Ein halbes Dutzend Mord. Bernharda May

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Ein halbes Dutzend Mord - Bernharda May

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geh mit der Kleinen zur Toilette und stecke ihr den Finger in den Hals! Jemand ruft sofort einen Notarzt. Ich laufe rüber in die Apotheke – irgendwo muss ich noch medizinische Kohle haben.‹«

      Der Kriminaldirektor hielt inne. Er war sich nicht sicher, wie detailliert er die Vergiftung schildern durfte, damit keinem der Zuhörer übel wurde. Judith Strasser schaute, ganz die resolute Krankenschwester, interessiert zu ihm. Die Augustins und die Voigts ließen sich nichts anmerken; in ihrem Alter war man es gewöhnt, über Krankheitssymptome jedweder Art zu schwatzen. Lediglich Ronald und Kay rümpften unbewusst die Nase.

      »Ich fasse mich an dieser Stelle besser kurz«, entschied Herrmann, »denn die Einzelheiten kann man sich ja denken. Uns war klar, dass wir unter irgendeiner Vergiftung litten und Sahin stürzte zum Telefon, um Hilfe zu holen. Agnes, die wenig gegessen hatte, schaffte es zu sich nach Hause, holte Kohletabletten und brachte sie uns. Sie verabreichte zunächst Louise eine, dann Ruth, dann mir. Daniel erhielt die Medizin zuletzt. Sahin verzichtete, weil er sich gesund fühlte. Dann traf schon der Notarzt ein, untersuchte uns und nahm uns allesamt mit ins Krankenhaus. Obwohl es mir bald besser ging, musste ich mehrere Stunden dort bleiben. Die Ärzte wollten kontrollieren, ob alle lebenswichtigen Funktionen in Ordnung waren, und das zog sich hin.

      Als ich das Krankenhaus verlassen durfte, traf ich im Warteraum Ruth mit Louise im Arm. Sie weinte still vor sich hin, was mich wunderte. Sahin stand daneben, eine Tasse Tee in der Hand, die er Ruth reichen wollte. Agnes saß in einer anderen Ecke und schaute mich ratlos an.

      ›Daniel ist gestorben‹, sagte sie leise.

      Ich musste mich setzen, so bestürzt war ich. Wie konnte ein gesunder Mann im besten Alter eine Lebensmittelvergiftung nicht überleben, die war zwar heftig gewesen war, aber selbst die achtjährige Louise gut überstanden hatte?«

      »Was für eine Vergiftung war es denn genau?«, wollte Judith Strasser wissen.

      »Die Ärzte sagten etwas von einer Glykoside-Vergiftung«, erwiderte Herrmann. »Das hat wohl irgendetwas mit dem Herzen zu tun.«

      »Dann hat Daniel vielleicht einen Herzfehler gehabt, von dem man nichts wusste?«, mutmaßte Cornelia.

      »Oh nein«, sagte Herrmann ernst. »Daniel war gesund gewesen, darin waren sich die Ärzte einig. Und als wir ihnen erzählten, was wir gegessen und getrunken hatten, fassten sie die Meinung, dass das Gift in der Torte gewesen sein muss – und Daniel zu viel davon abbekommen hatte. Viel zu viel!«

      »Wieso denn in der Torte?«, fragte Bert Voigt.

      Seine Schwester rollte die Augen.

      »Das hab ja sogar ich verstanden«, moserte sie. »Der Einzige, der gesund blieb, war Sahin. Er war der auch Einzige, der nichts von der Torte gegessen hatte. Vom Kaffee hatte er sehr wohl getrunken, nicht aber das kleine Mädchen, das seinen Kakao schlürfte, weshalb wir die Getränke ausschließen müssen. Du siehst, Bert, dass nur die Sachertorte als Ursache übrig bleibt. Etwas darin muss verdorben gewesen sein.«

      »Ach so«, war alles, was der Hauptfeldwebel a.D. dazu sagte.

      »Nicht verdorben, Wilma«, berichtigte Cornelia ihre Freundin. »Der Kriminaldirektor erzählt uns hier von einem Mordfall, vergiss das nicht! Was er damals zunächst für eine Lebensmittelvergiftung gehalten hatte, muss also in Wahrheit ein Verbrechen gewesen sein.«

      Nun war es Wilma Voigt, die »ach so« machte.

