Dear Sister 1 - Schattenerwachen. Maya Shepherd
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Ich weiß, du musst mich für einen schrecklichen Menschen halten, weil ich einfach wortlos verschwunden bin. Aber mir hat sich eine Chance geboten, die ich mir unmöglich entgehen lassen konnte. Ich wollte das Leben mit all seinen Facetten und Farben spüren.
Doch das Leben ist nur halb so toll, wie ich es mir erträumt habe. Es gibt zu viele Schattenseiten. Du fehlst mir, Winter.
Mach dir keine Sorgen um mich. Unkraut vergeht nicht.
In Liebe,
Eliza
P.S.: Zeig den Brief nicht unseren Eltern. Sie würden es nicht verstehen.
Wütend zerknüllte ich den Brief und warf ihn in Richtung des Papierkorbs. Das war so typisch für sie! Nie um eine Ausrede verlegen und am Ende lud sie mir auch noch diese Bürde auf, obwohl wir uns nie besonders gut verstanden hatten. Wenn unsere Eltern davon erfuhren, dass ich ihnen einen Brief von Eliza verheimlichte, wäre am Ende ich die „Böse“, obwohl Eliza uns ohne ein Wort verlassen hatte. Ich konnte die Vorwürfe schon förmlich hören: Wie konntest du uns nur einen Brief deiner Schwester vorenthalten? Du weißt doch, wie große Sorgen wir uns um sie machen. Wir sind so enttäuscht von dir!
Dem Poststempel nach zu urteilen, trieb Eliza sich nun in Amerika herum. Scheinbar hatte sie nun auch die Schattenseiten des Lebens kennengelernt, doch was genau war ihr widerfahren, dass sie, die immer taffe Eliza, in diese Stimmung geriet und sich nach mir sehnte?
Eliza hatte es schon früher geliebt, sich in Rätseln auszudrücken und damit ihrem Gegenüber ein großes Geheimnis aufzugeben. Sie umgab sich mit Heimlichkeiten wie andere mit einer Parfümwolke. Eliza glaubte, das mache sie interessanter und wahrscheinlich hatte sie sogar recht damit, eine weitere Sache in der wir total gegensätzlich waren.
Der ganze Brief war eigentlich ein einziges Beispiel für Elizas Ignoranz unserer schwierigen Beziehung gegenüber. Nur ein einziger Satz ließ mich wirklich innehalten: Du fehlst mir, Winter.
Es war ganz und gar unüblich zwischen uns, dass wir der anderen sagten, dass sie uns fehlte. Sicherlich mochte ich meine Schwester irgendwie, aber wenn ich an Eliza dachte, fühlte ich nicht die Art von Sehnsucht wie man seine beste Freundin vermisste, wenn sie die Sommerferien in Spanien verbrachte. Ich vermisste es vielmehr mit jemandem zu streiten. Wir hatten zwar viel Zeit miteinander verbracht, das Resultat der einsamen Gegend, doch bestand zwischen uns keine Freundschaft oder gar enge schwesterliche Beziehung.
Wenn ich schlechte Laune gehabt hatte, war Eliza immer ein perfekter Prellbock gewesen – aber das beruhte auf Gegenseitigkeit. Selbst wenn sie nicht der Grund meiner schlechten Stimmung gewesen war, was tatsächlich eher selten vorkam, arteten die meisten unserer gemeinsamen Unternehmungen oder Gespräche sowieso in einem heftigen Streit aus, sodass ich darin immer ein Ventil für meine Gefühle fand.
Doch überkam Eliza in der Ferne tatsächlich so etwas wie Heimweh oder gar Schuldgefühle?
Selbst wenn, das war nun wohl ihr Problem. Schließlich hatte sie die Entscheidung getroffen, einfach abzuhauen und ihrer Familie den Rücken zu kehren. Spätestens in zwei Wochen würde sie ohnehin reumütig bei unseren Eltern anrufen und sie um Geld anbetteln. Der Brief an mich war nur der erste Vorbote. Wer weiß, vielleicht erwartete sie sogar, dass ich unseren Eltern den Brief zeigte, gerade weil sie mich darum gebeten hatte, es nicht zu tun, doch den Gefallen tat ich ihr nicht.
