TENTAKEL DES HIMMELS. Heike Vullriede

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TENTAKEL DES HIMMELS - Heike Vullriede

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drehte wieder die Zigarette.

      »Wenn nicht, dann wird der Padre schon dafür sorgen. Da können wir sicher sein.«

      »So sicher wie das Amen in seiner Kirche!«

      Anna fand ihre Bemerkung so passend, dass sie auf dem schwenkbaren Sessel hin und her wippte. Obwohl lautlos, schallte das Lachen in ihrem Kopf. Selbst Wolff schmunzelte heimlich, sie sah es. Wäre freilich der Padre anwesend gewesen, hätte sie niemals eine noch so passende Bemerkung gewagt.

      Kurz bevor sie in Düsseldorf ankamen, wäre es Jan fast gelungen, einzuschlafen. Gerade kroch ein Gefühl tiefer Entspannung in seinen Körper. Als der Taxifahrer ihn ansprach, dauerte es einige Sekunden, bis er richtig zu sich fand. Sein Wir sind gleich da, Herr Torberg, schreckte ihn auf, wie ein Schrei. Sie passierten ein wegweisendes Schild am Straßenrand.

      »Fahren Sie noch mal zurück«, befahl Torberg.

      Der Taxifahrer murmelte unverständliche Flüche vor sich hin, bevor er den Rückwärtsgang einlegte. Fünfzig Meter zurück stoppte er abrupter als nötig mitten auf der Straße.

      Mit zusammengekniffenen Augen studierte Jan durch das Autofenster hindurch die Aufschrift auf der Hinweistafel so lange, als wollte er sie ganz und gar verinnerlichen.

      Auf silberfarbenem Grund stand in protzend goldener Schrift:

      Kirche des Lichts

       Zentrale

       Marketing und Missionswerk

      »Warum halten wir hier?« Kemal war ebenso wie sein Chef aus einem Fast-Schlaf aufgeschreckt.

      »Ich wollte es schwarz auf weiß sehen und jetzt sehe ich es golden auf silber.«

      »Sie wollten was? Ich kann Ihnen nicht folgen … wie so oft.«

      »Ich meine dieses Schild. Kaum zu glauben, dass mir so etwas zur Hälfte gehört.«

      »Tja, über einige wesentliche Dinge hat Ihr Vater Sie wohl im Unklaren gelassen. Aber Ihnen gehört von der Zentrale nichts. Sondern nur ein Teil dieses Marketing- und Missionswerks. Missionierung ist auch so eine Art Marketing, wenn man es genau nimmt.« Kemal verzog verächtlich die Mundwinkel.

      Zwei Kilometer weiter erreichten sie die Einfahrt zu einem abgelegenen Anwesen. Ein grüner Streifen aus meterhohen Kirschlorbeeren kaschierte den dahinter verborgenen Metallzaun. Doppelstabgitter mit Auslegern, Jan durchdachte reflexhaft seine Chancen, den Zaun zu überwinden. Nicht ganz einfach, aber machbar, entschied er.

      Der Taxifahrer seufzte auf, als er seinen übermüdeten Körper aus dem durchgesessenen Autositz hob. Draußen bog er den Rücken ausgiebig durch.

      »Wird das heute noch was?«, rief Jan von der Rückbank durch die geöffnete Fahrertür. »Sie wissen schon, dass ich Sie üppig bezahlt habe?«

      »Deswegen bin ich nicht Ihr Sklave«, antwortete der Fahrer. Den unbequemen Kunden hatte er nur angenommen, weil er sowieso von Hamburg aus zurück nach Düsseldorf wollte und sich dadurch eine lukrative Rückfahrt anbot. Er formte ein unsittliches Zeichen mit seinem Mittelfinger, bevor er sich vor das verschlossene Tor des Anwesens stellte und einen Knopf drückte. Kemal hob angesichts der frechen Antwort des Fahrers triumphierend die Faust.

      Das Tor öffnete sich elektronisch und sie befuhren eine breite Schotterzufahrt, bis sie einen gepflasterten Hof erreichten. Der Hof erschien verschwenderisch groß. Er bot Platz genug für zweihundert Autos, aber nur wenige, höchstens zehn, parkten dort. Einige der Fahrzeuge protzten in Jans Augen wie Ludenkarren, die anderen wirkten auf ihn wie Seifenkisten. Ein großer weißer Transporter ohne Aufschrift rangierte vor dem geöffneten Tor einer Halle.

