Morgen ist alles besser. Annemarie Selinko

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Morgen ist alles besser - Annemarie  Selinko

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reichen gerade für eine Cremeschnitte.

      Die Toni nimmt die Schultasche, sie hat es sehr eilig, um halb zwei muss sie zu Hause sein, und sie will noch vorher in die Kondi. Die Kondi ist eine kleine Konditorei, aus dem Schultor die Straße geradeaus, dann zweite Gasse links. Dort ist die Kondi, dort gibt es märchenhafte Cremeschnitten für dreißig Groschen, dort warten schon die Meier und die Helmer.

      Im ersten Stock prallt Toni mit dem Direktor zusammen. Sie ist sehr gelaufen, sie hat gar nicht aufgepasst, jetzt rempelt sie den Rex an. Und der Rex ist in der Schule der liebe Gott, er thront über den Wolken, er ist die allerallerhöchste Instanz, ein Wort von ihm und man fliegt aus der Schule. Die Toni rempelt diese höchste Instanz an. Entsetzt fährt sie zurück. »O Verzeihung, o Pardon –«, bringt sie mit versagender Stimme hervor. Heute ist ein Unglückstag. Ein ausgesprochener Unglückstag.

      Sehr atemlos kommt sie in der Konditorei an. Bei ihrem Eintritt verstummen die Meier und die Helmer. Sie haben sich gerade über das Renkontre des Tages, das Renkontre Mikula – Huber (die Meier liebt vornehme Ausdrücke) unterhalten. Die Toni wirft die Schultasche auf einen roten Plüschsessel – hier gibt es rote Plüschsessel, schäbig, aber immerhin Plüsch – und stürzt zum Verkaufstisch.

      »Bitte, eine Cremeschnitte«, sagt sie. Ihre Stimme klingt ganz heiser, die Aufregungen der letzten halben Stunde waren sehr groß.

      »Wie bitte?«, fragt das ältliche Fräulein Melanie, die Besitzerin der Kondi. Das Fräulein Melanie ist stocktaub.

      »Eine Creeeemeschnitte!«, brüllt die Toni.

      »Ach so«, sagt das Fräulein Melanie langsam. Und sehr bedauernd: »Heute sind keine Cremeschnitten mehr da, leider schon alle verkauft …«

      »Was? Keine Cremeschnitten mehr?«, stößt die Toni hervor.

      Dann packt sie ihre Schultasche, dreht sich um, murmelt: »Das auch noch«, reißt die schmale Geschäftstür auf und – tschinbumm, haut sie die Tür hinter sich zu.

      So. Endlich eine Tür, die man zuschlagen kann, fest und knallend zuschlagen kann.

      2

      ETWAS ERFREULICHES: Im Vorzimmer riecht es nach Sauerkraut. Mittags gibt es also Bratwurst und Sauerkraut. Wenn man Kummer hat, soll man Lieblingsspeisen essen. Und Toni hat sehr großen Kummer.

      Der Friedl wird sich ärgern, weil das ganze Vorzimmer nach Sauerkraut riecht. Fekete hat natürlich wieder die Küchentür offen gelassen. Seit zwanzig Jahren ärgert sich der Friedl darüber. Und seit zwanzig Jahren ist der Fekete zerknirscht, wenn man ihm die offene Küchentür vorhält.

      Der Fekete ist schon viel länger im Haus als die Toni, früher war er der Offiziersbursch vom Herrn Rittmeister, früher, in jenen sagenhaften Zeiten, als die Hubers vornehm waren und noch sehr viel Geld hatten. Vornehm sind sie geblieben, das Geld ist weg, nur der Fekete ist noch da. Der Fekete ist – ja, wie soll man die Tätigkeit vom Fekete Pista beschreiben, der früher einmal der Pfeifendeckel vom Herrn Rittmeister war? Jetzt ist der Herr Rittmeister ein Herr Rittmeister in Pension und ein sehr untergeordneter Beamter in einer Versicherungsgesellschaft. Der Fekete Pista hat den Herrn Rittmeister nicht verlassen wollen, der Offiziersbursch ist bei Hubers »Mädchen für alles« geworden, er räumt auf und serviert, er bügelt die Anzüge vom Herrn Rittmeister und geht auf den Markt einkaufen, er ist »das Personal« von Hubers.

      »Fekete, wie ist heute die Laune des Herrn Rittmeisters?«, fragt die Toni.

