Morgen ist alles besser. Annemarie Selinko

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Morgen ist alles besser - Annemarie  Selinko

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kommt ihr eine Idee.

      »Du bleibst am Donnerstag zu Hause«, beginnt sie schüchtern, »Friedl, bist du vielleicht krank?«

      »Nein, ich bin nicht krank, ich kann es mir nicht leisten, krank zu werden«, fährt der Friedl auf.

      Abends ist der Friedl noch viel sonderbarer. Er wollte um acht Uhr nach Hause kommen. Um viertel sieben wird die Wohnungstür dröhnend zugeschlagen: Friedl ist schon da. Im Vorzimmer rieche es gerade wie in einem Unterseeboot, behauptet Toni. Sie war zwar noch nie in einem Unterseeboot, aber nur in einem Unterseeboot kann es derart nach Fisch und Meer riechen wie im Vorzimmer. Die Küchentür ist sperrangelweit offen: Fekete kocht Seefisch zum Nachtmahl.

      »Im Vorzimmer stinkt es wie immer«, sagt Friedl. Ganz leise sagt er es, müde, apathisch. Fekete erscheint im Vorzimmer: Der Krach ist fällig. Friedl schlägt keinen Krach. Wie sonderbar, dass Friedl den Seefisch ruhig stinken lässt. Er geht wortlos in sein Schlafzimmer, lässt sich aufs Sofa fallen und beginnt seine Schuhe aufzuschnüren.

      »Du bist ernstlich krank«, sagt die Toni, die zu ihm ins Zimmer kommt. Keine Antwort. Das Schuhband am linken Schuh ist zu fest verknotet, ungeduldig zerrt Friedl daran, angestrengt und nervös. Da kniet Toni nieder und zieht dem Vater die Schuhe aus. »Lass doch«, murmelt Friedl, aber gleichzeitig lehnt er sich erschöpft zurück und ist froh, dass jemand anderer sich mit seinen Schuhbändern herumbalgt.

      »Leg dich gleich nieder«, sagt Toni und wird sehr energisch: »Du gehst ins Bett, der Fekete kocht heißen Tee, du nimmst Aspirin und Abführmittel, du bist nämlich krank!«

      Aspirin und Abführmittel. Seit Toni denken kann, gibt man ihr gleichzeitig Aspirin und Abführmittel, wenn sie sich krank fühlt. Eines von beiden hilft immer, denn Toni hat entweder Schnupfen oder verdorbenen Magen. Aber Friedl? Friedl war noch nie krank, Toni kann sich nicht erinnern, dass er krank gewesen wäre.

      Etwas später, als sie mit dem Tee in sein Zimmer kommt, liegt er schon im Bett, hat die Augen geschlossen und atmet hastig.

      »Mach die Augen auf, der Tee«, mahnt Toni.

      »Ja, ja, der Tee, ja, ja«, flüstert Friedl, schlägt die Augen auf und starrt zur Zimmerdecke.

      »Schau, Friedl, der Tee wird kalt«, bettelt Toni. Aber der Friedl starrt weiter zur Zimmerdecke empor.

      »Fekete, der Herr Rittmeister gefällt mir nicht«, sagt die Toni. Sie ist in die Küche gelaufen, um mit Fekete zu beraten. Nein, Friedl gefällt ihr nicht. Toni hatte einmal ein Fräulein, das rief immer: »Das Kind gefällt mir nicht«, wenn die kleine Toni alle Symptome eines verdorbenen Magens hatte.

      »Herr Rittmeister, habe ich vorige Woche gesagt, Herr Rittmeister, Schuhe müssen neue Sohlen bekommen, Sohlen sind schon schlecht. Ich habe Herrn Rittmeister gleich Meldung gemacht, aber Herr Rittmeister hat gesagt: Fekete, das hat noch Zeit, Schuhsohlen kosten sieben Schilling, wir müssen sparen. Joj mama, habe ich mir gedacht, so sehr spart der Herr Rittmeister, no – und jetzt ist er krank, es regnet, nasse Füße, hätten wir die Krawattennadel eben gelassen, was braucht man Krawattennadel mit Perle und Brillant, wenn man nasse Füße hat und –«

      »Was ist mit der Krawattennadel, Fekete?« Toni ist sehr aufmerksam geworden. Der Fekete wundert sich, dass der Herr Rittmeister dem gnädigen Fräulein nichts erzählt hat. Langsam kommt es heraus: Der Herr Rittmeister hat vor längerer Zeit den Fekete ins Dorotheum geschickt, damit er dort die goldene Krawattennadel mit der rosa Perle und dem großen Brillanten versetzt. »Jo, hab ich sie versetzt«, berichtet Fekete. Und neulich habe ihn der Herr Rittmeister hingeschickt, er musste Zinsen bezahlen, damit die Krawattennadel nicht verfällt.

