TENTAKEL DES HIMMELS. Heike Vullriede
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Читать онлайн книгу TENTAKEL DES HIMMELS - Heike Vullriede страница 7
Jan sah zu Kemal hinüber, der belästigt aussah, wie so oft. Belästigt von ihm, allein durch seine Anwesenheit, von seinem bloßen Anblick wahrscheinlich. Der nur seinen Job machte. Der niemals auch nur entfernt darüber nachdachte, ein Freund seines neuen Chefs zu werden und dass er, Jan Torberg, vielleicht lieber heulen würde als zu belästigen. Kemal mit dem sensiblen Gesicht, den Blick nach draußen gerichtet, genau wie er selbst eben noch. Der saß da mit der Geschäftsakte auf den Knien, das Einzige, das ihn zu interessieren schien an ihrer gemeinsamen Fahrt. Darüber hätte Jan heulen können. Aber er beherrschte sich.
»Wie hieß noch dieser andere Mann … mein Geschäftspartner, zu dem wir jetzt fahren?«, fragte er an Kemals Hinterkopf gewandt. Er ließ das Wort ›Geschäftspartner‹ betont abwertend über seine Lippen fließen.
»Jorge Alonso.«
»Alonso? Ein Landsmann von Ihnen?«
»Ich bin Deutscher!«
»Sie sollten sich einen anderen Namen zulegen, Herr Akdas.«
Kemal Akdas hob den Kopf höher. »Ich bin stolz auf meinen Namen.«
Jan betrachtete den schmächtigen Mann mit den dunklen Augen und der braunen Haut an seiner Seite. Ein empfindliches Gemüt, fast so dünnhäutig wie das seine, nur offenkundiger. Ein Mann, mutig genug, das zu zeigen.
»Sicher, nehmen Sie es nicht so ernst. Sie kennen mich doch inzwischen.«
Er stieß Kemal spaßeshalber in die Rippen. Der zuckte.
»Über Namen scherzt man nicht. Jorge Alonso ist spanischer Herkunft, das sollte auch der Dümmste heraushören können. Er soll übrigens ein Riese sein.«
»Soso, ein Riese.«
»Ja, tatsächlich, einiges über zwei Meter groß. Außerdem hochintelligent und skrupellos. Wenn Sie mich fragen, ein gefährlicher Mann – wenn es stimmt, was man so munkelt. Sektenführer, Guru oder wie man das nennt. Die Sektenbeauftragten der christlichen Kirchen haben bereits ein Auge auf seine Kirche des Lichts geworfen.«
»Wenn es so offensichtlich eine Sekte ist, warum duldet man diesen alten Guru dann?«
»Woraus schließen Sie, dass der Mann alt ist? Sagte ich etwas in der Art? Man duldet ihn, weil wir in einem Rechtsstaat leben und diese Kirche legal ist. Religionsfreiheit – schon mal von gehört? Man kann ihm nichts nachweisen. So ist das – die größtmögliche Freiheit impliziert leider, dass man sie größtmöglich ausnutzt. Diesen Alonso sollten Sie nicht unterschätzen. Solche Menschen beherrschen die Gefühle anderer, stehen aber selbst mit beiden Beinen auf dem Boden.«
»Auf meinem Boden! Das ist also der Mann, der selbstständig einen neuen Geschäftsführer für meinen halben Teil der Firma dort bestimmen will?«
»Entschuldigung, nicht selbstständig … er schlägt Ihnen Herrn Wolff nur vor …«
»… und bittet schnellstmöglich um Zustimmung! Wo ist da der Unterschied?«
»In den Worten ›schlage ich vor‹. Vermutlich wusste er nicht, dass Ihr Vater verstorben ist und das Schreiben Ihnen zugehen würde. Sie haben es ja nicht für nötig gehalten, ihre Geschäftspartner zeitnah über den Tod Ihres Vaters zu unterrichten.«
»Ich verstehe bis heute nicht, warum meine Eltern die Verbindung zu dieser Kirche gesucht haben. Ausgerechnet diese Sekte! Wo mein Alter gerade so religiös war, dass es für die Weihnachtsmesse reichte. Und mir haben sie meine suchenden Reisen nach Asien als Zeitverschwendung vorgeworfen. Ich bin erstaunt, wie viel Geld meine Eltern gespendet und investiert haben.«
