Mörderische Spiele. Michael Bardon

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Mörderische Spiele - Michael Bardon Tom Bender

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      Ratlose Gesichter, wohin ich auch blickte. »Was ist Waldorf-Sport?«, fragte Nils nun mit unsicherer Stimme.

      »Waldorf-Sport wird euch gefallen, zumindest denen von euch, die Sport verabscheuen.«

      »Und was ist das nun für eine Sportart? So was wie Kampfsport oder so?«

      »Nein, nicht ganz so spektakulär«, erwiderte ich und konnte mir ein Grinsen nun doch nicht mehr verkneifen.

      »Oh, Herr Bender, nun sagen Sie schon, um was es bei Waldorf-Sport geht«, sagte nun Patrick und stemmte herausfordernd seine Hände in die Hüften.

      »Na gut, bei dieser Sportart kommt es in erster Linie auf eure Koordination an.«

      »Häh …?«

      »Koordination ist das harmonische Zusammenwirken von Sinnesorganen und dem peripheren sowie dem zentralen Nervensystem«, erklärte ich meinen Schülern geduldig.

      Jetzt schauten mich knapp zwei Dutzend verlegen dreinblickende Gesichter an.

      »Ihr wisst nicht, wovon ich rede, oder?« Betretenes Schweigen und ratlose Gesichter quittierten meine Frage.

      »Also, es geht um Folgendes. Bei meinem sogenannten Waldorf-Sport lernt ihr Buchstaben zu tanzen. Das ist eine tolle Sache. Am Ende des Schuljahres könnt ihr dann allen Schülern an dieser Schule euren Namen vortanzen. Wir gehen dafür in die …«. Aula …, wollte ich noch sagen, doch meine gesamte Schulklasse hatte sich wortlos umgewandt und fing bereits an, durch die Sporthalle zu joggen.

      »Soll ich das als eure Antwort werten?«, rief ich ihnen hinterher.

      »Wie viel Runden sagten Sie noch einmal, Herr Bender?«

      Ein Lächeln huschte über mein Gesicht und ich sagte mit väterlichem Tonfall: »Zwanzig …! Ich sagte zwanzig Runden zum Aufwärmen, mein lieber Nils.«

      Dann setzte ich mich selbst in Bewegung und joggte meinen Schülern hinterher.

       *

      Sie lag noch immer regungslos auf ihrem Bett. Gefesselt an Händen und Füssen, gefangen in einem Alptraum. Die Einsamkeit fraß ein Loch in ihre Seele und drohte, sie in einen Abgrund aus Angst und Wahnsinn zu stürzen.

      Mein Gott, wie ich dich vermisse!, dachte sie. Mir fehlt deine Stimme, deine Nähe, mir fehlt das beruhigende Gefühl, wenn du neben mir schläfst und leise atmest.

      »Tamara, wo bist du? Komm zurück zu mir, hilf mir!«, hauchte sie leise in die Dunkelheit, die sie umgab.

      Ein heftiger Weinkrampf schüttelte ihren Körper und die Tränen verwischten ihre akkurat aufgetragene Wimperntusche. Sie rannen als kleiner, schwarzer Bach ihr makellos schönes Gesicht herunter und zerstörte so Karls akribische Arbeit. Er konnte Stunden damit zubringen, ihren Körper zu waschen, einzucremen und zu schminken, bis alles perfekt an ihr war.

      Karl würde bestimmt böse werden, wenn er ihr verheultes Gesicht sah. Er würde sie bestrafen, würde ihr Schmerzen zufügen und sie dann wieder wie eine Puppe waschen und schminken.

      Sollte er doch! Schmerzen bereiteten ihr keine Angst mehr. Dass er sich an ihr verging, daran hatte sie sich schon beinahe gewöhnt. Nein, ihre Angst hieß Einsamkeit. Sie hatte grenzenlose Panik vor den Stunden des Wartens. Vor den Stunden der absoluten Stille und Dunkelheit um sie herum.

      Dann kamen die Geister aus ihrer Vergangenheit, huschten als körperlose Wesen vor ihrem Bett herum und quälten sie mit gemeinen, endlosen Fragen.

