Oliver Hell Abschuss. Michael Wagner J.

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Oliver Hell Abschuss - Michael Wagner J. Oliver Hell

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Kollegen zählten auf ihre Meinung. Hell nickte.

      „Je früher desto besser.“

      „Klar, wie immer.“

      „Können Sie etwas über den Pfeil sagen?“, fragte Wendt, der bislang schweigend zugeschaut hatte.

      „Dazu kann ich etwas sagen. Soll ich es tun?“

      Sie blickte Wendt herausfordernd an. Der grinste nur und nickte zustimmend.

      „Er sieht aus wie ein Pfeil, wie ihn Jäger auf einer Armbrust verwenden. Aus Aluminium. Er steckt tief drin, also wurde er aus nicht allzu großer Entfernung abgeschossen.« Sie leuchtete mit ihrer Maglite den Toten ab. Dann fügte sie noch hinzu: »Diese Pfeile können aus bis zu 50 Metern abgefeuert werden.“

      Hell blickte sich um. Die Bäume standen hier sehr dicht. „Wenn ich mir das so ansehe, denke ich, der Pfeil hat ihn nicht hier getroffen. Ich vermute eher, er wurde woanders getroffen und ist noch bis hierher gekommen.“

      „Möglich“, antwortete sie auf die Analyse Hells, „Mit so einem Ding in der Brust läuft man nicht mehr sehr weit.“

      „Das wird die Spusi uns sagen können, wenn sie hier fertig sind.“

      Wendt schaute die ganze Zeit eher gelangweilt in der Gegend herum.

      „Können Sie was zum Eintrittswinkel sagen?“ Hell hatte sich neben die Leiche gebeugt.

      „Nein, solange wie ich nicht weiß, wo er getroffen wurde, kann ich es nicht mit Bestimmtheit sagen. Er sieht so aus, als hätte der Mann gestanden, als der Pfeil ihn traf.“

      „Ein Unfall?“, hakte Hell nach.

      „Ich arbeite dran.“

      Die Einsilbigkeit, mit der die Gerichtsmedizinerin ihre Antwort gab, machte Hell klar, dass sie genug Fragen gestellt hatten.

      Er fasste Wendt am Arm und zog ihn mit sich. »Lassen wir Frau Doktor Beisiegel arbeiten.«

      Die Gerichtsmedizinerin verabschiedete sich von den Beamten und sprach noch einige Anmerkungen auf das Band.

      Hell ordnete für den frühen Morgen eine Dienstbesprechung an. Auch die beiden anderen Teammitglieder sollten sich im Präsidium einfinden.

      *

      Das Büro, in dem die Dienstbesprechung stattfand, war klein. Höchstens vier mal sieben Meter. Die Diensträume im Präsidium an der Bornheimer Straße in Bonn hatten die besten Zeiten hinter sich. An einer der Längsseiten befanden sich Fenster. Eines davon hatte Wendt geöffnet, da es in dem Raum stickig und zu warm war. Auf Anordnung Hells er hatte das Briefing für die Kollegen übernommen.

      Hell wollte sich bewusst im Hintergrund halten.

      Auf der Pinnwand an der Kopfseite hatte Wendt die ersten Tatortfotos angeheftet. Ein großes Foto des Toten mit dem zur Seite geneigten Kopf hing ganz oben. Darunter Bilder, die den kompletten Fundort der Leiche abbildeten.

      Die Tische in dem Besprechungsraum standen in U-Form. Wendt hatte einen Platz an der Seite ausgewählt.

      Er sortierte die wenigen Informationen, die sich bisher zusammenstellen ließen. Die Kollegen Klauk und Meinhold waren bislang noch nicht eingetroffen. Also rief er die Frau an, mit der er die letzte Nacht bis zum Anruf Hells verbracht hatte. Er brach das Gespräch sofort ab, als er Hell im Türrahmen stehen sah.

      »Ich melde mich später, o. k.?«

      Sein Chef machte einen ratlosen Eindruck. Was Wendt gut erkannte, denn Hell fühlte, dass sie erst den Rand eines großen Ganzen tangiert hatten.