      Sie setzt sich auf den abgewetzten Küchenstuhl, eingehüllt in eine Duftwolke von Sauerkraut. Beim Herd steht die Anna, die Tochter der Hausbesorgerin, und kocht. Seit vielen Jahren kocht die Anna mittags für Hubers, weil der Fekete doch nicht alles machen kann, sie hält auch Tonis Sachen in Ordnung. Man sagt ihr »Fräulein Anna«, weil sie doch die Tochter von der Hausbesorgerin ist. Fräulein Anna kocht, sie macht dabei ein bitterböses Gesicht und spricht kein Wort. Sie kann nämlich den Fekete nicht leiden, und der Fekete sie auch nicht. Der Herr Rittmeister behauptet, das sei »ein Glück«, und der umgekehrte Fall würde den Haushalt nur schwieriger gestalten.

      Verbissen kocht das Fräulein Anna, und der Fekete steht vor dem Küchentisch und säbelt Riesenscheiben vom Brotlaib herunter.

      »Fekete, es ist sehr wichtig. Wie ist der Herr Rittmeister heute gelaunt?«, fragt die Toni.

      »Bitte schön, Herr Rittmeister ist gut gelaunt, ist nach Hause gekommen und hat Radio aufgedreht«, meldet der Fekete. Der Fekete ist ein Ungar, der Herr Rittmeister hat bei den Husaren gedient und – »irgendwo auf der Puszta hat er sich den Fekete zusammengefangen«, behauptet die Toni. Fekete hat einen aufgedrehten, ganz unmodernen Schnurrbart, den er sich kohlrabenschwarz färbt. So ein schwarzer Schnurrbart! Er hat ein rundes, gutmütiges Bauerngesicht und vergisst meistens, sich die Haare schneiden zu lassen. Dafür werden die Haare täglich mit Pomade bearbeitet. Das ist sehr elegant, meint der Fekete, und Toni findet, dass der Fekete ein sehr fescher Mann ist.

      »Fekete, ich habe Unannehmlichkeiten«, sagt Toni düster. »Schneide doch nicht so dicke Brotscheiben, Fekete, dünne Brotscheiben sind viel vornehmer! Weißt du, die Mikula ist eine gemeine Person, die Mikula – lass mich ausreden, Fekete –, diese Mikula, diese Person, also, sprich schon, Fekete, was willst du sagen?«

      »Gnädiges Fräulein hat Unannehmlichkeiten«, beginnt der Fekete umständlich. Seit Tonis sechzehntem Geburtstag sagt er gnädiges Fräulein zu ihr. »Gnädiges Fräulein darf sich von der Dame Mikula nichts gefallen lassen, gnädiges Fräulein ist Tochter von Herrn Rittmeister, und gnädiges Fräulein soll zur Dame Mikula einfach sagen –«

      »Lass doch, Fekete«, sagt Toni unwillig und steht auf. »Kann das Mittagessen nicht endlich beginnen?«

      Nachdem Toni die Küche verlassen hat, stellt der Fekete fest: »Fräulein Anna, unser gnädiges Fräulein ist schon eine Dame geworden. Denn unser gnädiges Fräulein ist nervös und hat Launen.«

      »Was Neues?«, fragt der Rittmeister Huber bei Tisch seine Tochter.

      »Danke, ja. Nach dem Essen sag ich dir alles«, kommt die Antwort. »Hast du Ärger im Büro gehabt, Friedl?«

      Friedl hat immer Ärger im Büro. Aber der Ärger vergeht zu Hause, wenn er den Rock ablegt und die alte Offiziersbluse anzieht, die lichte, saloppe Sommerbluse mit dem blauen Uniformkragen und den drei goldenen Sternen.

      »Anton, warum steht eigentlich seit Tagen dieser scheußliche Kaktus auf dem Esstisch?«

      Der Herr Rittmeister nennt seine Tochter Anton, weil er sich immer einen Sohn gewünscht hat. Einen Sohn, der mit der Zeit ein guter Kamerad wird. Und weil der Herr Rittmeister keinen Sohn hat, sondern nur eine Tochter, und weil diese Tochter von einem Rittmeister und einem Offiziersburschen erzogen wurde und ein richtiger guter Kamerad geworden ist, mit dem man alle Männerangelegenheiten besprechen kann, nennt der Herr Rittmeister das Mädchen »Anton«. Erst war es nur Spaß, jetzt ist es eine Gewohnheit.

      »Friedl, du hast neulich gesagt, auf einen hübsch aufgedeckten Tisch gehört etwas Grünes. Der Fekete soll aber nicht immer frische Blumen kaufen, das kostet doch im Winter viel Geld. Deshalb haben wir den Kaktus angeschafft. Der hält sich. Er ist nicht schön, aber man kann ihn immer verwenden.«

      »Anton, dir fehlt jeder Sinn für häuslichen Charme«, stellt Friedl betrübt fest. »Da hast du deine Zigarette.«

      Nach dem Essen bekommt Toni immer eine Zigarette

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