TENTAKEL DES HIMMELS. Heike Vullriede

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TENTAKEL DES HIMMELS - Heike Vullriede

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Selbstbewusstsein, seit er den jungen Torberg kannte.

      Wortlos folgte er seinem Chef durch eine Glastür in die geräumige Eingangshalle des Gebäudes. Er hatte fast das Verlangen, seine Schuhe auszuziehen, als er den auffallend sauberen Teppich im Eingangsbereich betrat – weinrot auf goldschimmernden Fliesen. Kemal rümpfte die Nase und dachte an den bescheidenen Imam der kleinen Moschee seines Stadtteils in Hamburg. Torberg begrüßte den Pförtner, der hinter einer gläsernen Schutzwand auf ihn wartete. In der Zwischenzeit studierte Kemal einen Ständer mit glänzenden Prospekten und eine Informationstafel, auf der Plakate und Fotos das Leben der Gemeinde illustrierten – zumindest das Leben, das sie nach außen hin führten. An den Wänden hingen Fotografien, welche wohl einige der Kirchen des Lichts zeigten. Auch darauf fand er keine sakral anmutenden Bauwerke. Dafür aber ehrfurchtsvolle Gesichter, glückliches und dummes Lächeln vor den Mauern weiß verputzter Häuser und immer wieder ein riesenhafter Mann in weißem Gewand mit goldenen Ornamenten. Der Mann lächelte kühl und hob die Hände wie zum Segnen, oder er tätschelte den Kopf eines Kindes. Auf einem der Fotos schien er vor einem armen Dorf irgendwo in Osteuropa zu posieren, umringt von lachenden Menschen.

      Kemal nahm soeben den Fahrstuhl ihm gegenüber wahr, da sah er Torberg im Treppenhaus daneben verschwinden. Der Pförtner rief ihm mit lauter Stimme etwas hinterher, doch Torberg überhörte ihn schlicht.

      Der lässt mich hier stehen, durchzuckte es Kemal.

      Noch während sich Kemal mit dem herbeigeeilten Pförtner auseinandersetzte, öffnete sich der Fahrstuhl und ein Mann stieg aus. Mit affektiert erhobenem Haupt trat er Kemal entgegen.

      »Wolff … wir hatten Sie eher erwartet!« Unnachsichtig sah Wolff den Verspäteten an. »Sind Sie aufgehalten worden? Hätten Sie sich unterwegs nicht melden können? Wir sind es nicht gewohnt, dass man uns warten lässt.«

      Bevor Kemal antworten konnte, trat eine junge Frau in elegantem Kostüm Wolff zur Seite. Sie flüsterte ihrem Kollegen etwas zu.

      Verwirrt betrachtete er Kemal. »Sie sind nicht Jan Torberg?«

      Der bis dahin verdutzte junge Mann erhob seinen Kopf. »Nein – Gott bewahre! Ich bin nur sein Begleiter. Mein Name ist Kemal Akdas, Sekretär und Rechtsberater des Herrn Torberg«, sagte er, froh, seine Person von dem Verdacht befreit zu haben.

      Anna wusste, dass Wolff augenblicklich seine inneren Pläne bedroht sah. Und Pläne brauchte er. Er wagte selten Spontanes. Alle seine kleinlichen Vorbereitungen für dieses Treffen zwischen Torberg und ihrem großen Chef und Vater, wackelten seit zwei Stunden bodenlos.

      »Aber wieso…? Ist denn Herr Torberg nicht mit Ihnen gekommen?« Er klang ungehalten und blickte sich suchend um.

      »Ein Mann ist vorausgegangen, ohne dass ich ihn aufhalten konnte«, rief der aufgewühlte Pförtner und wies auf das Treppenhaus.

      »Sie müssen mir nicht ins Gesicht schreien«, entgegnete Wolff.

      Doch der Pförtner schaffte es vor Aufregung nicht, seine Stimme zu dämpfen. »Ich hab sofort Alarm gegeben!«

      »Was? Wieso Alarm gegeben?« Kemal fühlte sich wie ein Einbrecher, ertappt und gestellt. Doch Wolff verzog nur seinen Mund, fuhr mit der Hand durch sein Haar und seufzte strapaziert auf. »Also kommen Sie, fahren wir nach oben. Dieser Torberg wird sich schon melden.«

      Konzeptlos betrat Wolff mit Kemal und Anna den Fahrstuhl.

      »Wieso Alarm gegeben?«, fragte Kemal noch einmal.

      Doch darauf bekam er keine Antwort. Stattdessen öffnete sich die Fahrstuhltür schon in der nächsten Etage und vor ihnen stand Jan Torberg. Anna erkannte ihn sofort. Zwar waren Jahre vergangen, doch diese Gestalt war ihr seitdem im Gedächtnis geblieben.

