Dear Sister 1 - Schattenerwachen. Maya Shepherd
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Ich sah ihn skeptisch an. Das war typisch für Lucas! Er hatte Eliza schon immer verteidigt. „Das glaubst du doch selbst nicht.“
„Doch!“, rief Lucas überzeugt aus. „Wer weiß, vielleicht ist Eliza sogar seinetwegen abgehauen?“
Eliza hatte Kevin nicht mit einem Wort in ihrem Brief erwähnt und es sah meiner Schwester auch nicht im Geringsten ähnlich, sich von jemandem in die Flucht schlagen zu lassen. Ich schüttelte ungläubig den Kopf.
Wir waren mittlerweile vor meinem Kursraum angekommen. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es in zehn Minuten zur Pause klingeln würde. „Lass uns in die Stadt gehen“, schlug ich Lucas vor.
Er sah mich entsetzt an. „Und was ist mit der Schule?“
„Lass uns schwänzen und lieber einen Kaffee trinken. Das haben wir uns nach der Befragung definitiv verdient.“
Lucas wirkte verunsichert und ließ meine Hand los. „Wir können nach der Schule immer noch einen Kaffee trinken gehen.“
Ehe ich etwas erwidern konnte, klopfte er für mich gegen die Tür des Klassenzimmers.
„Ich hol dich ab“, sagte er, gab mir einen Kuss auf die Wange und ließ mich mit einem letzten Zwinkern zurück. Geknickt schlurfte ich enttäuscht auf meinen Platz. In solchen Momenten hasste ich Lucas‘ Verantwortungsbewusstsein. Ich hatte noch nie geschwänzt, aber das lag einzig und alleine daran, dass Lucas mich jedes Mal davon abhielt. Bei Eliza hatten seine Worte jedoch nie Wirkung gezeigt. In ihrem letzten Halbjahr hatte sie mehr gefehlt, als dass sie anwesend gewesen war.
Dairine blickte mich fragend an und ich zuckte mit den Schultern. Es gab nichts zu erzählen. Ich wollte mit ihr nicht über Eliza reden. Nachdenklich drehte ich meinen Kopf zum Fenster und blickte auf den vollen Parkplatz hinunter. Einige der älteren Schüler hatten ein eigenes Auto. Ich beneidete sie darum und zählte schon jetzt die Tage bis zu meinem achtzehnten Geburtstag: 135.
Eines der Autos fuhr plötzlich aus einer Parklücke. Das war ungewöhnlich, immerhin war der Unterricht noch nicht vorbei. Zudem war das Auto ein gelber Sportwagen. Es hätte sich schon längst rumgesprochen, wenn einer der Lehrer oder gar einer der Schüler mit so einer Luxuskarosse fahren würde. Ich beobachtete das Auto weiter und ließ sofort meinen Stift fallen, als ich die Fahrerin erkannte: Eliza.
Das Auto fuhr gerade aus der Ausfahrt und bog auf die Straße ab, als ich die Lehrerin meinen Namen rufen hörte.
„Miss Rice, würden Sie bitte aufhören, aus dem Fenster zu starren!“
Ich drehte mich wie in Trance zu ihr um und sie verstummte sofort. „Geht es Ihnen nicht gut? Sie sind ganz blass!“
Ich schüttelte den Kopf und stürmte aus dem Klassenzimmer. Das konnte unmöglich ein Zufall gewesen sein! Erst in London und jetzt hier - Es musste Eliza sein!
Dairine kam mir hinterher und ließ sich neben mir auf der Treppe vor dem Schuleingang nieder. „Was ist denn nur los mit dir?“, fragte sie besorgt. „Erst kippst du in London um und jetzt verlässt du fluchtartig das Klassenzimmer. So kenn ich dich gar nicht.“
Ich seufzte und ließ meinen Kopf auf meine angewinkelten Knie sinken. Wie sollte ich ihr nur begreiflich machen, was mir zurzeit im Kopf herumging? Dairine hatte mir schon in London nicht geglaubt. Würde es etwas ändern, wenn ich jetzt schon wieder behauptete, meine verschollene Schwester gesehen zu haben? Oder würde sie mich dann erst recht für verrückt erklären? Aber lieber würde ich mit ihr als mit Lucas über meine Schwester reden, der ohnehin immer nur das Beste in Eliza sah. Bei Dairine bräuchte ich mir wenigstens keine Sorgen zu machen, dass sie direkt zur Polizei rennen würde. Ich wollte gerade zum Sprechen ansetzen, als der Streifenwagen an uns vorbeifuhr und der Polizist, der bei der Befragung dabei gewesen war, mich misstrauisch aus dem Fenster heraus musterte. Das war definitiv nicht der richtige Ort, um ein Geheimnis preiszugeben. „Kann ich heute nach der Schule mit zu dir kommen?“, fragte ich stattdessen. Dairines Augen weiteten sich überrascht, da ich nie zuvor den Wunsch geäußert hatte, sie zu Hause zu besuchen, obwohl sie mich schon mehr als einmal zu sich eingeladen hatte. Ich hatte mir immer wieder eine Ausrede einfallen lassen, bis sie mich nicht mehr gefragt hatte. Eigentlich verbrachte ich meine freie Zeit lieber mit Lucas, aber der war gerade einfach nicht der richtige Ansprechpartner für mich. Vielleicht würde es mir guttun, mal mit einem Außenstehenden zu sprechen. Jemand, der Eliza nicht kannte.
