Dear Sister 1 - Schattenerwachen. Maya Shepherd
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Dear Sister 1 - Schattenerwachen - Maya Shepherd страница 6
Ich fühlte mich ertappt. Vielleicht war es so. Und wenn schon, Eliza war meist eine schreckliche Schwester gewesen. Gerade dafür, dass sie auch noch die Ältere von uns beiden war. Sie hätte mir ein Vorbild sein sollen. Sie hätte auf mich aufpassen sollen. Stattdessen hatte sie mir häufig nur Probleme gemacht. Alles in meinem Leben drehte sich immer nur um sie. Selbst jetzt, wo sie weg war oder gerade weil sie weg war.
Ich streichelte Lucas versöhnlich über den nackten Oberarm. „Vielleicht hast du recht. Ich hätte mir mehr Gedanken darüber machen sollen. Es tut mir leid.“
Ich wollte ihn gerade auf die Wange küssen, da drehte er seinen Kopf weg.
„Ich gehe jetzt lieber wieder rüber“, sagte er hart und griff nach seinem T-Shirt, welches hinter mir auf dem Bett lag. Ich hielt ihn an seinem Unterarm fest.
„Bitte geh nicht!“, bat ich ihn, während ich in Unterwäsche vor ihm saß. Das durfte er mir nicht antun. Heute sollte doch die Nacht der Nächte sein. Unsere Nacht. Er zögerte einen Moment, dann sah er mir entschuldigend in die Augen und ich wusste, dass ich verloren hatte. Also ließ ich ihn sein T-Shirt nehmen und blickte stattdessen zu Boden, um die Tränen in meinen Augen zu verbergen.
„Mir tut es auch leid“, sagte Lucas und küsste mich auf den Kopf, so wie meine Eltern zuvor. Dann ging er. Ich saß wie erstarrt da, bis ich die Tür ins Schloss fallen hörte. Dann ließ ich endlich meinen Tränen freien Lauf und schmiss mich laut schluchzend auf das zerwühlte Laken. Dass nun mein ganzes Bett nach Lucas roch, machte es nicht besser. Ich hasste meine Schwester. Obwohl sie nicht da war, zerstörte sie mein Leben. Sie war wie ein Fluch, der ständig über mir schwebte. Immer, wenn es gerade gut lief, schlug sie zu.
3. Winter
Es kam zwar selten vor, dass ich mit meiner Einschätzung falsch lag, aber wenn, dann war ich meistens ganz glücklich darüber. Denn letztendlich war ich froh, dass ich mit meiner generell negativen Einstellung nicht immer ins Schwarze traf. So war es auch mit der Wette zwischen Dairine und mir gewesen. Der Ausflug nach London fand statt. Gerade jetzt kam er mir mehr als recht. Nach dem verpatzten Freitagabend mit Lucas hatten wir uns das ganze Wochenende nicht gesehen, was fast an ein Wunder grenzte, wenn man bedachte, dass wir nebeneinander wohnten. Doch ich konnte ihm nicht mehr in die Augen sehen, nachdem er mich nur mit Unterwäsche bekleidet hatte sitzen lassen. Deshalb hatte ich mich auch die ganze Zeit im Haus verbarrikadiert. Mum merkte zwar, dass es mir nicht gut ging, aber sie schob es darauf, dass ich Eliza wohl sehr vermisste - so wie sie alle. Von wegen! Wenn es nach mir ging, konnte sie ruhig noch ein paar Jahre oder auch für immer in Amerika bleiben. Ich war mir ziemlich sicher, dass nicht der geringste Grund bestand, sich Sorgen um sie zu machen, auch wenn der Brief und Elizas Andeutungen zugegebenermaßen seltsam gewesen waren.
Aber Eliza ging es eigentlich immer gut, egal wo sie war, daran hatte ich keinen Zweifel.
