Violet Socks. Celine Ziegler
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Hardy hält vor dem riesigen Haus von Clarissa, die ebenfalls zu der coolen Sorte Mensch gehört, dessen Eltern abnorm viel Geld haben, und wir machen uns auf den Weg zur Haustür, durch die man schon die laute Musik hören kann. Ich bin froh, dass ich nicht genug Freunde habe, mit denen ich so eine fette Party überhaupt machen könnte, denn ansonsten würde mir meine Mutter nämlich den Kopf abhacken. Ihr sind die leisen – manchmal nicht ganz so leisen – Filmeabende lieber als die ständigen Alkoholexzesse, die manche Jugendliche hier schieben.
Hardy klingelt, Charly rückt noch mal ihren Hut zurecht und Benja greift nach Hardys Hand, bevor die Tür geöffnet und die Musik noch lauter wird.
Die mit den perfekt blondierten Haaren und den viel zu großen Brüsten für ihre abnorm schlanke Figur öffnet uns die Tür. Florence. Wahrscheinlich wollte Clarissa selbst die Tür öffnen, aber Florence braucht die Aufmerksamkeit der Gäste in der ersten Erscheinungssekunde. „Hardy!", freut sie sich, als sie ihn entdeckt, und will ihn gerade in den Arm nehmen, als sie seine Anhängsel entdeckt. Uns. „Und die restlichen Loser. War ja klar, dass mir kein Abend ohne euch erspart bleibt."
„Wir freuen uns auch, dich zu sehen", sagt Charly und geht gar nicht erst auf ihren fiesen Spruch ein, denn wir sind so was bereits gewöhnt.
Charly stolziert an ihr vorbei ins Haus und Florence verdreht genervt die Augen. Hardy und Benja betreten hinter Charly das Haus und ich folge ihnen, vorbei an Florence, die hinter mir die Haustür schließt. „Heute hast du dir aber mal echt Mühe mit deinen Fusselhaaren gemacht", neckt sie mich und betrachtet mich von oben bis unten, während ich mich nicht mal traue, ihren Körper anzusehen, weil ich sonst das Gefühl bekomme, ich würde sie bespannen, dadurch, dass sie so wenig am Leib trägt.
Doch ich winke nur lässig ab und drehe mich von ihr weg, halte Ausschau nach Charly und Benja, die verschwunden sind. „Jaja. Sag mir lieber, in welche Richtung meine Loserfreunde verschwunden sind."
Missbilligend hebt Florence den Finger und zeigt in Richtung der Küche, worauf ich nicke und mich bei ihr bedanke. Mir ist egal, was sie ständig über mich, meine Haare oder meinen Klamottengeschmack faselt, wirklich. Ich kenne sie schon seit dem Kindergarten und nach den paar Jahren gewöhnt man sich daran und lernt schnell die Schwachpunkte des Gegners. Zum Beispiel weiß ich, dass Florence in der sechsten Klasse mal ihren BH ausgestopft hat, weil ich sie in der Mädchenumkleide erwischte und noch dazu bin ich die Einzige, die das weiß. Florence weiß auch, dass ich es weiß. Und deswegen habe ich immer etwas gegen sie in der Hinterhand, wodurch sie oft die Klappe hält, denn sie will ja ihren guten Ruf in der Schule nicht verlieren und als Sockentitte dastehen.
Ich betrete die große Küche und entdecke auch schon Charly, Hardy und Benja tratschend mit Oscar und Carla. Auch zwei, die nicht zu der coolen Art von Mensch gehören, jedoch zu uns und wir sind ja wohl auch irgendwie super cool oder nicht?
Ich stelle mich zu ihnen, nachdem ich mir einen Becher mit Cola geholt habe. „Okay, wer will die Story mit Charlys Cousin noch hören oder hat Charly bereits alles in den letzten zwei Minuten ausgeplaudert?"
Carla und Oscar lachen. Carla ist übrigens von spanischer Abstammung und Oscar dagegen von indischer, gemischt mit einem leichten thailändischen Touch, den er von seinem Großvater hat. Wie seine Familie genau zusammengesetzt ist, weiß ich nicht und ich bin mir sicher, er weiß es selbst nicht so genau.
„Charly hat vorhin in der WhatsApp-Gruppe schon davon erzählt", sagt Oscar und trinkt von seinem Wasser. „Ich wusste ja, dass irgendetwas nicht mit ihm stimmt."
„Stimmt", sagt Carla. „Immerhin behauptet er von sich selbst, mit einem Haus, das nur mit Luftballons angehoben wurde, um die Welt geflogen zu sein."
