Dear Sister 1 - Schattenerwachen. Maya Shepherd

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Dear Sister 1 - Schattenerwachen - Maya Shepherd

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dann brauchst du doch auch keinen Cocktail zu zahlen“, grinste mir Dairine frech entgegen. Sie war meine einzige Freundin. Wenn man das, was uns beide verband, überhaupt als Freundschaft und nicht eher als Zweckgemeinschaft bezeichnen konnte. Ich hatte mich noch nie außerhalb der Schule mit ihr getroffen. Ich wusste nicht einmal, welche Hobbys sie hatte und ehrlich gesagt, hatte es mich auch nie interessiert. Meine Freizeit hatte ich schon immer mit Lucas und Eliza, sofern sie uns mit ihrer Anwesenheit beehrte, verbracht. Dairine erging es da ähnlich. Sie war vor drei Jahren mit ihrer Familie aus Colorado hierhergezogen. Sie sprach nicht nur anders als wir, sondern sah auch anders aus. Während unsere Schuluniformen alle akkurat gebügelt und gefaltet waren, peppte Dairine sie mit Buttons von mir unbekannten Rockbands und neonfarbenen Bändern auf. In ihren Haaren trug sie verschiedenfarbige Kunsthaarsträhnen. Man erkannte sie schon von Weitem wie ein leuchtender Stern. Viele glaubten deshalb, dass sie sich für etwas Besseres hielt oder verstanden sie schlicht nicht. Auch ich konnte Dairines Gedankengänge oft nicht ganz nachvollziehen, aber es war wohl normal, dass sich zwei Außenseiter zusammenschlossen. Wie hieß es so schön? Zusammen war man weniger allein - zumindest schien es so.

      Am Abend machten sich meine Eltern fertig, um wie jedes Jahr an diesem Tag auszugehen. Es war der fünfundzwanzigste Oktober: Ihr Jahrestag und damit der einzige feierliche Anlass, an dem sie ohne mich und Eliza das Haus verließen. Wegen ihrer Sorgen um meine Schwester hatten sie ihn dieses Jahr eigentlich ausfallen lassen wollen. Eliza war nun schon seit einem halben Jahr verschwunden.

      „Ich werde mich nicht amüsieren können, solange ich nicht weiß, wie es Eliza geht“, hatte meine Mutter traurig gesagt.

      „Sie wird nicht ausgerechnet heute wiederkommen. Und selbst wenn, wird sie dann auch noch da sein, wenn ihr von eurem Rendezvous zurückkommt“, hatte ich erwidert, in der Hoffnung, dass sie mir glaubte.

      Es war stunden- und tagelange Schwerstarbeit gewesen, sie zu überzeugen. Doch sobald ich meine Mutter überredet hatte, war Dad ein Kinderspiel gewesen. Er richtete sich grundsätzlich nach meiner Mum.

      Sie standen in ihrer nobelsten Kleidung vor mir und taten so, als würden sie für einen ganzen Monaten verreisen und nicht nur für zwei Stunden in die Stadt fahren.

      „Wir schließen gleich die Haustür ab, aber denke bitte daran, sie noch einmal zu kontrollieren, bevor du ins Bett gehst.“

      Ich nickte brav, um die Belehrungen so schnell wie möglich hinter mich zu bringen.

      „Kommt Lucas rüber?“

      Wieder ein Nicken.

      „Trinkt keinen Alkohol!“

      Ich verdrehte die Augen. Lucas und Alkohol, guter Witz! „Nein, machen wir nicht.“

      „Und wenn Eliza sich meldet, rufst du uns sofort an.“

      „Natürlich!“ Sie erwarteten nach wie vor, dass meine Schwester jede Sekunde anrufen könnte. Sollte sie tatsächlich anrufen, würde ich ihr sagen, dass sie das letzte, verantwortungsloseste Miststück war und sofort wieder auflegen. Es würde tatsächlich zu ihr passen, ausgerechnet heute anzurufen und unseren Eltern damit den Abend zu versauen. Rücksichtslos und egoistisch waren Eigenschaften, die meine Schwester gut beschrieben. Wobei, für meine Eltern wäre es wohl ein Grund zur Freude. Als würden Weihnachten und Geburtstag zusammenfallen.

      „Wir bleiben nicht lange weg, Schatz. Wenn du Angst bekommst, kannst du uns natürlich auch jederzeit anrufen.“

      Ich stöhnte genervt auf. Ich war weder fünf noch alleine. Von mir aus hätten sie die ganze Nacht wegbleiben können, denn ich hatte meine eigenen Pläne. Pläne mit Lucas, von denen er genauso wenig wusste wie meine Eltern.