      Toni nagt an ihrer Unterlippe, sie hat das Gefühl, dass sie weinen möchte, weil der Friedl solche Sorgen hat, weil er die Krawattennadel vom Großpapa versetzt hat, weil er ihr nichts davon sagte und ihr sogar die rosa Satinbluse kaufte, die sie so gern haben wollte. Die rosa Satinbluse. Mein Friedl, mein Friedl, denkt sie und spürt, dass die Tränen kommen, obwohl jetzt kein Grund zum Weinen ist.

      Etwas später steht sie am Telefon. Sie hat den Doktor Honig angerufen, den Hausarzt. Ein süßer Name, denkt sie jedes Mal, wenn sie mit dem Doktor Honig spricht.

      »Hallo, Herr Doktor, hier ist Toni, Toni Huber, Herr Doktor – bitte, kommen Sie zu uns, der Friedl – ja, ich glaub schon, dass er krank ist, er gefällt mir gar nicht –«

      Sie macht eine tiefe Stimme, sie handelt selbstständig und erwachsen, es ist ein sehr ernstes Gespräch, sie ruft den Hausarzt an, das tun sonst nur die Familienoberhäupter.

      Der Doktor Honig ist nicht sehr jung und nicht sehr alt, sehr unscheinbar, klein, er hat ein glatt rasiertes Gesicht und einen gold-gerahmten Zwicker auf der Nase. Er spricht leise und gütig, und es ist ganz gleichgültig, was einem der Doktor Honig sagt: Es wirkt sehr beruhigend. Friedl nennt ihn »einen Freund der Familie«, er kommt aber nur, wenn jemand krank ist. Damals, als Tonis Mutter starb, da saß er die ganze Nacht an ihrem Bett, und seitdem ist er der Freund der Familie.

      Toni legt neben das Waschbecken ein sauberes Handtuch, das gehört sich so, wenn der Doktor ins Haus kommt. Die Fräuleins haben immer eines vorbereitet, wenn Toni Grippe oder Magenweh hatte und Doktor Honig gerufen wurde. Der Doktor kommt gerade aus Friedls Zimmer, jetzt beugt er sich über den Waschtisch, Toni steht neben ihm und wartet angstvoll auf seine Worte.

      »Fast neununddreißig Grad«, sagt der Doktor und trocknet sich die Hände ab. »Ich hoffe, dass das Fieber bis morgen früh zurückgeht.«

      Toni nickt. Die Stimme des Doktors ist beruhigend. »Eine starke Verkühlung«, spricht der Doktor weiter, sanft und liebevoll ist die Stimme, »in der Lunge ein Geräusch, nein, nichts von Bedeutung, Fräulein Toni, Sie müssen nicht so erschreckt dreinschauen, ich hoffe, wir werden die Lungenentzündung verhüten …«

      Toni hat überhaupt nicht an die Möglichkeit einer Lungenentzündung gedacht. Nun spricht sie der Doktor aus, aber bei ihm klingt alles sehr tröstlich.

      »Fräulein Toni, möchten Sie nicht auf jeden Fall eine Tante verständigen, dass Ihr Vater krank ist?«

      Da steht Toni neben dem Doktor, sie hat die kindlich schmalen Schultern etwas zusammengezogen, sie spürt jetzt alle Verantwortung. Sie hat ganz selbstständig dem Doktor telefoniert, und zum ersten Mal sagt ihr der Doktor »Fräulein Toni«. Sie ist stolz darauf, dass sie das saubere Handtuch nicht vergessen hat, sie muss sich jetzt zusammennehmen und gar nichts vergessen.

      »Eine Tante?«, fragt sie erstaunt.

      Doktor Honig hat das Gefühl, dass irgendein Erwachsener herbeimüsste. Das kleine Mädel ist doch nicht erwachsen, irgendjemand muss doch die Verantwortung übernehmen und wissen, dass der Herr Rittmeister Huber schwer krank ist.

      »Eine Tante – oder einen Onkel«, beharrt Doktor Honig.

      »Wir haben nur eine richtige Tante, die Florentine Tante, die wollen wir nicht«, sagt der Fekete. Er steht in der offenen Badezimmertür, der Doktor hat ihn gar nicht bemerkt.

      »Nein, die wollen wir nicht«, bestätigt die Toni, »und der Onkel, der Mann von der Tante Florentine, den darf man jetzt vor Friedl nicht einmal erwähnen. Sonst regt er sich auf. Er kann den Onkel Theodor nicht leiden. Mit Recht, ganz mit Recht.«

      »Fräulein Toni, gestatten Sie, dass ich dem Herrn Fekete erkläre, wie man einen kalten Wickel macht«, wechselt Doktor Honig das Gesprächsthema. Feketes dummes Gesicht spannt sich in höchster Aufmerksamkeit. Jeden Satz des Doktors wiederholt er,

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