2. Winter
Am Freitagmorgen war der Leichenfund im Wald nach wie vor das alles beherrschende Gesprächsthema in der Schule. Die Neuigkeit des Tages war, dass es sich bei der Leiche nicht, wie angenommen, um eine Schülerin aus Wexford handelte, sondern, dass das sechszehnjährige Mädchen vor einer Woche in London verschwunden war. Ihre Eltern hatten sie erst am Vortag des Mordes als vermisst gemeldet. Offenbar war es nichts Ungewöhnliches, dass sie für ein paar Tage nichts von ihr hörten, was mich an meine Schwester denken ließ. Aber länger als drei Tage war sie noch nie weggeblieben und deshalb hatten ihre Eltern sich schließlich doch dazu entschlossen, zur Polizei zu gehen. Es muss ein Schock für sie gewesen sein, bereits einen Tag später die Meldung zu bekommen, dass ihre Tochter nie nach Hause zurückkehren würde. Obwohl Eliza nun schon seit Monaten verschwunden war, wäre der Fund ihrer Leiche für meine Eltern nicht weniger schlimm, als wäre sie erst einen Tag weg gewesen.
So schockierend diese grausige Tat auch war, so zeigten sich die Bewohner von Wexford doch gleichzeitig irgendwie erleichtert darüber, dass die Tote nicht aus ihrer Stadt stammte. Der Mord war zwar hier verübt worden, aber da das Mädchen aus London kam, lag der Verdacht nahe, dass ihr Mörder ebenfalls nicht aus der Gegend kam. Vielleicht war Wexford nur rein zufällig zum Schauplatz eines Ritualmordes geworden? Dass nun jedoch London mit der Tat in Verbindung gebracht wurde, machte die Sache für mich nicht wirklich besser - ganz im Gegenteil. Denn genau dorthin war ein Klassenausflug samt Übernachtung für die nächste Woche geplant gewesen. Nun waren alle Lehrer in Sorge und überlegten, den Ausflug zu verschieben oder sogar ausfallen zu lassen. Nicht, dass ich viele Freunde in meiner Klasse gehabt hätte und wild darauf gewesen wäre, Zeit mit ihnen zu verbringen, aber ich war dankbar um jede Gelegenheit, die mir eine Chance bot, für wenigstens ein paar Stunden unserer tristen Graslandschaft zu entkommen. Und mal ehrlich, in einer Großstadt wie London verschwanden sicher täglich Mädchen. Dies war dort wohl keine Ausnahme und so auch kein unmittelbarer Grund, den Ausflug abzusagen.
Meine Klassenkameraden waren da glücklicherweise ganz meiner Meinung. Unser Klassensprecher und gleichzeitig auch Klassenclown Carson protestierte am lautesten: „Gerade jetzt sollten wir nach London fahren. Dort fallen wir viel weniger auf, als hier wie verängstigte Schafe auf den Mörder zu warten.“
Mrs. Kelly hatte vor wenigen Jahren ihr Lehramtsstudium beendet. Wir waren ihre erste eigene Klasse und demnach scheute sie sich vor jeglicher Gefahr und jeder Art von Diskussion, die außerhalb ihres Lehrplans stattfand. Auch jetzt fühlte sie sich sichtlich unwohl. Kopfschüttelnd schob sie ihre schwarze Brille auf ihrer Nase zurecht. „Ich kann das nicht alleine entscheiden. Darüber muss ich erst mit dem Direktor sprechen.“
Carson hatte kein Mitleid mit ihr: „Kommen Sie schon, Mrs. Kelly. Wenn Sie dafür sind, hat der Direktor auch nichts dagegen. Sie sind doch unsere Klassenlehrerin, Sie müssen sich für uns einsetzen!“
Mrs. Kelly dachte verzweifelt über seine Worte nach und wog das Für und Wider ab, so wie sie es wahrscheinlich in ihrem Pädagogikkurs an der Universität gelernt hatte. „Ich werde darüber nachdenken“, antwortete sie schließlich vage.
Meine Tischnachbarin Dairine stupste mich leicht mit dem Ellbogen an. „Was hältst du von einer Wette? Gibt die Kelly nach oder hat sie zu viel Schiss?“
Ich legte den Kopf leicht schief und betrachtete Mrs. Kellys ängstliches und verzweifeltes Gesicht. „Sie ist ein Angsthase.“
„Du glaubst also, aus London wird nichts?“
„Du weißt doch, ich bin Pessimistin.“
„Ich nicht. Ich sage, sie hat größere Angst vor Carson und der Meute als vor einem Mörder in London“, grinste Dairine mit einem siegessicheren Lächeln.
„Was ist der Wetteinsatz?“
„Ein