Dear Sister 1 - Schattenerwachen. Maya Shepherd
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Von der Haltestelle der U-Bahn aus waren es laut Dairines Handy noch fünfzehn Minuten bis zu der Bar. Sie führte uns von einer Seitenstraße zur nächsten, bis uns der Club nur zufällig anhand eines schwarzen Schildes mit weißer Schrift auffiel. Einst hatten die Buchstaben mal geleuchtet, doch heute flackerte nur noch abb von Rabbit schwach vor sich hin. Das Schild führte in einen düsteren Kellereingang.
„Und das ist echt ein Geheimtipp?“, fragte ich skeptisch. Der Schuppen erschien mir eher wie der Marktplatz für krumme Geschäfte jeglicher Art.
Dairine zuckte mit den Schultern. „Stand so im Internet.“
„Mir ist das hier nicht ganz geheuer. Lass uns wieder gehen.“
„Wir waren doch noch nicht einmal drinnen. Lass uns wenigstens mal reinschauen, wenn es uns nicht gefällt, können wir immer noch abhauen.“
„Wenn wir überhaupt reinkommen. Die müssen nur einmal nach unseren Ausweisen fragen und schon hat es sich sowieso erledigt“, gab ich ängstlich zu bedenken.
Dairine grinste mich frech an. „Du benimmst dich ja schon wie Mrs. Kelly. Vielleicht hättest du dich lieber mit ihr unter dem Bett verstecken sollen.“
„Haha“, maulte ich genervt. „Für mich sieht das jedenfalls wie der perfekte Ort für einen Mörder aus, um sein nächstes Opfer auszuwählen.“
„Jetzt übertreib nicht“, wies mich Dairine zurecht, nahm meinen Arm und zog mich die dunkle Treppe hinunter zu der grauen Stahltür. Sie war nur angelehnt und aus dem Inneren drang die Melodie eines langsamen Gitarrensongs.
Bevor ich die Flucht hätte ergreifen können, drückte Dairine die Tür auf und trat hinein. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. Kein Türsteher weit und breit! Ich fühlte mich wie ein verängstigtes Dorfmädchen, während Dairine zielstrebig hinter dem schweren Samtvorhang hervortrat. Es gab etwa ein Dutzend kleiner runder Tische und eine Bank, die rund um die Bar verlief. Dort saßen vielleicht vier Personen, die sich still miteinander oder dem Barkeeper unterhielten. Auf der kleinen Bühne stand ein Mann in schwarzer Lederkleidung und langen braunen Haaren und spielte auf seiner Gitarre, während er der Welt von seinem grausamen Schicksal vorsang. Es lebe das Selbstmitleid!
Ich musste jedoch zugeben, dass die Stimmung ganz angenehm war. Kein lautes Geschrei, kein Gekicher, keine Bässe, die einem das Trommelfell wegsprengten und keine aufdringlichen Flirtversuche betrunkener Halbwüchsiger. Wir wählten einen Tisch, von dem aus wir die Bühne gut betrachten konnten. Kaum dass wir saßen, kam auch schon eine Bedienung mit kurzem schwarzem Stoppelhaar.
„Was darf es für euch sein, Mädels?“
„Sie schuldet mir einen Cocktail“, erwiderte Dairine und deutete dabei auf mich, ungehindert dessen, dass wir nie im Leben als einundzwanzig durchgingen.
„Was für einer soll es denn sein?“, fragte die Bardame jedoch ungerührt. Offenbar nahm man das Gesetz hier nicht allzu genau.
Ich kannte mich nicht aus und sah deshalb Hilfe suchend zu Dairine, doch sie blickte wie gebannt auf die Bühne.
„Was kannst du uns denn empfehlen?“
„Die Grinsekatze ist unsere Spezialität.“
„Dann nehmen wir den zweimal.“
Die Grinsekatze war ein schwarzes Getränk, das in tiefen Gläsern serviert wurde, bei denen die Oberfläche der Flüssigkeit mit blauen Flammen bedeckt war. Der Drink sah nicht nur gefährlich aus, sondern war es auch. Ich wollte lieber gar nicht wissen, woraus er bestand. Skeptisch pustete ich die Flammen aus und nahm den ersten Schluck. Erstaunlicherweise schmeckte es viel besser, als ich gedacht hatte. Irgendwie nach Lakritz.
