Rizin. Lothar Beutin
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Griebsch war angenehm überrascht. Als er sich seinem neuen Nachbarn gerade widmen wollte, hörte er, wie Anna, die zwei Tische weiter entfernt saß, laut lachte, als der dunkelhaarige Mann, der sie an den Tisch gelotst hatte, ihr etwas ins Ohr flüsterte. Dann schüttelte sie mit gespielter Entrüstung den Kopf, eine Szene, die Griebsch schwer irritierte.
„Ich habe mich nicht vorgestellt, entschuldigen Sie. Mein Name ist Sutter und ich bin hier im Auftrag der OECD“, sagte sein Nachbar und lächelte Griebsch an, wobei seine blauen Augen ihren prüfenden Ausdruck dabei nicht verloren. Sutters Haare waren dunkelblond, eher lang und straff nach hinten gekämmt.
„Sie sprechen sehr gut Deutsch“, bemerkte Griebsch. Sutter erwiderte, seine Mutter käme aus Basel, er sei aber in Bergamo in Italien aufgewachsen. Von seinem Vater sagte er nichts. Im nächsten Gang wurden Tempura, frittiertes Fleisch und Gemüsestücke, serviert. Sutter lobte die japanische Küche als zweitbeste hinter der italienischen, um dann wieder auf Griebschs Vortrag zurückzukommen. „Sarah Ferguson hat Sie ganz schön angegriffen, nicht wahr? Sie wollte Sie nur provozieren, um mehr Details zu Ihren Forschungen zu erfahren, seien Sie sich dessen sicher.“ Er lachte. „Sie würde Ihnen auch nichts davon erzählen, was in Fort Detrick gerade abläuft, denke ich mal.“
Griebsch bekam bessere Laune und den Eindruck, dass sich doch nicht alle durch die Polemik der Ferguson gegen ihn aufbringen ließen und so stürzte er sich fröhlich auf die immer neu aufgetragenen Schälchen von Kostbarkeiten aus der japanischen Küche. Später wollte er nachschauen, wo Sutter hingehörte und da er Angst hatte, Sutter würde ihn zu Einzelheiten befragen, zu denen er nichts wusste, stellte er Sutter und Kerner einander vor. „Sehr angenehm“, sagte Sutter. Er schien kein besonderes Interesse an Kerner zu zeigen, der sich bald wieder Frau Domenescu zuwandte, um sie mit seinem vom Wiener Schmäh gefärbtem Englisch weiter auszufragen. Griebsch war froh, dass der Gong ertönte, das Zeichen für die Anwesenden zurück in den Saal zur Nachmittagssession zu gehen. Griebsch erhob sich und verabschiedete sich hastig, um noch auf die Toilette zu gehen. Auf dem Lokus holte er die Teilnehmerliste aus seiner Jackentasche und fand Kerner und Domenescu, aber nicht Sutter. Ob er den Namen falsch verstanden hatte? Aber er fand nichts ähnlich Klingendes, als er die Liste mit den hundert Teilnehmern durchging.
Er wollte Sutter beim nächsten Mal darauf anzusprechen, falls sie sich wieder treffen sollten. Griebsch steckte die Unterlagen zurück in seine Tasche und beendete seine private Sitzung. Im Saal setzte er sich wieder auf seinen alten Platz. Noch vier Vorträge musste er überstehen, bis der heutige Konferenztag zu Ende ging. Horst Griebsch konnte sich nicht mehr gut konzentrieren. Er hatte sein Pensum erfüllt und mit dem Mittagessen im Bauch machte sich eine tiefe Müdigkeit breit. Die Zeitverschiebung forderte ihren Tribut. Beim letzten Vortrag, der von dem Russen Wladimir Tschernenko gehalten wurde, kam es zu einem Eklat und Griebsch wachte wieder auf. Tschernenko forderte für Russland finanzielle Unterstützung von den Ländern, die sich durch Bioterror bedroht fühlten. Damit sollten die durch das Ende des sowjetischen Biowaffenprogramms arbeitslos gewordenen Wissenschaftler im Land gehalten werden. Man könne sonst nicht dafür garantieren, dass sie lukrativen Angeboten aus Schurkenstaaten folgten. Tschernenkos Beitrag endete in einer ausgelassenen Diskussion, in der sich Sarah Ferguson sehr exponierte. Griebsch nahm das Treiben nur als Zuschauer wahr. Er war überrascht, dass sogar der ansonsten stoische Schotte O’Reilly Anzeichen von Aufregung zeigte. Schließlich beendete O’Reilly mit dem Hinweis, schließlich sei er der Chairman, die Diskussion und sprach das Schlusswort.