      „Mum, ich bin schon ein großes Mädchen.“

      „Für uns wirst du immer unsere kleine Prinzessin bleiben“, säuselte Dad, streichelte mir übers Haar und gab mir einen Kuss auf den Kopf. Mum tat es ihm nach. Seit Eliza weg war, waren sie noch besorgter und rührseliger als ohnehin schon.

      „Geht jetzt bitte, bevor es noch peinlicher wird.“

      Sie lachten beide und verließen endlich, endlich, ENDLICH das Haus. Ich wartete bis ich ihr Auto auf die Straße abbiegen sah, erst dann rief ich Lucas an.

      „Sie sind weg, kommst du rüber?“

      „Ich bin noch nicht mit den Mathehausaufgaben fertig.“

      Mein kleiner Streber! „Die kannst du auch noch morgen oder Sonntag machen.“

      „Ich mache sie aber lieber erst zu Ende. Hast du deine Hausaufgaben denn schon alle gemacht?“

      „Nein ...“ Selbst wenn ich vorgehabt hätte, sie zu machen, war ich dafür im Moment viel zu nervös.

      „Soll ich dir helfen?“

      Würde er wohl schneller zu mir kommen, wenn ich ja sagte? „Das wäre lieb.“

      „Okay, ich beeile mich, damit ich schnell bei dir bin.“

      „Danke, du bist ein Schatz!“, flötete ich ins Telefon.

      „Ich hab dich lieb.“

      Ich hasste es, wenn er das sagte. Wie ein kleiner netter Junge. So etwas sagte man zu seinen Eltern oder der besten Freundin, aber nicht zu seiner festen Freundin. Trotzdem erwiderte ich: „Ich dich auch. Bis gleich!“

      Ich wünschte er würde endlich Ich liebe dich sagen, aber vielleicht würde er das nach dem heutigen Abend ja.

      Schnell holte ich den Beutel mit den Teelichtern aus dem Eichenschrank im Wohnzimmer hervor und flitzte ins obere Stockwerk. Ich hatte mein Bett bereits frisch bezogen. Nun verteilte ich die Teelichter im ganzen Zimmer und ließ nur einen schmalen Weg zu meinem Bett frei. Es waren genau hundert Stück. Auf Knien krabbelnd, zündete ich eins nach dem anderen an. Danach griff ich in meinen Kleiderschrank und zog das schwarze Minikleid hervor, das ich mir extra für diesen Anlass gekauft hatte. Es war das einzige Kleid in meinem Schrank und sah mehr nach Eliza als nach mir aus, aber es war perfekt für diesen Abend. Mit dem Kleid lief ich ins Badezimmer und streifte mir meine Jeans und das graue T-Shirt vom Körper. Auch meine Unterwäsche wechselte ich eilig. In schwarzem String und passendem Spitzen-BH blickte ich in den Spiegel. Das war die Nacht der Nächte. Heute sollte es passieren. Ich war bereit dafür. Mehr als bereit. Und Lucas war der einzig Richtige dafür. Ich hatte immer gewusst, dass er es einmal sein würde, daran bestand gar kein Zweifel.

      Meine Wangen glühten rosig und ich strich mir grinsend eine meiner kupferfarbenen Haarsträhnen hinters Ohr, nur um im nächsten Moment meine Haare schwungvoll über den Kopf zu werfen. Sie waren so glatt wie die Bluse meiner Schuluniform. Ich hatte mir schon immer eine wilde Lockenmähne gewünscht, aber selbst die Versuche, sie mit dem Lockenstab zu bearbeiten, waren erfolglos geblieben. Also würde ich mich wohl mit meinem Los abfinden müssen.

      Als es endlich an der Tür klopfte, stieg ich noch schnell in die schwarzen Pumps von Eliza und stolperte damit die Treppe hinunter. Mein Herz schlug bis zum Hals. Schwungvoll riss ich die Tür auf. Da stand er. Sein blondes Haar war wie immer unter einer grauen Wollmütze verborgen und seine Hände steckten in den Hosentaschen seiner Jeans. Lucas sah mich mit großen Augen an. Ich hatte mir schon beim Kauf des Kleides vorgestellt, mit welcher Begeisterung und Vorfreude er mich betrachten würde. Doch jetzt sah sein Blick eher panisch als begeistert aus.

      „Wie

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