      Grußlos stieg er ein und musterte Wolff aus nächster Nähe ausgiebig. Der warf einen fragenden Blick auf Anna – sie bestätigte mit kurzem Nicken und nutzte die Gelegenheit, Torberg heimlich zu betrachten. Dass er und sein Begleiter in einen Regenguss gekommen waren, konnten sie nicht leugnen. Hochgewachsen und schlank stand er da, gerade aufgerichtet und er sah auf Wolff hinab, ohne seinen Kopf zu senken. Sie amüsierte sich innerlich. Wolff hasste es, zu jemand anderem aufblicken zu müssen als zum Padre.

      Torbergs Schuhe hinterließen im Fahrstuhl eine beachtliche Pfütze. In ausgebeulter Jeans und abgetragener Jacke entsprach er so gar nicht dem Bild des reichen Firmeninhabers, der er nach Antritt seines Erbes nun war. Aber etwas anderes hatte Anna auch nicht erwartet. Verstohlen lächelte sie, als sie in Wolffs vor Eitelkeit gekränktes Gesicht sah. Während der langen Sekunden im Fahrstuhl ließ Torberg nicht einmal den Blick von ihm.

      Sieh an, Torberg ist älter geworden, dachte sie. Sein Gesicht schien ihr wesentlich verlebter als früher, das nasse Haar strohiger. Vielleicht trank er oder, noch wahrscheinlicher, hatte er Drogen genommen, oder beides zusammen. Gesund sah er jedenfalls nicht aus. Nur der Bart, der seine schmalen, aber weich geschwungenen Lippen von der Nase bis zum Kinn dünn umhüllte, war genauso flusig, wie sie es von früher kannte. Er hätte sich lieber rasieren sollen, doch glattrasiert und etwas gepflegt war er sowieso nicht vorstellbar. Sie hatte seine Augenbrauen vergessen, die schwarz und überdeutlich eine dicke Linie über seine hellen Augen zogen. Sie wuchsen in der Mitte fast zusammen und prägten entscheidend dieses eigenwillige Gesicht.

      Der Aufzug hielt in der vierten Etage. Wolff führte sie in ein großes, komfortabel eingerichtetes Büro, das mehr an einen luxuriösen Wohnraum erinnerte als an einen Arbeitsraum. Jan blieb eine Weile vor der Tür stehen und sah sich um. An der Tür hing kein Schild, keine Nummer, kein Name. Ein kräftiger blonder Mann mit ernstem Gesicht und grauem Anzug wachte davor. Nachdem er den Raum näher in Augenschein genommen hatte, vermutete Jan, dass es das Büro des Chefs war.

      Halber Chef, berichtigte er sich sofort, die Hälfte dieser Nobelfirma gehört mir!

      Er nahm nicht an, dass der Mann aus dem Fahrstuhl sein eigentlicher Geschäftspartner war, denn so riesig, wie beschrieben, war dieser keinesfalls. Jan setzte sich in einen der bequem aussehenden, schwenkbaren Ledersessel und hatte zunächst nur einen Gedanken – seine nassen Socken auszuziehen, die sich inzwischen in seinen Turnschuhen wellten. Mit Schwung warf er seine Beine übereinander, zog nach und nach erst seine Schuhe und dann die Socken aus. Beides ließ er achtlos zu Boden fallen, um anschließend seine nackten Füße auszustrecken.

      Anna konnte sich ein Lachen kaum verkneifen. Jetzt wusste sie, worauf sie mit Spannung gewartet hatte. Mit hin und her wippenden Füßen lehnte sich Jan nach hinten und schloss für einen Moment die Augen. Da fiel ihm Annas nicht ganz verkniffenes Kichern auf und er beugte sich im Sitzen ein Stück vor, um sich nach hinten umzudrehen, soweit es mit ausgestreckten Beinen eben ging. Dann blickte er von einem zum anderen, und als er das empörte Gesicht von Wolff erfasste, verharrte er eine Weile. Was gab es denn zu sehen, außer seinen nackten Füßen auf diesem Teppich? Ein nackter Fuß war immerhin sauberer als ein beschuhter, und außerdem fühlender, konnte er doch jede Faser des teuren Hochflors spüren, der weich und dicht seinen ausgekühlten Fuß wärmte.

      »Aber bitte, nehmen Sie doch auch Platz«, bot Jan vom Sessel aus den anderen gönnerhaft an.

      Niemand reagierte und es entstand eine vorwurfsvolle Pause.

      »Ich hasse nasse Socken.«

      Damit hielt er die Sache für erledigt.

      Anna musste hinausgehen. Ihr Maß an Beherrschung war überschritten. Sie schloss leise die Tür hinter sich und lief ein Stück den Flur entlang, bog um eine Ecke,

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