Wer braucht ein Herz, wenn es gebrochen werden kann. Alex Wheatle

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Wer braucht ein Herz, wenn es gebrochen werden kann - Alex Wheatle

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vor dem Eingang, blockierte den Weg und guckte mich so finster an, als hätte ich gerade eben ihre Katze gefressen und aufs Kissen gekotzt. Als ich durchs Fenster schaute, sah ich Sam auf einen Computerbildschirm starren. Ich beschloss, es auf die höfliche Tour bei Shevray zu versuchen.

      »Würdest du mir bitte aus dem Weg gehen?«

      Shevray sah erst ihre beiden Freundinnen an, dann bedachte sie mich erneut mit einem bösen Blick. »Kannst du ihn nicht endlich in Ruhe lassen?«, fauchte sie. »Wir wissen alle, dass du was von ihm willst. Aber die Stelle ist besetzt, also hör auf, ihm hinterherzulaufen.«

      »Genau!« Eins der anderen Mädchen funkelte mich jetzt ebenfalls an. »Zieh Leine!«

      »Shevray, glaub mir«, warnte ich sie. »Ich hab keine gute Woche gehabt, also lad deine Komplexe nicht vor meinen wunden Füßen ab. Ich hab keine Zeit für deinen Scheiß. Sam und ich sind nur Freunde – immer gewesen –, also schieb deinen dürren Arsch aus dem Weg, bevor ich dir die Fresse quadratisch schlage.«

      Shevray war nicht dürr. Sie hatte Beine zum Anbeißen. Was mich endlos anpisste.

      Sie verschränkte die Arme und versuchte mich niederzustarren. Blöde Bitch. Als ob mir so was Angst machen würde. Ich erwiderte ihren Blick, schob mein Gesicht ganz dicht vor ihres. Sie wich einen Schritt zurück.

      »Die ist es nicht wert«, sagte sie zu ihren Schwestern. »Los, wir ziehen ab.«

      Shevray und ihre Crew schoben davon. Eine schaute über die Schulter und schenkte mir noch einen Bitch-Blick. An einem anderen Tag hätte ich sie mitsamt ihrem blöden Getue direkt ins Bio-Labor geboxt, aber in diesem Moment konnte ich mich nicht dazu aufraffen. Ich wollte einfach nur zu Sam.

      Ich fand ihn drinnen bei den Computern. Auf einer Hälfte seines Kopfes trug er einen Afro und auf der anderen Cornrows. Süß. Als er merkte, dass ich da war, stand er auf und umarmte mich herzlich. War ein gutes Gefühl, seine Arme zu spüren, seine Wange an meiner. Machte mich ganz kribbelig. Versetzte mich zurück in die Zeit, als wir was miteinander hatten. Ich schloss die Augen. Drei Wochen in den Sommerferien hatte es gedauert. Weder seine noch meine Freunde hatten was davon gewusst. Deshalb war’s auch so schön gewesen. Niemand hatte uns in unserem Flow gestört. Verstohlene Küsse in seinem Zimmer, wenn seine Mum arbeiten war. Ständig musste ich ihm sagen, dass er die Finger von meinem Hintern und meiner Brust lassen soll – ich war noch nicht so weit.

      Dann musste er mit seiner Mum nach Jamaika, um seine Großmutter zu beerdigen. Vier Wochen lang war er weg. Als er wiederkam, war’s einfach … komisch. Er wollte, dass wir wieder nur Freunde waren. Ich fand die Entscheidung nicht toll. Fand sie sogar richtig scheiße, aber ich musste mitspielen – wir kannten uns, seit ich nullkommanull Jahre alt gewesen bin, und wenn ich mich entscheiden musste, zwischen befreundet sein und für immer verlieren, na ja, dann war das keine Frage. Trotzdem fuchste es mich, ihn mit Shevray zusammen zu sehen. Was zum Kuckuck wollte er von der? Dabei wusste ich sehr genau was. Lange Beine, ein ordentlich kurviges Hinterteil und ein Gesicht wie aus einer Vorabendserie. In der Hölle soll sie schmoren! Ich löste mich aus der Umarmung.

