Morgen ist alles besser. Annemarie Selinko

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Morgen ist alles besser - Annemarie  Selinko

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kam und ging. Der Fekete ekelte alle aus dem Haus, er hetzte den Friedl gegen die Fräuleins auf, knurrte »Weibererziehung«, und Toni vertauschte die Kinderstube mit der Küche.

      »Mein Kind, warum hält denn dein Vater noch immer diesen Fekete?«, hat Tante Florentine einmal gefragt. Früher musste Toni, jeden Sonntagvormittag zu Tante Florentine auf Besuch gehen. Solange man klein und wehrlos ist, kann man sich nicht genügend schützen und wird zu grässlichen Tanten auf Besuch geschleppt. »Ich verstehe das nicht«, meinte die widerliche Tante Florentine, »man kann doch nicht sein Leben lang einen Offiziersburschen halten statt einer ordentlichen Hausgehilfin.«

      »Aber Tante, wir müssen doch den Fekete haben«, sagte die kleine Toni, »wegen der Schuhe und – wegen der Treue.«

      Wirklich: wegen der Schuhe und wegen der Treue. Der Rittmeister hatte den Fekete nach dem Krieg von der Front mitgebracht, und der Fekete ist ein Schatz. Er putzt die Schuhe wie kein zweiter, die Schuhe blinken, er serviert stramm und tadellos, wie in der Offiziersmesse, und Tonis Mutter war mit ihm zufrieden. Der Fekete konnte bleiben. Und er blieb. Auch nach dem Umsturz, als der Rittmeister kein Rittmeister mehr war. Denn der Umsturz in der Geschichte der alten Monarchie war ein Umsturz für das ganze Leben des Rittmeisters Huber.

      Die Toni beugt sich noch weiter vor und starrt dem Vater ins Gesicht. Kleine Falten sind um die Augenwinkel eingraviert. Sein Hemd ist schon lang nicht mehr neu, man sieht es am Kragen. Aber das alles macht nichts. Der Friedl ist doch ein schöner, vornehmer Mann. Die Toni kennt Friedls Geschichte ganz genau. Wenig Kinder kennen wirklich die Geschichte ihrer Eltern, aber der Friedl hat mit Toni immer wie mit einer Erwachsenen gesprochen. Nach dem Umsturz ist der Friedl in Pension gegangen, er wollte abwarten, wie sich alles entwickelt. Und er verzichtete sogar großzügig auf seine Pension. Er hatte doch sehr viel Geld, er war aus reicher Familie. Und das Geld war da, in Papieren angelegt. Aber zuerst waren die Papiere nichts mehr wert, Kriegsanleihe, es waren doch so sichere Papiere gewesen, der Staat garantierte für sie. Und dann war der Staat auch nicht mehr, der alte Staat, dem der Friedl gedient hatte, und die Papiere waren nur noch Papier.

      Die Toni erinnert sich genau: Eines Morgens. machte der Fekete ein großes Geschrei, er stürzte. ins Kinderzimmer, zerrte Toni aus ihrem weißen Gitterbett und schleifte sie in Friedls Schlafzimmer. Dort stand der Friedl vor dem großen Spiegel, und der Fekete schrie immerfort »Joj mama«, denn der Herr Rittmeister war zum ersten Mal in Zivil.

      Der Friedl war viele Wochen lang müd und verärgert, er rannte zu allen Freunden und ihren Bekannten, suchte eine Stellung, und mittags sagte er zum kleinen Toni-Kind: »Du, Anton, nur auf Beziehungen kommt es an, man muss Beziehungen haben, merk dir das, Anton!« Die Toni hat es sich gemerkt und der Friedl hatte Beziehungen. Gott sei Dank. Aber weil seine Beziehungen nur klein waren, langte es auch nur zu einer kleinen Stellung in einer Versicherungsanstalt.

      Friedl erzählt immer von der guten alten Zeit. Die Toni stellt sich diese gute alte Zeit wie ein Märchen vor. Eine richtige Vorstellung kann sie sich nicht machen. Ihr geht es doch sehr gut, es ist ihr nie besser gegangen, sie ist sehr zufrieden. Es tut ihr nur weh, weil der Friedl so leidet. Der Friedl leidet nämlich wirklich. Unter seinem Büro. Unter den Sorgen, wie man am Ende des Monats die Telefonrechnung und das Fräulein Anna bezahlen soll. Mit dem Fekete ist es nicht so arg, der wartet schon. »Du bist um zwanzig Jahre zu spät auf die Welt gekommen«, sagt der Friedl immer zur Toni.

      Und die Mikula ist um zwanzig Jahre zu früh auf die Welt gekommen, fällt der Toni in diesem Augenblick ein. Schade: Man hätte die Mikula für die nächste Generation aufheben sollen. Die Mikula ist eine Geißel Gottes, und gerade Toni hat diese Geißel erwischen müssen. »Ich werde trotzdem maturieren«, schwört sie bei sich, »justament«.