      „Irgendwie ist das alles merkwürdig, oder?“, richtete er den Fokus direkt auf den Fall

      „Merkwürdig? Was denken Sie, ist daran merkwürdig?“

      Hell warf seine Mappe auf den Tisch und ließ sich auf den Stuhl gegenüber von Wendt fallen.

      „Ich habe so einen leisen Verdacht, dass wir erst die Spitze des Eisberges vor uns sehen.“

      Wendt stand auf und schloss das Fenster, da er Mühe hatte Hells Antwort zu verstehen. Auf der Straße fuhr eine Kehrmaschine entlang.

      „Wendt hat hellseherische Fähigkeiten“, witzelte Hell und musste über sein Wortspiel schmunzeln.

      Es klopfte am Türrahmen. Sebastian Klauk trat ein und nahm mit einem gutgelaunten Gesicht Platz.

      „Guten Morgen allerseits“, sagte er. Der schlaksige, junge Mann war der jüngste im Team von Kommissar Hell. Er hätte ihn als einen durchschnittlichen Kriminalisten bezeichnet, der mehr Zeit auf seinen Sport verwendete, als sich um seine Karriere zu kümmern. Hell mochte eigentlich diese lockere Einstellung, wünschte sich aber manchmal, er hätte doch ein wenig mehr Ehrgeiz.

      „Das sind Fotos vom Tatort?“, fragte Klauk und betrachtete intensiv die Fotos, „Ich habe Christina eben auf dem Flur getroffen. Sie war auf dem Weg zur Spusi. Wir sollen schon einmal anfangen, hat sie gesagt.“

      Wie auf Stichwort öffnete sich die Tür erneut. Christina Meinhold stieß sie mit einer energischen Bewegung auf, und blieb direkt im Türrahmen stehen.

      „Wir haben einen Namen“, rief sie aufgeregt in die Runde, „Der Tote heißt Robert Lohse. Er ist aktenkundig wegen schwerer Körperverletzung. Das verraten uns die Fingerabdrücke. Er wohnt hier in Bonn. Und jetzt kommt’s: Die Kollegen von der Bereitschaft erhielten vorhin einen Anruf eines Nachbarn. Dort sei eingebrochen worden.“

      Meinhold schien beim Sprechen nicht zu atmen. Sie brauchte keinem der Anwesenden die Worte genauer zu erklären. Hell reagierte sofort.

      „Christina, Sie und Wendt fahren hin und sprechen mit dem Nachbarn. Quetscht ihn aus, was dieser Lohse für ein Typ war und wann er ihn das letzte Mal gesehen hat. Und so weiter. Wir verschieben das Briefing und treffen uns gegen Mittag hier wieder. Ich erkundige mich in der Gerichtsmedizin.“

      Meinhold gab Wendt ein Zeichen und sofort setzten sich die beiden in Bewegung.

      Es war neun Uhr. Hell holte sich einen Kaffee und setzte sich in sein Büro. Er schrieb die bisher gesammelten Fakten auf einen Zettel. Anschließend ging er zu Fuß herüber zur Gerichtsmedizin. Die frische Luft tat ihm gut. Mit dem Auto hätte er um die Uhrzeit in der Bonner Rushhour zu viel Zeit verloren. Er hoffte, beim Briefing neue Erkenntnisse von Doktor Beisiegel präsentieren zu können.

      *

      Als Wendt und Meinhold in der Straße eintrafen, in der Robert Lohse wohnte, war von der Bereitschaftspolizei noch niemand zu sehen. Wendt parkte den Mazda direkt vor Lohses Haus.

      „Der Nachbar heißt Kirchner. Er wohnt Parterre. Lohse wohnt über ihm, sagt er.“ Sie griff nach ihrer Waffe. Eine Angewohnheit. Wendt grinste.

      „Keine Angst, er liegt tot und kalt im Leichenschauhaus.“

      „Haha“, antwortete sie und schüttelte ihr braunes Haar zurecht.

      Wendt klingelte. Sofort wurde die Türe aufgerissen. „Polizei?“, fragte ein dünner Mann mit wirrem Haarschopf.

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