„Ein wahrer Oben-Fan", grunzt Benja.
Wieder verdreht Charly die Augen und verschränkt die Arme. „Hallo? Ich kann ja echt verstehen, dass ihr Torben für einen Idioten haltet, aber er ist immer noch mein Cousin und damit Mitglied meiner Familie. Und meine Familie hat es nicht verdient, dass man sich über sie lustig macht, ihr Hirnis."
Wir alle lachen, weil Charly genau wie wir alle weiß, dass Torben ein Horst ist, es allerdings nicht zugeben will. Gerade als ich etwas darauf sagen will, erweckt jedoch etwas anderes meine Aufmerksamkeit.
Florences schrilles Gekicher ertönt und mein Blick fällt direkt zum Türrahmen der Küche, an der sie lehnt mit den Händen an dem Kragen eines Shirts, dessen Träger mir nur allzu bekannt ist. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten, dass dieses T-Shirt, das er trägt, schon mindestens drei Jahre alt sein muss. Schon immer mochte er die Rolling Stones, weswegen er haufenweise von diesen T-Shirts hat. Zumindest hatte er es damals.
Ich muss einen Kotzreiz unterdrücken, als ich zusehe, wie der Kerl, den ich wahrscheinlich am meisten in meinem Leben verachte, grinsend seinen Arm neben Florence abstützt, während er – so sieht es zumindest aus – versucht, verführerisch zu sein, und mit ihrer blonden Haarsträhne spielt.
Jedes Mal muss ich mir diesen Anblick antun, wenn wir auf Partys sind, denn immer da, wo es eine Party gibt, ist Harry anwesend. Er ist überall, wirklich überall. Es reicht mir schon, dass ich ihn fünf Mal die Woche in der Schule sehen muss, aber nicht mal am Wochenende scheint mir die Ruhe vor ihm gegönnt zu sein. Und jedes Wochenende scheint er ein anderes Opfer für seine widerlichen Anmachsprüche zu haben. Hier mal eine Blondine, dann eine Brünette, am nächsten Freitag ist es dann die mit den roten Haaren, die niemand kannte, doch jeder haben wollte, weil sie so unerreichbar ist. Besser gesagt war. Das Schlimme und Ätzendste ist nämlich, dass all diese Mädchen auch noch darauf reinfallen und wirklich denken, dass er einer der netten Sorte Typ ist, der sie vergöttert wie eine Prinzessin. Aber nein, nicht mit Mister Obercool. Er lässt sie fallen wie jedes andere Mädchen.
Aber nicht denken, dass ich mit dieser Verachtung zu ihm, auf die Welt gekommen bin, nein. Harry, so heißt Mister Oberkotzcool, war vor vier Jahren noch mein bester Freund. Tatsache! Das letzte Mal habe ich richtig mit ihm gesprochen, da war er vierzehn und ein noch total anderer, besserer, liebevollerer Mensch. Ich habe ihn als aufmerksame und loyale Person in Erinnerung, aber nicht als arroganten Rüpel, der nicht weiß, wann Schluss ist.
Ich dachte immer, dass seine und meine Freundschaft ewig halten würde. Das dachte ich wirklich. Er war seit der Krabbelgruppe mein bester Freund, ging mit mir durch dick und dünn, war für mich da, als mein Vater meine Mutter, Rosy und mich verließ und guckte mit mir sogar bestimmt hundert Mal Nemo, weil ich den Film so mochte, obwohl er ihn nicht ausstehen konnte. Es ist so unglaubwürdig, dass dieser Kerl, der heute fast jedes Wochenende betrunken ist, mal der Junge gewesen sein soll, der damals für mich ein Paar Socken strickte, wo V+H eingestickt war. Natürlich waren sie total schlecht gestrickt, doch er war mein bester Freund und noch dazu mein persönlicher Held.
Aber heute will ich ihm jede Sekunde ans Schienbein treten, wenn ich ihn sehe. Zwar sieht er mich nie an und ich bin mir auch sicher, dass er mir, seitdem unsere Freundschaft von einem Tag auf den anderen ein Ende genommen hat, nicht mehr richtig in die Augen gesehen hat, aber das ist auch nicht nötig. Er ist heute niemand mehr, mit dem ich meine Zeit verbringen will und ich bin für ihn wahrscheinlich genauso ein Loser wie für Florence und den ganzen Rest. Mir jedoch vollkommen egal.
Als Harry nun Florence etwas schelmisch grinsend ins