      Friedl wacht auf. Er sieht sich verwirrt um. »Es ist dreiviertel drei«, sagt Toni. Der Friedl fährt zusammen. »Ach so, ach so, du bist noch da«, murmelt er verstört. Nach dem Nachmittagsschlaf ist er immer etwas verstört. »Du musst aufstehen, Friedl, Büro«, ermahnt die Toni ernsthaft.

      »Zum Nachtmahl komm ich nicht«, teilt er mit, während er wieder den Zivilrock anzieht. Die Toni denkt, dass Friedl einen neuen Anzug brauchen würde. Aber ein neuer Anzug ist momentan nicht möglich. Friedl lässt nur bei einem sehr guten Schneider arbeiten und – also ist es momentan nicht möglich.

      »Hoffentlich hast du einen netten Abend«, sagt Toni und lacht.

      »Warum lachst du so dumm?«, fährt der Friedl auf.

      »Grüß mir das Fräulein Clarisse«, grinst die Toni.

      Vornehm lässige Empörung bei Friedl: eine Frechheit von Anton!

      »Und du gehst bestimmt zur Mikula«, bettelt Toni. Das Gesprächsthema muss schnell gewechselt werden.

      Beim »Leb wohl« fährt Friedl seiner Toni gewohnheitsgemäß in die Haare, zieht ihren Kopf etwas zurück und küsst sie auf die Wange. »Du wirst maturieren, Anton, verstanden!«, sagt er eindringlich.

      »Zu Befehl, Herr Rittmeister!«, trompetet die Toni. »Und was mache ich nach der Matura, Herr Rittmeister?«

      »Ja … dann wirst du – das werde ich mir noch überlegen. Oder hast du es dir schon überlegt?«

      »Ich?« Tonis Gesicht verklärt sich. Ihre Stimme klingt ganz träumerisch: »Friedl, ich werde das Schönste, das es auf der Welt gibt. Ich werde ein richtiger Parvenü. Einverstanden?«

      3

      DER FRIEDL IST dann doch nicht zur Mikula in die Sprechstunde gegangen. Wirklich – er wollte sich Zeit nehmen, er wollte sogar den Direktor in der Versicherungsgesellschaft ersuchen, ihn übernächsten Montagvormittag auf eine Stunde zu beurlauben, er wollte mit der Mikula reden und verbindlich lächeln, er wollte seinen kleinen Kameraden herausreißen, er wollte – und dann ging es doch nicht. Er hatte keine Zeit mehr, er wurde abberufen, der oberste Chef griff ein, der alleroberste Chef aller kleinen und großen Angestellten, der Tippfräuleins und der Generaldirektoren. Der alleroberste Chef entschied, dass Rittmeister Friedl Huber keine Zeit mehr haben sollte.

      Entscheidende Ereignisse beginnen so klein und nebensächlich. Das erste Anzeichen dieses unfassbaren Geschehens, das Toni niemals ganz begriffen hat, zeigte sich Donnerstagmittag. Friedl kommt nach Hause, die Küchentür ist wie immer offen, das ganze Vorzimmer riecht wieder wie ein Gasthaus. Da tobt der Friedl, er schreit so laut, wie er nicht einmal in der Kaserne geschrien hat, behauptet der Fekete. Friedls Gesicht wird dunkelrot vor Wut und sein Antlitz – furchtbar und großartig, wie bei einem jähzornigen Gott, denkt die Toni. Das Grinsen des einfältigen Fekete erstarrt vor Schreck, behutsam schließt er die Küchentür, zerknirscht und vollkommen vernichtet. Bei Tisch wagt die Toni kein Wort zu sprechen, Friedls Hände zittern, er hat sich wirklich aufgeregt. Und er regt sich doch sonst niemals wirklich auf, er hat sich längst an die Schlamperei gewöhnt.

      »Abends bin ich zu Hause«, sagt Friedl zwischen Suppe und Fleisch. Toni ist sehr erstaunt: Montag und Donnerstag sind nämlich Friedls »freie Abende«, da ist er immer »besetzt«. Das hängt mit den freien Abenden zusammen. Früher gehörten diese Abende einer Frau Charlotte, jetzt gehören sie einem Fräulein Clarisse.

      »Heut ist doch Donnerstag«, erinnert Toni diskret.

      »Jawohl«, brüllt Friedl, er brüllt grundlos, er scheint nur auf eine Gelegenheit zum Weiterwüten gewartet zu haben. »Ich weiß, heut ist Donnerstag. Ich kann ausgehen, wann es mir passt. Verstanden? Ist es dir vielleicht nicht recht? Heut ist Donnerstag und ich werde zum Nachtmahl zu Hause sein.«

      »Wir werden einen gemütlichen

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