Dear Sister 1 - Schattenerwachen. Maya Shepherd
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Dear Sister 1 - Schattenerwachen - Maya Shepherd страница 9
„Worum geht es, Miss? Sind Sie verletzt?“
Es war ein Rascheln zu hören. Offenbar befand sich die Anruferin im Freien. Der diensthabende Officer sah aus dem Fenster in die finstere Nacht. Es regnete und stürmte: Ein Wetter, bei dem man nicht einmal einen Hund vors Haus jagen würde.
„Es ist zu spät“, schrie das Mädchen plötzlich aufgebracht.
Der Officer runzelte die Stirn und winkte einen Kollegen zu sich.
„Wo befinden Sie sich?“
„Churchtown“, kam die gepresste Antwort.
„Ich schicke sofort jemanden los“, versuchte der Officer das Mädchen zu beruhigen. „Können Sie mir sagen, wo genau Sie sich befinden und was passiert ist? Sind Sie alleine?“
Ein lautes Klappern drang durch den Telefonhörer. Vermutlich hatte die Anruferin das Handy fallen lassen. Es war ein lauter Schrei zu hören, gefolgt von einem Knistern und Rascheln wie bei einem Kampf. Danach brach plötzlich die Verbindung ab.
Alarmiert sah der Polizist auf seinen Computerbildschirm. Die Verbindung war zu kurz gewesen, um eine genaue Ortung zu ermöglich - genau wie beim letzten Mal. Aber es hatte ausgereicht, um festzulegen, dass das Mädchen aus der Nähe des Hafens angerufen haben musste. Der Anruf erinnerte ihn beunruhigend an den schrecklichen Vorfall vor nicht einmal einer Woche. Er hoffte jedoch, dass er sich täuschen würde und schickte einen Streifenwagen los, um nach dem Rechten zu sehen.
Der Polizeiwagen bog in die breite Hafenstraße ein. Es regnete so stark, dass die Scheibenwischer im Dauereinsatz waren und die Polizisten trotzdem kaum etwas in der Dunkelheit sehen konnten. Der Wind peitschte unablässig gegen den Wagen. Doch bereits nach wenigen Metern sahen sie schon den Grund für ihren Einsatz. Ein Stück vor ihnen lag mitten auf der Straße, direkt unter einer Laterne, ein nackter Körper.
Sie verlangsamten das Tempo und brachten den Wagen schließlich ganz zum Stehen. Die beiden Männer sahen sich zögernd an. Der Anblick des letzten toten Mädchens war noch frisch und sie hatten gehofft, so etwas nie wieder sehen zu müssen. Doch jetzt würden sie auch noch die Ersten an dem neuen Tatort sein. Am liebsten wären sie gar nicht ausgestiegen, aber vielleicht konnten sie dem Opfer noch helfen, auch wenn sie sich nur wenig Hoffnung machten.
Seufzend stieß der erste Officer die Tür auf und stemmte sich gegen den Wind. Der Regen peitschte ihm heftig ins Gesicht.
Vorsichtig trat er auf den leblosen Körper am Boden zu. Es war wieder eine junge Frau. Rund um sie herum waren die Reste eines Kreises zu erkennen. Beim letzten Mal war das weiße Pulver Salz gewesen, was erklären würde, warum es sich nun bei dem starken Regen beinahe komplett aufgelöst hatte. Dieses Mal gab es keinen Baum, der dem Leichnam Schutz bot.
Ihr Körper war übersäht von frischen, blutigen Schnittwunden. Die größte zog sich über ihre Kehle, was vermutlich zum Tod der Frau geführt hatte. Es war unnötig, zu überprüfen, ob ihr Herz noch schlug. Für die Frau gab es keine Rettung mehr. Es war wie ein Déjà-vu, alles war wie beim ersten Opfer.
Hastig eilte der Mann zurück zu dem Wagen, um den Leichenfund zu melden.
5. Winter
Wir sahen die Polizeiwagen schon von Weitem vor der Schule stehen. Alle Schüler drängten sich an die Fenster und spähten neugierig nach draußen. Lucas drückte meine Hand etwas fester. Sofort ging das Gerücht um, dass die Polizei bestimmt eine weitere Leiche gefunden hätte. Komischerweise dachte ich dabei an Eliza, obwohl der Ausflug nach London mittlerweile eine Woche zurück lag.