      Kemal und Jan enttäuschte das nüchterne Äußere des Gebäudes vor ihnen. Sie hatten mehr Spiritualität erwartet. So etwas wie eine große Kirche oder Moschee, etwas Heiliges jedenfalls.

      »Hier wollte meine Mutter ihren Glauben finden? Es sieht aus, wie ein gewöhnliches Bürogebäude«, sagte Jan.

      »Es ging nicht nur um ihren Glauben. Es ging um Heilung. Dem Sektenführer wird die Fähigkeit zugeschrieben, Kranke heilen zu können.«

      »Ein Wunderheiler? Ich kaufe Ihnen nicht ab, dass mein Vater an so etwas geglaubt hat.«

      »Warum nicht? Niemand weiß, wie er reagiert, wenn er den Tod so dicht vor Augen hat. Tut man dann nicht alles, um sich zu retten?«

      »Meine Mutter vielleicht, ja. Das kann schon sein.«

      »Tja, wenn die Schulmedizin nicht hilft, suchen viele Trost und Hilfe im Glauben. Der Schritt vom Glauben zum Aberglauben ist vermutlich gar nicht so weit.«

      »Was unterscheidet denn Aberglauben vom Glauben?«, fragte Jan. »Jede Religion pachtet für sich die Wahrheit. Warum soll die Wahrheit dieser Sekte falscher sein als die der anderen?«

      Kemal dachte eine Weile nach. Diese Frage konnte er nicht einmal für sich selbst beantworten. Also schwieg er dazu. Dass Torberg aber fast philosophisch in die Tiefe fragte, wunderte ihn. Er hatte ihn für einen oberflächlichen Trampel gehalten.

      Inzwischen hatte sich der Himmel derart verdunkelt, dass man den Eindruck eines drohenden Unwetters erhielt. Jan ließ den Wagen in einigem Abstand zum Gebäude und mit der Motorhaube zur Einfahrt hin parken. Es gab ihm ein sichereres Gefühl, im Notfall mit dem Gefährt näher am Ausgang zu sein. Er warf einen Blick auf das Tor und registrierte mit Unbehagen, wie es sich verschloss.

      »Ich würde gern etwas essen. Wann brauchen Sie mich wieder?«, fragte der Fahrer.

      »Sehen Sie hier ein Bistro zum Einkehren? Nein, Sie bleiben hier und warten.«

      »Arschloch«, flüsterte es vom Fahrersitz aus.

      »Das habe ich gehört.«

      Als Jan und Kemal ausstiegen und ihre steif gewordenen Beine endlich wieder ausstreckten, öffnete sich die angesammelte Masse tiefdunkler Wolken und Regen ergoss sich sintflutartig über der Stadt. Binnen Sekunden verwandelte sich die graue Pflasterung in Schwarz und schon flossen kleine Rinnsale den Boden entlang. Kemal hielt es für einen Wink Gottes, sich lieber wieder ins Taxi zu verkriechen und davonzufahren. Trotzdem rannte er mit der Jacke auf dem Kopf über den Hof, um sich in den schützenden Eingang des Gebäudes zu stellen. Direkt dahinter folgte ihm Jan Torberg mit großen Schritten. Jans Füße patschten jedes Mal in kleine Pfützen und erinnerten ihn sofort daran, dass seine Schuhe mit vernünftigem Schuhwerk nichts gemeinsam hatten.

      Kaum aber hatten sie den Eingang erreicht, beruhigte sich das Wetter wieder. Der Regen verstummte und nur noch vom Dach des Hauses und den angrenzenden Bäumen plätscherte Wasser, sammelte sich in Pfützen, und alles verlief in kleinen Bächen, um in den Gullys zu verschwinden.

      Während sie erst den aufklarenden Himmel und dann sich selbst betrachteten, fragten sich beide, warum sie nicht zwei Minuten gewartet hatten. Kemal lächelte schadenfroh, als er in Jans vor Nässe triefendes Gesicht sah. Und der Taxifahrer lachte im Wagen so laut, dass sie es durch die geschlossenen Fenster selbst aus der Entfernung hörten. Doch Jan grinste ebenso und Kemal bemerkte, wie wenig besser er dastand. Im Gegenteil, ihm war, als wirke ein Mann in einem völlig durchnässten Anzug noch lächerlicher als ein Mann in verschlissener, durchnässter Jeans. Leider war Kemal der Mann im Anzug und es ärgerte

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