      „Wieso hast du das gemacht, Mami? Wir haben dich geliebt, und du hast uns so wehgetan! Warum nur, Maria? Warum … warum … warum …?“

      »Lasst mich endlich in Ruhe!«, schrie sie mit sich überschlagener Stimme. Speichel spritzte auf ihre nackte Haut: »Verschwindet aus meinem Kopf! Geht dahin zurück, woher ihr gekommen seid! Ich hasse euch, ich hasse euch, ich hasse euch.«

      Wann kam dieser psychopathische Karl endlich und erlöste sie von ihren Qualen? Sobald er das Licht in ihrem Verlies einschaltete, gaben die Geister der Dunkelheit auf und verschwanden wieder aus ihrem Kopf. Dann hatte sie für ein paar Stunden Ruhe vor ihnen und konnte ihre Gedanken neu sortieren.

      Aber irgendwann, da war sie sicher, würde Karl nachlässig werden. Er würde einen Fehler begehen, für einen Moment unachtsam sein. Dann würde sie ihre Chance nutzen und alles auf eine Karte setzen.

      Am Ende kann nur einer von uns beiden überleben, das weißt duich weiß es auch. Solange mein Herz noch schlägt, wird dein Tod mein höchstes Ziel sein, dachte sie voller Hass. Dann warf sie ihren Kopf wild hin und her. Ein gemeines Lächeln umspielte dabei ihre Lippen und formte aus ihrem ebenmäßigen Gesicht eine schrecklich verzerrte Fratze.

       *

      Der Pausengong spielte seinen melodischen Vierfachton. Schlagartig setzte der Tumult in meinem Klassenzimmer ein. Achtlos stopften die Schüler Hefte, Bücher und diverse Schreibutensilien in ihre Rucksäcke. Dann schnappten sie sich ihre Jacken und waren auch schon verschwunden.

      »Ich wünsche euch auch noch einen schönen Tag«, rief ich der Meute hinterher. Dann verstaute ich die eigenen Arbeitsunterlagen in meinem nicht mehr ganz zeitgemäßen Camel-Rucksack und ging aus dem Klassenzimmer.

      Sechs Stunden Unterricht lagen hinter mir, doch ich fühlte mich noch immer ausgeruht, entspannt und steckte voller Tatendrang.

      Mit meinen 38 Jahren gehörte ich nicht mehr zu den ganz jungen Lehrern an unserer Schule. Doch ich stand noch mitten im Leben und genoss meine tägliche Dosis pubertierender Jugendlicher.

      Besser noch: Ich hatte selbst zwei von dieser Sorte unter meinem Dach wohnen. Mein Sohn Phil war 15 Jahre, eine wahre Sportskanone und hatte das gute Aussehen und das blonde Haar meiner Frau Mia geerbt. Meine Tochter hieß Julia, war 13 Jahre alt, hatte meine Haarfarbe, dunkelbraun, und entwickelte sich langsam zu einer hübschen Frau.

      Gemeinsam versuchten sie, uns das Leben zur Hölle zu machen und lebten ihre Pubertät in vollen Zügen aus. Doch so sehr sie sich auch bemühten, gegen die Hölle, durch die wir vor gut zwei Monaten gegangen waren, kamen sie einfach nicht an.

      Unsere Nachbarn waren eines Nachts überfallen und brutal ermordet worden. Vergeblich hatte ich noch versucht, ihnen zu helfen, doch ich wurde selbst schwer verletzt und wachte nach einer Operation im Krankenhaus wieder auf. Von da an nahm das Schicksal seinen Lauf. Wir durchlebten mörderische Wochen, in denen unser Leben mehr als einmal in Gefahr war.

      So nach und nach gelang uns das, was der Polizei nicht gelingen wollte: Wir konnten die Täter überführen. Ein unglaubliches Abenteuer lag hinter uns – und es hatte seine unauslöschlichen Spuren hinterlassen.

      Vieles in unserem Leben hatte sich verändert, wir hatten gelernt, dass das Leben viel zu schnell seine Farben wechseln konnte.

      Heute führst du noch ein unbeschwertes, sorgenfreies Leben und in der nächsten Sekunde verändert sich alles. Aus den Guten werden die Bösen. Aus Fremden werden die besten Freunde, aus Weiß wird ein hässliches Grau.

      Nichts ist so veränderlich wie das Leben, nichts ist so endgültig wie der Tod!

      Ich

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