      »Lass das bloß Shevray nicht sehen«, lachte ich. »Was machst du da?«

      »Ach, ich such ein bisschen Material für den Black History Month«, erwiderte Sam. »Über Mary Seacole und ihre Arbeit als Krankenschwester während des Krimkriegs. Bin bald fertig.«

      Sams Black-History-Month-Projekt war beeindruckend bis zum Gehtnichtmehr – Geschichte war sein Ding –, aber ich wollte das Shevray-Thema beackern. Es nervte mich bis zum Herztod. »Deine neue Flamme wollte mich gerade nicht in die Bibliothek lassen. Du wirst mit ihr reden müssen. Glaub mir, wenn die nicht aufhört, muss ich grob werden.«

      »Sie ist bloß sauer, weil sie findet, dass wir uns zu oft sehen.«

      »Ich kenne dich viel länger als sie«, protestierte ich. »Wir sind zusammen aufgewachsen, wir wohnen in demselben Block, sind in denselben Kindergarten und in dieselbe Grundschule gegangen. Haben uns gegenseitig die Geburtstagskerzen auf den Torten ausgeblasen. Unsere Mums sind mit uns in den Buggys einkaufen gefahren und …«

      »Das war früher«, fiel Sam mir ins Wort. »Wir können jetzt nicht mehr so viel Zeit zusammen verbringen, weil …«

      »Weil sie dich ranlässt. Gib’s zu. Deshalb warst du scharf auf sie. Und in der kurzen Zeit, die wir hatten … hab ich’s nicht getan.«

      »Das ist es nicht.«

      »Hör auf zu lügen. Du bist genauso wie die ganzen anderen Brüder in unserem Jahrgang – sobald ein neues Mädchen ein bisschen Haut zeigt, sich Make-up ins Gesicht schmiert und die Möpse hochschnallt, wandert euer ganzes Blut an eine einzige Stelle.«

      »Sie hat mehr zu bieten als das«, widersprach Sam. »Sie ist die beste Schwimmerin der Schule. Und schlau.«

      »Schlau genug, sich mehrmals am Tag auszuziehen!«

      Sam schüttelte den Kopf. »Das ist jetzt echt daneben.«

      Es war daneben, aber ich wollte mich über ihn aufregen. »Sie hat dir die Hölle heißgemacht, weil du neulich bei mir warst und Frühstück gemacht hast. Gib’s zu! Wieso hast du’s ihr überhaupt gesagt?«

      »Weil’s die Wahrheit war.«

      »Das hätte sie gar nicht wissen müssen. Das war unsere Zeit.«

      »Sie ist meine Freundin, Mo. Soll ich sie anlügen über das, was ich mache?«

      »Was geht sie’s denn an, was du mit mir machst? Wir machen seit Ewigkeiten Sachen zusammen. Als deine Mum keine Arbeit hatte, hab ich euch geholfen – für euch eingekauft – und hab’s auch nicht in der ganzen verdammten Welt rumerzählt.«

      Sams Gesicht verzog sich zu einem Grinsen. »Hast du die Sachen nicht bei Dagthorn geklaut?« Er fing an zu lachen. O Gott!Ich wünschte, er würde das lassen. Sexier als sexy! Ich kann nicht glauben, dass er dieser arschgesichtigen Shevray die Zunge in den Hals steckt. »Ist dir eigentlich klar, was passiert wäre, wenn meine Mum das rausgekriegt hätte?«

      »Na und? Der Gedanke zählt.«

      »Hör mal, Mo, ich bin dir dankbar …«

      »Nein, jetzt hörst du mir zu«, würgte ich ihn ab. »Wenn dein Mädchen Warzen kotzt, nur weil du hin und wieder bei mir vorbeischaust, dann mach dir nicht die Mühe, noch mal an meine Pforte zu klopfen. Ich mein’s ernst!«

      Ich meinte es nicht ernst, aber ich sagte es trotzdem. Scheiße! Er war das einzig Gute in meinem Leben. Als wir klein waren, war er immer mit seinem Vier Gewinnt hochgekommen und wir hatten ewig lange damit gespielt. Aus den Sachen, die seine Mum von der Arbeit mitgebracht hatte, hatte Sam mir Geburtstagskarten gebastelt. Er hatte mich beruhigt, wenn meine Mum und ich Zoff hatten. Immer wenn seine Mum ihm neue Klamotten gekauft hatte, war er erst mal zu mir hochgekommen, um zu checken, ob sie auch cool waren. Sam war derjenige, der mich nach Hause gebracht und meine Wunden versorgt hatte, wenn ich mich in der Schule geprügelt hatte. Und jetzt war er mit ihr zusammen.

      »Das muss doch nicht sein, Mo. Wir können doch gute …«

      »Sag nicht das F-Wort. Ich hab genug Freunde. Das muss sein. Verschwinde von meinem Radar. Du gehörst jetzt zu ihr.«

      Sam schaute mich eindringlich an, konnte nicht ganz glauben,

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