»Nicht nur Geld, sie verbrachten auch viel Zeit in Düsseldorf.«
»Was haben sie da gemacht? Gebetet? Meditiert?«
»Wahrscheinlich. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass sie sich nach Tuchfühlung mit diesem Alonso, den man dort übrigens Padre nennt, nach und nach sehr veränderten. Als ob man ihnen langsam die Gehirne wusch. Ihre Mutter war zeitweise richtig euphorisch. Das war, bevor sie … bevor sich ihr Zustand rapide verschlechterte. Von da an musste ich mit den Mitarbeitern praktisch die Geschäfte allein führen.«
»Hätte mein Vater mich nicht wenigstens dann ins Vertrauen ziehen können? Früher war er doch so wahnsinnig daran interessiert, dass ich mich endlich in sein Marketinggeschäft stürze. Wissen Sie, ich bin und bleibe Fotograf. Fotograf mit Leib und Seele … oder auch nicht – gut gelebt habe ich davon nie … mit Betriebswirtschaft stehe ich jedenfalls auf Kriegsfuß. Man könnte fast meinen, ich wäre von Beruf aus Sohn.«
»Davon war ich überzeugt!«
Diese kleine Bemerkung erlaubte sich Kemal, obgleich er voraussah, welche Reaktion darauf folgen würde. Tatsächlich verhärtete sich das Gesicht seines Vorgesetzten augenblicklich.
»Und ich bin davon überzeugt, dass Sie von meinem Geld auch nicht gerade schlecht leben. Ich habe Ihre Gehaltszahlung unterschrieben und so viel Geschäftssinn habe selbst ich, dass ich die Summe getrost als völlig übertrieben betiteln kann.«
Kemal nahm sich vor, sich solche Bissigkeiten künftig zu verkneifen. Solange, bis er mit Genugtuung kündigen würde. Für den Rest der Fahrt schwiegen sie, ungeduldig das ausweglose Sitzen ertragend.
Die Zentrale der Kirche des Lichts
»Warum kommt der so spät? Zwei Stunden Verspätung! Ohne jede Entschuldigung. Was maßt der sich an?«
Der Mann, der vom Fenster des Büros aus die Hofeinfahrt überblickte, nahm eine Zigarette, drehte sie ein paar Mal um und zündete sie schließlich an.
Seine Zuhörerin lächelte.
»Der leistet sich so manches«, sagte sie, seine Finger beobachtend, wie sie ständig durchs Haar griffen, wie ein Redner, der nur aus Kopf und Händen bestand. Die Vorstellung von ihm als Kopffüßler rief eine gewisse Heiterkeit in ihr hervor.
Sie war die Einzige, die Torberg Junior schon kannte. Bei einem ihrer Besuche in der Firma seines Vaters vor ein paar Jahren hatten sie und Jan Torberg festgestellt, dass sie sich aus Schulzeiten kannten. Es war ein einmaliges Treffen gewesen und einiges in der Zwischenzeit geschehen, aber die Erinnerung an den jungen Rebellen war geblieben. Unvergesslich, dieser ironische Zug um Torbergs Mund. Eine Hand hatte er ihr damals nicht gereicht, sie dafür ungeniert, geradezu anzüglich, gemustert. Seine herablassende Art hatte, das musste sie sich zugeben, etwas anziehend Unverschämtes. Anna Schuster amüsierte der Gedanke, wie der junge Unternehmer hier ankommen würde, und sie freute sich jetzt schon auf reichliche Abwechslung. Vor allem auf die Reaktionen Ihres Chefs Alonso. So schnell, wie gewohnt, würde er diesen nicht einwickeln.
Sie nippte an ihrem Glas und beobachtete Wolff, der jetzt das Fenster verließ und auf und ab lief. Dermaßen nervös wie heute sah man ihn selten. Aber die wenig umgängliche Art Torbergs hatte sich durch informierte Zungen herumgesprochen – gerade auch durch ihre. Und wie vom Bösen getrieben, fand sie es an der Zeit, noch einmal darauf hinzuweisen.
Ein Grund für die Finger, wieder durchs Haar zu greifen. Dann schwiegen die Hände, nachdenklich verharrten sie am Körper.
»Ach