Dairines Überraschung wich einem glücklichen Grinsen. „Klar! Meine Eltern kommen erst heute Abend wieder. Wir haben das ganze Haus für uns.“
„Du Glückliche!“, stöhnte ich. „Meine Mutter bewacht unser Haus wie ein Schießhund.“
6. Winter
Kurz vor dem Ende der letzten Schulstunde schrieb ich Lucas heimlich mit dem Handy eine Nachricht: Hey Lucas, ich fahre heute mit zu Dairine. Du brauchst nicht auf mich zu warten. Ich liebe dich, Winter.
Wir benutzten grundsätzlich keine Kosenamen füreinander, da wir das beide albern fanden. Seit nun schon einem Monat beendete ich jede meiner Nachrichten mit einem Ich liebe dich, ohne es auch nur einmal persönlich gesagt oder von Lucas eine Erwiderung darauf erhalten zu haben. Er ignorierte die drei Worte völlig.
Seine Antwort kam sofort: Alles klar, viel Spaß!
Enttäuscht starrte ich auf das Handydisplay. Was hatte ich erwartet? Dass er mich bitten würde, mich nicht ohne ihn mit jemandem zu treffen? Es war ja schließlich nicht so, als hätte Lucas außer mir keine Freunde. Jeden Mittwoch hatte er nach der Schule Fußballtraining mit seiner Mannschaft, sodass ich an diesen Tagen immer ohne ihn nach Hause fahren musste. Freitag- oder samstagabends traf er sich regelmäßig mit seinen Teamkollegen in einer Kneipe oder sie fuhren gemeinsam in den nächsten Club. Lucas hatte eine Art zweites Leben, in dem ich keine Rolle spielte. Meine ganze Welt drehte sich hingegen nur um ihn. So war es schon immer gewesen. Es musste ihm doch auffallen, dass ich ihm zum ersten Mal absagte, auch wenn es nur um eine gemeinsame Busfahrt ging.
Ich starrte auch noch auf mein Handy, als es bereits zum Schulschluss klingelte. Dairine war wie alle anderen Schüler schon startklar und stöhnte genervt auf, als sie meine Unterlagen immer noch auf dem Tisch herumliegen sah. Doch anstatt mich anzuschnauzen, nahm sie kurzerhand meine Tasche und stopfte meine Bücher selbst hinein. Danach hielt sie mir grinsend die Tasche entgegen. „Kommst du?“
Ich lächelte sie entschuldigend an und ließ das Handy in meiner Uniformjacke verschwinden. Lucas würde sich ohnehin nicht mehr bei mir melden.
Dairine wohnte mit ihren Eltern nahe dem Zentrum von Wexford. Sie fuhr normalerweise mit dem Fahrrad zur Schule, sodass sie dieses nun neben mir herschieben musste, während wir langsam an den Schaufenstern vorbeischlenderten. Wexford war eine typisch irische Kleinstadt mit Pflastersteinen, vielen alten Gebäuden mit bunten Hausfassaden und jeder Menge Pubs, in denen abends Livemusik gespielt wurde. Es ließ sich hier ganz gut aushalten. Doch wenn man wie Dairine in Amerika aufgewachsen war, musste es geradezu verschlafen und langweilig wirken.
Wir bogen von der Einkaufsstraße in eine kleine Seitengasse ab, die bei einem Strandzugang endete. Doch anstatt bergab zum Meer zu gehen, liefen wir den Berg hinauf, wo einsam ein großes Haus in den Dünen thronte. Ich hatte zwar gewusst, dass Dairines Eltern wohlhabend waren, aber mit so einer Villa hätte ich nicht gerechnet. Das Grundstück war von einem hohen Eisenzaun eingerahmt. Das Tor ließ