Oliver Hell Abschuss. Michael Wagner J.

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Oliver Hell Abschuss - Michael Wagner J. Oliver Hell

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suchen also einen Racheengel“, sagte Klauk, „Einer, der Tiere rächt.“

      „Das muss nicht so sein. Es kann auch einen völlig normalen Hintergrund haben. Nur weil wir hier in ein Nest von Perversen gefasst haben, ist das nicht zwingend notwendig.“

      Hell war nicht überzeugt, dass es hier nur um einen Fall von Rache ging.

      „Vielleicht hat ihn jemand getötet, den er erpresst hat. Auch an so etwas müssen wir denken“, sagte Wendt, „Diese Menschen leben sicher ständig auf dünnem Eis, da ist man schnell erpressbar.“

      „Wir müssen warten, bis die Bilder ausgewertet worden sind. Es kann ja sein, dass sich noch mehr Leute aus dem Buch im Strafregister finden.“

      Klauk scharrte bildlich gesprochen mit den Füßen. Ihm war sehr wohl aufgefallen, dass Hell seine beiden Kollegen zu Lohse geschickt hatte.

      „Also müssen wir warten, bis die etwas finden. Im Wald, bei Lohse in der Wohnung, in dem Buch.“

      „Ja, so ist es.“ Hell betrachtete seinen jungen Kollegen aufmerksam.

      Alles, was auf die ersten, gelähmten Augenblicke der Erschütterung folgte, war Warten. Klauk gefiel das nicht. Wie alle einfach strukturierten Menschen empfand er das Außergewöhnliche und völlig Unbequeme als ein Attentat gegen seine eigene Person.

      Klauk jedoch war intelligent genug, nicht darüber zu klagen, sondern Mittel und Wege zu finden, dem einen Sinn zu geben und deshalb war er Kriminalist. Nicht so ein brillanter Kopf, wie Hell oder Wendt es waren. Er funktionierte eher aus dem Bauch heraus. Seine beiden männlichen Kollegen waren Kopfmenschen, er war ein Bauchmensch. Daher war er in Hells Team.

      „Ich kümmere mich um sein Umfeld, Kollegen, Freunde, und so weiter. Das können wir im Moment tun. Ich muss etwas tun.“ Hell nickte und Klauk verließ den Raum.

      Kapitel 3

      Hell stand im Sektionskeller vor dem spiegelblanken Obduktionstisch. Mit sauberen Stichen hatte Beisiegel den ‚Y‘-Schnitt auf dem Brustkorb des Toten wieder vernäht.

      Lohses Organe lagen in polierten Aluminiumschalen auf dem Tisch nebenan.

      Kurze Zeit zuvor hatte Hell einen Anruf von Wendt erhalten. Der berichtete ihm mit wenigen, aber dafür aussagekräftigen Worten, was sie in Lohses Wohnung gefunden hatten.

      »Es ist so schlimm, das Christina eine Runde gekotzt hat!«, sagte er salopp.

      Hell kniff die Lippen zusammen, als er die Beschreibungen Wendts hörte. »Gut, wir sehen uns später«, antwortete er und teilte Dr. Beisiegel die neuesten Erkenntnisse mit.

      »Interessant, einen Sodomisten hatte ich auch noch nicht hier liegen«, sagte sie knapp.

      Es hatte immer etwas Frankensteinhaftes, dachte Hell, als er die Organe des Mannes betrachtete. Die Beleuchtung der OP-Strahler ließ den Leib grell erscheinen. Die Arme des Mannes lagen dicht an seinem Körper. Die Hände waren jetzt sauber, die Fingernägel gereinigt. Hell blickte auf den glatt rasierten Genitalbereich des Mannes. Beisiegel fing seinen Blick auf.

      „Er hat Verletzungen an seiner Eichel. Abschürfungen. Das muss höllisch wehgetan haben. Er hatte eine Creme aufgetragen zur Linderung. Tja, je nachdem, was man so alles vor die Kanone bekommt.“

      Sie trug ein gespielt mitleidiges Grinsen.

