. Dann von heute Morgen und

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