Griebsch erhob sich mühsam aus seinem Stuhl, seine Beine schmerzten vom langen Sitzen und von der angesammelten Müdigkeit. Er ging rasch zur Garderobe, um seinen Mantel zu holen und in das Hotel zurückzugehen. Aus dem Augenwinkel sah er Sutter, der auf ihn zusteuerte, aber Griebsch schaffte es mit einem Schlenker, diese Klippe zu umschiffen. Er lief eilig durch die Haupthalle der KICH, um nach draußen zu gelangen. An der Eingangstür stieß er fast mit Anna und ihrem neuen Bekannten zusammen. Beide machten sich gemeinsam auf den Weg aus dem Gebäude. Im Vorbeigehen entzifferte Griebsch das Namensschild seiner Eifersucht. Ein Spanier mit dem Namen Ibanez. Schnell eilte Griebsch weiter, während er sich bemühte, in eine andere Richtung zu schauen. Er beeilte sich, in sein Hotel zu kommen. Für 20:30 waren alle Vortragenden zum Speakers Dinner (10) in ein traditionelles japanisches Restaurant im oberen Stockwerk des KICH geladen. Nach dem Gespräch mit Sutter hatte er den Eindruck, dass sein Vortrag doch nicht so schlecht angekommen war. Er nahm sich vor, Sarah Ferguson beim Dinner anzusprechen, um das Verhältnis zu ihr zu normalisieren.
7.
Kurz vor halb neun traf Horst Griebsch im KICH ein, im Foyer standen bereits kleine Gruppen von Teilnehmern mit Sektgläsern in der Hand. Griebsch nahm sich ein Glas, das ihm wortlos auf einem Tablett angeboten wurde, lief weiter durch die Halle und schaute sich um. Auf Barhockern an einem Tresen saßen die drei Asiaten, die schon mittags mit ihm am Tisch gesessen hatten. Sie wendeten ihm gleichzeitig ihre Köpfe zu und grinsten. Ob sie sich über ihn lustig machten? Wieso waren die überhaupt hier, die gehörten doch gar nicht zu den Vortragenden! Griebsch tat so, als hätte er sie nicht bemerkt, schlenderte weiter, und sah im hinteren Teil des Foyers Sarah Ferguson in einem engen, roten Abendkleid stehen. Sie unterhielt sich mit ein paar anderen Gästen, darunter Duval und O’Reilly. Diesmal steuerte Griebsch zielbewusst auf die Gruppe zu. Nachdem er auf dem Weg sein Glas Sekt in einem Zug hinuntergekippt hatte, stellte er sich neben Sarah Ferguson. Sie hörte gerade Duval zu, der ihr weitschweifig eine genetische Methode erklärte, aber blickte aus den Augenwinkeln kurz auf Griebsch und nutzte eine Pause in Duvals Redefluss, um Griebsch zu begrüßen. „Ah, it’s you, Professor Griebsch.“ Sie lächelte, als sie sagte: „You might have an answer to my question, now? ” (11)
Griebsch hatte mit allem gerechnet, nur nicht mit dieser Begrüßung. Er dachte an Sutters Worte und schaute sie entrüstet an. “You know, we are not broadcasting all our methods in public, you certainly would not make too!“ (12) Sarah Ferguson und ein paar andere lachten auf. War es wegen seines Englischs? Jedenfalls machte ihn das nur noch zorniger. Diesmal ließ sich Griebsch nicht abschrecken und mit dem Habitus eines Mannes, der klarstellen will, was Sache ist, fügte er hinzu: „These things are top secret!“
Sarah Ferguson verzog die Winkel ihres hübschen Mundes nach unten und ihre grünen Augen wurden schmal, als sie sagte „You know, if you really had found something, then I knew it long ago!“ (13) Die Übrigen lachten beifällig. Ihr Blick wurde verächtlich, als sie hinzufügte: „Have a nice evening, then.“ Sie wendete sich von ihm weg und schenkte ihre Aufmerksamkeit wieder Duval, der seinen unterbrochenen Vortrag fortsetzte.
Griebsch stand da wie perplex, der Kreis der anderen schloss sich um Sarah Ferguson und schloss ihn aus. Einen Moment stand er wie gelähmt da, dann ging er stracks auf den nächsten Kellner zu, um sich ein neues Sektglas zu nehmen. Als er damit an einen freien Stehtisch ging, war plötzlich Sutter an seiner Seite und prostete ihm zu: „Guten Abend, so sehen wir uns wieder!“
Nach der erneuten Abfuhr war Griebsch in diesem Moment heilfroh, nicht allein herumzustehen. Aus den Augenwinkeln sah er die drei Asiaten auf den Barhockern. Die Vorstellung, dass sie sich über ihn lustig machten, ließ ihn nicht los. Erleichtert sagte er zu Sutter: „Guten Abend, freut mich, Sie wiederzusehen.“ Dann fügte er hinzu: „Übrigens, ich habe Ihren Namen gar nicht in der Liste der Teilnehmer gefunden.“
Sutter schaute ihn belustigt an: „Ja, wissen Sie, das ist auch nicht gut möglich, ich bin erst kurz vor Konferenzbeginn als Teilnehmer nominiert worden und so kann ich gar nicht auf der Liste sein. Außerdem halte ich keinen Vortrag.“
Griebsch hätte ihn gerne gefragt, warum er dann zum Speakers Dinner eingeladen worden war, aber das verkniff er sich. Es erschien ihm zu indiskret und er schwieg. In seine