TENTAKEL DES HIMMELS. Heike Vullriede
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу TENTAKEL DES HIMMELS - Heike Vullriede страница 5
Die Tatsache, dass ihm sein Vater trotz allem all das bedingungslos vererbt hatte, wertete Jan als letzten verzweifelten Versuch, den einzigen Nachkommen von der Gosse weg in ein normales Leben zu pressen. Was sollte er mit der Firma? Sie interessierte ihn einen Dreck! Das geerbte Geld reichte, um sich ein bescheidenes Leben lang auf die faule Haut zu legen, ein bisschen Künstler heraushängen zu lassen, Freunde zu kaufen. Er war genügsam, gewohnt, mit wenig auszukommen. Die mangelnde Unterstützung der vergangenen Jahre hatte ihn abgehärtet.
Jan spielte mit dem Knauf der Schublade. Als es in der Stille des Raumes an der Tür klopfte, zuckte er zusammen. Ein junger Mann öffnete, ohne eine Aufforderung dazu abzuwarten, und steckte den Kopf durch den Spalt. Jan erkannte Kemal Akdas, den Rechtsberater seines Vaters. Der Einzige, den er hier überhaupt näher kannte. Nun betrachtete er ihn als Teil der Erbmasse, die man ihm ans Bein gebunden hatte.
»Darf ich hereinkommen?«
Jan nickte wortlos. Der Kerl würde sowieso eindringen, egal, was er antwortete.
Zögernd betrat der Mann mit den ordentlich gekämmten schwarzen Haaren und dem gebügelten Anzug das Chefbüro. In den Händen trug er einen langweilig aussehenden Ordner und eine geöffnete Fächermappe, deren aufgeklappter Zustand Jan an ein gähnendes Maul erinnerte.
Kemal stellte sich vor den Schreibtisch und musterte ihn aus tiefdunklen Augen.
»Ich störe Sie nur ungern …«
»Warum tun Sie es doch?«
Der scharfe Ton seines neuen Chefs ließ Kemals Gesichtszüge entgleisen, aber nur kurz.
»Es gibt ein paar laufende Terminsachen, die geklärt werden müssen und in der Post von heute …«
»Kann das nicht die Zicke im Vorraum erledigen? Wofür habe ich sie?«
Kemal räusperte sich.
»Sie meinen die langjährige Sekretärin Ihres Vaters? Nun, Sie haben der Dame eine Kündigung nahegelegt. Da sie noch offenstehenden Urlaub und eine unendliche Anzahl an Überstunden übrig hatte …«
»Sie ist schon weg? Das ging aber verdammt schnell.«
»Ja, vermutlich hatte sie es damit so eilig, weil Sie ›blöde Schnepfe‹ und ›dämliche alte Schachtel‹ zu ihr sagten, als sie Ihnen gestern die Post bringen wollte. Ich schätze, dass da noch ein arbeitsrechtliches Nachspiel auf Sie zukommt.«
Jan runzelte die Stirn. Da war er wohl etwas voreilig und eine Idee zu wenig empathisch gewesen. Egal, nun war es eben so. Er brauchte keine alte Tante, die sich aufführte wie eine Expartnerin seines Vaters – was sie mit Sicherheit nicht war – und die glaubte, einen Anspruch auf ein besonderes Vertrauensverhältnis Jan gegenüber zu besitzen. Sollte sie doch weggehen, völlig bedeutungslos. Sie war ersetzbar.
»Genauso, wie Sie dem Pförtner gekündigt haben, dem Chefbuchhalter, einer Reinigungsfrau, die Ihnen lediglich mit dem Staubsauger im Weg war, und den beiden Sachbearbeitern aus der Organisationsabteilung. Ach ja, und der Personalchefin, weil sie ein ernstes Gespräch über all diese Kündigungen mit Ihnen führen wollte.«
»Und jetzt haben Sie Angst um Ihren Job?«, raunzte Jan Kemal von unten aus ins Gesicht.