      »Klingt, als handelte sich um eine absichtlich herbeigeführte Vergiftung mit dem Ziel, Daniel aus dem Weg zu räumen«, überlegte Ronald laut. »Damit es wie ein Zufall aussehen würde, hatte man Sie und die anderen Geburtstagsgäste gleich mit vergiftet, nur in kleinerer Dosis.«

      »Ähnliches dachten sich die Ärzte, und nachdem sie mich als Kriminologen eingeweiht hatten, glaubte ich das schließlich auch. Also riefen wir die Polizei an und kurze Zeit später traf Kommissar Tork ein. Er begrüßte uns, drückte Ruth gegenüber sein Beileid aus und schlug vor, die Befragung weder im Krankenhaus noch auf dem Revier, sondern bei Ruth zu Hause durchzuführen.

      ›Dann kann Ihre Tochter in Ruhe ins Bett‹, argumentierte er und Ruth erklärte sich einverstanden. Es war nämlich schon nach 19 Uhr und bald würde es draußen dämmerig werden.

      Die Polizei begleitete uns zurück, ließ uns aber nicht ins Wohnzimmer, das ja von nun an als Tatort galt. Die Beamten nahmen die Kaffeekanne, die Tassen und die Torte an sich, um sie analysieren zu lassen. Das war jedoch gar nicht mehr nötig, weil bei einem Gespräch zwischen Tork und Louise die Sprache schnell auf das ›Geheimrezept aus dem Internet‹ kam.

      Arglos holte das Mädchen ihr kleines Netbook. Es war rosa und mit vielen glitzernden Aufklebern geschmückt. Louise schaltete es an und zeigte dem Kommissaren die Homepage mit besagtem Rezept. Und was da stand, ließ mich vollends erschauern.

      ›Für ein besonders schmackhaftes Vergnügen nutze man einen Strauß Maiglöckchen auf folgende Art: Zunächst stelle man die Blumen einen Tag lang ins Wasser. Hernach zerstoße man die Blätter und Blüten in winzige Teilchen und mische sie unter den Teig. Das übrig gebliebene Blumenwasser träufele man nach dem Backen schön gleichmäßig über die Sachertorte. Das Maiglöckchen verstärkt den süßen Geschmack.‹«

      »Das ist ja ungeheuerlich«, rief Cornelia aus. »Jeder weiß doch, dass Maiglöckchen hochgiftig sind!«

      »Na, jeder wohl nicht«, widersprach Kay trocken. »Sonst wäre diese Tragödie nicht passiert.«

      »Wer stellt denn so eine Fehlinformation online?«, fragte Hans-Georg. »Das muss jemand sein, der Leuten grundlos schaden will, ja sogar unbekümmert in den Tod schickt!«

      Allgemeine Unruhe entstand am Tisch und die Gefahren des Internets wurden heiß diskutiert. Beinahe wäre Herrmanns Schilderung in Vergessenheit geraten, wenn Judith Strasser sich nicht geräuspert hätte.

      »Als Krankenschwester habe ich bisher schon einige Vergiftungsfälle erlebt, aber keine mit Maiglöckchen«, erzählte sie. »Ich will die Gefährlichkeit dieser Blumen keineswegs kleinreden. Nichtsdestotrotz sind Todesfälle durch Maiglöckchengift höchst selten.«

      »Außerdem haben alle von der Torte gegessen, und nur Daniel starb«, gab Ronald zu bedenken. »Sein Tod muss irgendwie anders herbeigeführt worden sein.«

      »Kehren wir also zu jenem Augenblick zurück, als Tork und ich die Homepage entdeckten«, ergriff der ehemalige Kriminaldirektor endlich wieder das Wort. »Der Kommissar und ich glaubten, die Ursache des Todesfalls gefunden zu haben.

      ›Ich werde den Webmaster dieser Seite ermitteln lassen‹, sagte Tork, ›und der muss wegen fahrlässiger Tötung dran!‹

      Uns war beiden klar, dass die kleine Louise keine Schuld traf. Sie hatte nicht wissen können, dass ihr Geheimrezept ein tückischer Angriff auf menschliche Gesundheit war. Während Tork mit Kollegen auf seinem Revier telefonierte, erzählte ich Ruth von der Internetseite. Sie war natürlich schockiert, ließ sich ihrer Tochter gegenüber aber nichts anmerken und brachte sie zu Bett.

      Derweil gesellte ich mich zu Agnes und Sahin, die sich beide verpflichtet fühlten, Ruth in dieser schweren Zeit zur Seite zu stehen. Vom Flur aus sahen sie den Beamten zu, die noch immer dabei waren, das Wohnzimmer nach weiteren Hinweisen zu durchsuchen. Ich weihte sie in die neuesten Erkenntnisse ein und beide waren fassungslos. Noch fassungsloser waren sie, als Tork mit dem rosafarbenen Netbook auf uns drei zukam und fragte, ob wir wüssten, wo das Gerät ursprünglich her sei.

      ›Dieses

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