Am Donnerstagmorgen fuhren wir erst mit dem Bus nach Dublin, um von dort aus mit der Fähre nach Liverpool überzusetzen. Danach ging es weiter mit dem Zug. Wir erreichten London und die Jugendherberge erst am späten Vormittag. Während der Großteil von uns am liebsten sofort in die Oxfordstreet zum Shoppen aufgebrochen wäre, hatte sich Mrs. Kelly ein straffes Kulturprogramm überlegt. Sie schleifte uns erst zum British Museum, danach in die National Gallery, wobei Carson nichts Besseres zu tun hatte, als ständig hinter ihrem Rücken Grimassen zu schneiden und sich dabei auch noch fotografieren zu lassen. Das hatte zur Folge, dass Mrs. Kelly permanent den Faden verlor und anfing zu stottern wie eine Erstklässlerin. Sie konnte einem nur leidtun. Nach einer letzten Führung durch den Buckingham Palace gab sie endlich auf und fuhr mit uns zurück in die Jugendherberge. Nachdem wir unser weniges Gepäck ausgepackt hatten, stürmten die anderen wie eine Horde wildgewordener Tiere aus dem Gebäude. Es herrschte die typische Klassenfahrtstimmung: eine Mischung aus Aufregung, pubertären Hormonen und zu geringem Selbstwertgefühl. Während die meisten meiner Mitschüler die Angewohnheit hatten, in einer großen Gruppe besonders laut und prahlend zu sein oder bei jedem zweiten Satz loszukichern, hielt ich mich noch mehr zurück als sonst. Ich mochte es nicht, im Mittelpunkt zu stehen und tat alles, um es zu vermeiden.
„Wollen wir uns von den anderen absetzen?“, fragte Dairine, als hätte sie soeben meine Gedanken gelesen. Erleichtert nickte ich. Während unsere Mitschüler die Oxfordstreet entlangstürmten, bogen wir in eine der weniger besuchten Seitenstraßen ab. Dairine hielt vor einem kleinen Café mit Plastikstühlen und einer ehemals weißen, jetzt eher grauen Markise. Der Himmel sah nach Regen aus.
„Kaffee?“
„Warum nicht?“, zuckte ich desinteressiert mit den Schultern. Wir waren die einzigen Besucher in dem Café, sodass ich freie Platzwahl hatte. Deshalb setzte ich mich mitten unter die Markise, um so vor dem Regen geschützt zu sein. Dairine kam zwei Minuten später mit zwei dampfenden Pappbechern zurück. Sie drückte mir einen davon in die Hand.
„Wolltest du Milch oder Zucker?“
Der Kaffee war schwarz, genau so, wie ich ihn mochte. „Nein, schwarz ist perfekt.“
Dairine prostete mir mit ihrem ebenfalls schwarzen Kaffee zu. „Auf unsere schwarzen Seelen.“
Obwohl wir uns nun schon seit einigen Jahren kannten, fiel mir diese Gemeinsamkeit erst jetzt auf.
„Ich hoffe, du hast meinen Cocktail nicht vergessen“, erinnerte sie mich neckend.
„Würde ich nie wagen. Weißt du schon, in welchen Club du gehen willst? Die anderen wollen sicher auch irgendwohin.“
„Willst du dich ihnen denn anschließen?“, fragte Dairine und ich hörte schon an ihrer Tonlage, dass sie davon nur wenig begeistert wäre und überrascht war, dass ich überhaupt auf die Ideen zu kommen schien.
„Sehe ich aus, als wollte ich mich blamieren?“
Sie begann zu lachen. „Wie gut, dass wir uns gefunden haben. Ohne dich würde ich es mit den ganzen Chaoten nicht aushalten.“ So viel Zuneigung war für sie genauso ungewöhnlich wie für mich. Zwar wussten wir beide, wie froh wir waren, dass es die andere gab, aber wir sagten es uns sonst nie.
Ich lächelte sie schweigend an.
„Auf jeden Fall keine Großraumdisco“, griff Dairine das Thema wieder auf, bevor das Schweigen peinlich werden konnte.
„Eher ein kleiner Club, etwas abseits“, stimmte ich ihr zu.
„Wir verstehen uns“, grinste sie. „Wenn du mir jetzt noch erlaubst, dir ein bisschen Farbe ins Gesicht zu bringen, würde ich dich fast mal mit nach Colorado nehmen.“ Das war wohl schon fast als Kompliment zu werten.
Dairine arbeitete nach der Schule in einem Supermarkt in Wexford. Sie sparte ihren ganzen Verdienst, um sich damit so oft wie möglich einen Flug in ihre Heimat leisten zu können. Dort besuchte sie dann immer ihre richtigen Freunde, wie sie sagte. Sie hatte ihr Leben und ich meins, das war auch gut so.
Dairine hatte über ihr Handy einen kleinen Club in einer Parallelstraße des Picadilly Circus gefunden. Er nannte sich Black Rabbit und galt als Geheimtipp für Liebhaber der ruhigen Töne. Wir brachen um elf Uhr von der Jugendherberge auf. Wir hatten extra gewartet, bis die anderen alle verschwunden waren, um uns nicht einmal