»Nein, wohl kaum.«
»Ach nein?«
»Nein, Sie brauchen mich noch. Jetzt umso mehr.«
»Da sind Sie sich aber ziemlich sicher.«
»Allerdings, irgendjemand muss das Geschäft weiterführen, auch wenn Sie es vermutlich so schnell wie möglich veräußern wollen. Dabei könnte ich Ihnen übrigens behilflich sein.«
»Vielleicht will ich das ja gar nicht.«
Jan bemerkte einen Hauch von Enttäuschung in Kemals Miene. Hatte der Kerl doch wahrhaftig darauf gehofft, ihn derart schnell loszuwerden? Selbstredend überlegte Jan vom Todestag seines Vaters an, das Geschäft zu verkaufen. Nur wusste er nicht einmal, wie er das anstellen sollte, genauso wenig, wie er etwas vom Marketinggeschäft verstand, von Geschäften überhaupt. Er brauchte Kemal tatsächlich. Ein Glück, dass er ihm noch nicht gekündigt hatte.
»Ich bin also nach wie vor Ihr Rechtsberater?«
»Ja, seien Sie stolz darauf.«
»Da das nun geklärt ist, wäre ich froh, wenn wir ernsthaft über Geschäftliches sprechen könnten. Es gibt einen Vorgang, der mir Bauchschmerzen bereitet. Es betrifft ein – wie soll ich sagen – besonderes Unternehmen in Düsseldorf.«
Jan seufzte, es blieb ihm nicht erspart. Nun hatte ihn der Alte da, wo er ihn immer haben wollte.
»Was ist denn so besonders an diesem Unternehmen?«
»Es handelt sich um eine christliche Glaubensgemeinschaft. Sie nennt sich Kirche des Lichts.«
»Eine Kirche? Ernsthaft?«
»Ich weiß nicht, was Sie über die letzten zwei Jahre ihrer Eltern wissen. Ihre Mutter war sehr krank und in dieser Kirche wollte sie wohl so etwas wie Erlösung finden.«
»Ich weiß gar nichts. Mein Vater hielt es nicht für nötig, mich über irgendetwas zu informieren. Von der Krankheit und dem Tod meiner Mutter erfuhr ich erst nach ihrer Beerdigung.« Jan betrachtete das goldgerahmte Foto auf dem Schreibtisch, worauf seine Eltern Arm in Arm am Strand von Juist vor dem Meer posierten.
»Das wussten Sie nicht? Ihr Vater sagte, er hätte Sie in Berlin nicht erreichen können. Er meinte, Sie hätten kein Smartphone und keine Adresse, an die er sich wenden konnte.«
»Oh doch, die hatte er. Ich war in einer WG gemeldet. Jede Nachricht an diese Adresse gerichtet, hätte mich erreicht … zumal in einem Zeitraum von zwei Jahren …«
Ein Kloß in Jans Kehle hinderte die nachkommenden Worte, ausgesprochen zu werden. Dafür hasste er seinen Alten. Für diese Sturheit, nicht einmal in Mutters schlimmsten Zeiten den Kontakt zu ihm gesucht zu haben. Für wie undankbar hatte er ihn eigentlich gehalten? Es wurde ihm bewusst verschwiegen. Selbst bei Jans Weihnachtsanruf im letzten Jahr.
Jan wandte sich dem jungen Mann im Büro wieder zu. Er fand ihn etwas herablassend ihm gegenüber. Wer wusste schon, was sein Vater alles über Jan erzählt hatte.
»Was ist denn nun mit dieser Kirche?«, fragte Jan.
»Das, ich nenne ihn mal Oberhaupt, möchte unser Unternehmen kaufen.«
»Das hier? Sie meinen mein Erbe, die Marketingfirma Peter Torberg GmbH?«
»So ist es. Und an einer Marketinggesellschaft der Kirche sind Sie mit Ihren Anteilen zur Hälfte beteiligt. Ich hatte Ihrem Vater damals übrigens abgeraten, da zu investieren. Wie dem auch sei … der andere Anteilseigner möchte einen neuen Geschäftsführer einsetzen und benötigt Ihre Unterschrift dazu.«
»Das bereitet Ihnen Bauchschmerzen?«
»Nicht