      „Ich versuche diesen Menschen erst mal als Opfer zu sehen, nicht als den Perversen, den schon alle in ihm sehen.“

      „Das ehrt sie, Herr Kommissar.“

      Sie strich mit einem feinen Kamm durch das Haar des Mannes. Hell hob die Brauen, ließ seinen Blick von dem Toten zu ihr herüberwandern. Er schätzte Frau Beisiegel sehr, manchmal war sie ihm allerdings zu flapsig, so wie in diesem Moment jetzt.

      „Soll ich Ihnen meine Ergebnisse verraten“, sagte sie und kämmte weiter das dichte Haar des Mannes.

      „Ich bitte darum, Frau Doktor.“

      „Der Tod ist zwischen ein und zwei Uhr nachts eingetreten. Er starb durch den Blutverlust, war allerdings nicht sofort tot. Der Pfeil hat die Herzkammer nur angeritzt, er ist innerlich verblutet. Außerdem hat er Abschürfungen an den Knien und an den Händen. Und er stand, als der Pfeil ihn traf. Da bin ich mir sicher.“

      Sie legte den Kamm und die kleine Schale auf den silbernen Tisch neben sich und hob den linken Arm des Opfers hoch, um Hell ihre Ergebnisse zu zeigen.

      »Er hat ihn leiden lassen, unser Mörder«, mutmaßte Hell und betrachtete die Abschürfungen an Lohses Hand.

      »Wundert Sie das?«, fragte sie und Hell las zwischen den Zeilen, dass auch die Doktorin keine Sympathien für Zoophile hegte.

      Hell antwortete nicht, also fuhr die Gerichtsmedizinerin fort: „Ich habe an der Hose allerhand Erde verschiedenster Art gefunden. Sie ist in der KTU. Er muss gekrochen sein. Die Tatsache, dass ich Erde über den Blutflecken gefunden habe, sagt mir, er war schon getroffen, als er weiter gekrochen ist. Das kann die KTU aber sicher besser belegen.“

      Hell sah vor seinem inneren Auge den Mann durch den Wald kriechen, irgendwo hinter ihm der Mann mit der Armbrust.

      Hat er gejammert? Hat er den Kerl verflucht?

      War er überrascht worden? Wenn ja, wobei? Das würden die Kollegen mit den weißen Overalls beantworten. Dieses Szenario hatte er nicht erlebt. Die Tatortermittler hatten einträchtig neben dem Toten auf dem Boden gekniet. Alles, was nach einer Spur aussah, wurde fotografiert. Alles, was nach Beweis aussah, in die großen Asservatentüten verpackt. Sie hatten den Tatort oder besser, den Fundort der Leiche weiträumig mit Flatterband abgesperrt und waren dann den Spuren Lohses gefolgt.

      Dabei hatten sie die Kreise um den Fundort der Leiche erweitert. Der Bus, der Spurensicherer stand auf einem Waldweg. Dort waren sie mittlerweile angekommen. Die Spuren führten weiter in Richtung der angrenzenden Weide. Die Kollegen hielten ihre Digitalkameras im Anschlag und platzierten die kleinen Dreiecke mit den Nummern neben den weiteren Spuren. Die Blitzlichter zuckten auf. Sie hatten heute einen langen Tag vor sich. Wenn sie hier fertig waren, wartete auch noch die Wohnung des Opfers auf sie. Schließlich wurde Lohses Leichnam abtransportiert.

      „Das sieht alles nach einer Jagd aus.“

      „Jawohl.“

      „Aber wer hält still, wenn einer mit einer Armbrust vor ihm steht? Da geht einer ein großes Risiko ein. Er darf nicht danebenschießen. Bis er das Teil wieder geladen hat, ist der andere an ihm dran und haut ihn um. Wie lange hat das Warten vor dem Schuss gedauert? Sekunden, Minuten, länger? Für den, der weiß, dass er gleich sterben soll, für den ist es eine Ewigkeit. Haben die beiden gesprochen oder war schon alles gesagt?“

      Sie schaute ihn an und fast durch ihn hindurch, ein typischer Beisiegel-Blick.

      „Wir brauchen diesen Jäger hier. Vielleicht hat er etwas bemerkt.“

      *

      Warten. Die Schattenseite der Ermittlungsarbeit. Warten auf die Ermittlungsergebnisse, warten auf

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