Wir unterhielten uns ein wenig, bis der Gitarrist seine Show beendete und einen Platz an der Bar einnahm. Mittlerweile hatte sich der Laden etwas gefüllt und die nächsten Künstler betraten die Bühne. Dieses Mal war es eine richtige Band.
„Ich finde den Gitarristen echt scharf. Hast du etwas dagegen, wenn ich mich kurz zu ihm an die Bar setze? Nur Nummern austauschen und so.“ Sie sah mich bittend an. Eigentlich war es mir nicht recht, dass sie mich alleine an unserem Tisch zurücklassen wollte, aber ich wollte auch keine Spaßbremse sein und eigentlich fühlte ich mich seit der Grinsekatze auch seltsam gelöst.
„Geh ruhig“, antwortete ich deshalb und wendete meinen Blick bereits von ihr ab. Ich sah der Band weiter beim Aufbau ihrer Instrumente zu.
Als mein Glas leer war, bestellte ich mir noch ein zweites. Es schmeckte nicht nach Alkohol und würde daher schon nicht zu stark sein. Die Band begann zu spielen. Es war eine schnelle und laute Musik, die ich normalerweise verabscheut hätte. Aber heute drang der Rhythmus geradezu in meinen Körper ein und ließ mich im Takt mitwippen. Offenbar handelte es sich bei der Band um eine Art Hauptakt, denn plötzlich war der Club so voll, dass ich von meinem Platz aus nichts mehr sehen konnte, weder die Band noch Dairine an der Bar. Ich stand auf, um nach ihr zu sehen. Erst da bemerkte ich, wie zittrige meine Beine waren. Sie fühlten sich an wie Gummi und ich konnte mich kaum darauf halten, ohne zu schwanken. Vorsichtig drängte ich mich durch die Menge und war froh, als ich die Bar endlich erreicht hatte. Um mich herum schien sich alles zu drehen und ich musste mich richtiggehend konzentrieren, um scharf sehen zu können. Es war wie eine endlose Karussellfahrt. Dairine stand nicht mehr an der Bar. Nur der Gitarrist war noch da und blickte neugierig in meine Richtung. Ich klammerte mich an den Tresen, während ich auf ihn zuwankte.
„Hey, alles okay bei dir? Du siehst nicht gut aus“, erkundigte er sich freundlich. Ich starrte ihm ins Gesicht und versuchte zu erkennen, was er für eine Augenfarbe hatte, aber alles verschwamm vor meinen Augen zu einem einzigen beigefarbenen Strudel.
„Wo ist meine Freundin?“, stieß ich hervor. Was war denn nur los mit mir?
„Kurz auf die Toilette. Möchtest du vielleicht ein Glas Wasser?“
Ohne ihm zu antworteten, tastete ich mich an der Wand entlang in die Richtung, in der ich die Toiletten vermutete. Ich stieß die erste Tür auf und kippte förmlich in das Innere. Vor mir breiteten sich schwarz-weiße Fliesen aus, die mich an ein Schachbrett erinnerten. War ich hier richtig?
Ein lauter Aufschrei riss mich aus meinen Gedanken.
„Verfolgst du mich etwa?! Ich habe dir bereits gesagt, dass es mir leidtut.“
„Das reicht nicht“, zischte eine männliche Stimme voller Wut.
„Was erwartest du von mir? Soll ich Selbstmord begehen?!“, erwiderte die Frau ungerührt. Ihre Stimme kam mir so vertraut vor. Die Art, wie sie sprach, vermittelte das Gefühl, als wäre ihr der andere gleichgültig und nicht einmal würdig, dass sie ihm ihre Aufmerksamkeit schenkte. Hochnäsig und arrogant. Ich kannte nur eine Person, die in der Lage war, ihrem Gegenüber derart das Gefühl zu geben, nichts wert zu sein.
Ich tastete mich vorsichtig vorwärts, um die beiden Personen sehen zu können.
„Selbst das wäre nicht genug.“
„Was willst du dann von mir, verdammt noch mal?“, schrie die Frau aufgebracht und ich hörte, wie sie mit der Hand auf ihn einschlug.
„Von dir? Rein gar nichts. Du bist nicht mehr wert als der Dreck unter deinen Fingernägeln.