Als wir aus dem Schulbus stiegen, wurden wir von zwei Lehrern in Empfang genommen, die uns im Gänsemarsch zu der Aula führten, in der alle Schüler sich versammeln mussten. Lucas und ich mussten uns voneinander trennen, da wir uns zu unseren Jahrgangsstufen setzen sollten. Dairine winkte mir von der zweiten Reihe aus zu. Sie hatte mir einen Platz freigehalten, das machte den Abschied von Lucas etwas leichter. Er hauchte mir einen kurzen Kuss auf die Lippen und flüsterte schelmisch: „Ich lasse dich nicht aus den Augen.“
Wärme durchflutete meinen Körper und ich hielt seine Hand etwas länger fest als nötig, bevor sich unsere Finger endgültig voneinander lösten und ich zu Dairine eilte. Ich drängte mich an meinen lauten und aufgeregten Mitschülern vorbei und ließ mich erleichtert neben meine Freundin sinken. „Weißt du, was hier los ist?“
Dairine zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich haben sie wieder eine Leiche gefunden.“
Es hörte sich vielleicht eigenartig an, wie lässig wir über das Thema sprachen, aber solange man nicht betroffen war, stellte sogar ein Mord eine willkommene Abwechslung in einer Kleinstadt wie Wexford dar.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis alle Schüler endlich Platz genommen hatten und unser Schuldirektor Mr. Sutherland auf die Bühne trat. Er klopfte gegen das Mikrophon, sodass ein lautes Knistern zu hören war. Das aufgeregte Gemurmel verstummte augenblicklich.
„Guten Morgen liebe Schüler und Lehrer“, eröffnete er seine Rede. „Wir sind heute hier zusammengekommen, weil ich euch und Ihnen schlechte Nachrichten überbringen muss. Aus diesem Anlass ist auch die Polizei dazugekommen.“ Er machte eine Pause und holte einmal tief Luft. „In der letzten Nacht hat es einen weiteren Leichenfund gegeben“, sagte er und sprach damit aus, was wir alle bereits vermutet hatten. Sofort erklang wildes Stimmengewirr und mehrere Arme schnellten in die Höhe, um Fragen zu stellen. Doch Mr. Sutherland hob nur abwehrend die Hände. „Bitte, beruhigt euch! Ich bin noch nicht fertig.“ Er wartete, bis es wieder still wurde, dann fuhr er fort: „Es handelt sich bei dem Opfer um ein Mädchen aus unserer Schule.“
Es war totenstill. Die Spannung, die in der Luft hing, war deutlich zu spüren. „Es ist Alannah McClary.“ Erneut brach wildes Stimmengewirr los. Auch Dairine keuchte erschrocken auf. Alannah war in unsere Stufe gegangen. Wir hatten mit ihr den Geschichts- und Kunstkurs besucht. Sie war mit uns in London gewesen.
„Krass“, flüsterte Dairine geschockt. Auch ich konnte es kaum glauben. Nicht, dass Alannah und ich je mehr als ein Wort der Begrüßung miteinander gewechselt hätten, aber immerhin hatte ich sie gekannt. Sie wohnte mit ihrer Familie in Churchtown und nahm somit immer denselben Bus wie Lucas und ich. Verstohlen sah ich mich nach ihm um. Ich entdeckte sein Gesicht drei Reihen hinter mir. Er lächelte mir unglücklich zu.
„Es ist wichtig, dass wir jetzt Ruhe bewahren“, ermahnte Mr.Sutherland uns streng. „Die Polizei ist hier, um einigen Schülern ein paar Fragen zu stellen. Ich bitte euch, ihnen so gut es geht zu antworten, egal wie unbedeutend euch die Fragen auch erscheinen mögen. Bis der Mordfall aufgeklärt ist, wird immer ein Streifenwagen vor der Schule stehen. Sollte euch in den nächsten Tagen noch etwas zu Alannah einfallen, was der Polizei irgendwie weiterhelfen könnte, zögert nicht, zu den Beamten zu gehen. Wir müssen in dieser schweren Zeit mehr denn je zusammenhalten und die Polizei ist auf unsere Mithilfe angewiesen, um dieses schreckliche Verbrechen so schnell wie möglich aufklären zu können. Bitte geht nun in eure Kurse. Ich werde die Schüler, die zur Befragung benötigt werden, über Lautsprecher ausrufen lassen.“
Kaum dass der Direktor mit seiner Rede fertig war, brach erneut lautes Gerede aus. Einige Mädchen weinten sogar. Dairine und ich jedoch nicht. Wir blickten uns nur ratlos an. Uns fehlten einfach die Worte.
Wir gingen nebeneinander hinter den anderen Schülern her, bis wir abbogen, um zu den Kunsträumen zu gelangen. Ausgerechnet jetzt einen Kurs besuchen zu müssen,