Ein halbes Dutzend Mord. Bernharda May

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Ein halbes Dutzend Mord - Bernharda May

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      »Louise?«

      »Das Kind?«

      »So ein kleines Mädchen?«

      Die Stimmen der Gäste gerieten durcheinander. Wilma und Bert Voigt schauten sich entgeistert an. Auf was für schauerliche Einfälle die jungen Leute heutzutage kamen! Kinder als Mörder!

      »So abwegig ist das nicht«, verteidigte sich Ronald. »Immer wieder lesen wir von der Verrohung der Gesellschaft. Und genauso oft lesen wir von überbehüteten Kindern, von hochbegabten Schülern und so weiter. Wenn das alles mal zusammenkommt, kann ich mir gut vorstellen, dass Louise schlau genug wäre – auch in ihrem Alter – all die Fäden zu spinnen, die zuerst auf sie deuten und dann am Ende doch alle wieder von ihr wegweisen. Kinder kommen mit Informatik oft viel besser und schneller klar, weil sie mit all den digitalen Geräten aufwachsen. Sie wissen auch genau, wann sie den dummen Naivling spielen müssen, damit Erwachsene sie in Ruhe lassen. Und nicht selten empfinden sie unverhältnismäßigen Ärger über ihre Eltern, wenn etwas nicht so läuft, wie sie es wünschen. Da braucht Daniel ihr gegenüber nur irgendwann einmal ein Versprechen gebrochen oder sie ausgeschimpft zu haben und sie beginnt aus Wut und verletzter Eitelkeit darüber zu brüten, wie sie sich rächen könne.«

      Ronald hielt inne. Beinahe von allen Zuhörern um ihn herum erntete er missbilligende Blicke.

      »Vergesst nicht, dass jeder an dem Kaffeetisch als verdächtig gelten musste«, fügte er noch hinzu, aber vergeblich.

      Einzig der ehemalige Kriminaldirektor schaute ihn verständnisvoll an.

      »Ihre Theorie ist an und für sich nicht unmöglich, wenngleich unwahrscheinlich«, gab er zu. »Es gibt mitunter Kinder, die bereits eine sehr starke kriminelle Veranlagung zeigen. Ich kann Ihnen an dieser Stelle nichts anderes entgegenhalten als meinen Eindruck, dass Louise nicht zu diesen Kindern gehörte.«

      »Dann will ich ihnen glauben«, räumte Ronald ein, »und meine These zurückziehen. Sie kennen ja das Mädchen und ich nicht. Und Sie kennen auch die Lösung des Falles.«

      »Das wohl, aber all Ihre Theorien gefallen mir außerordentlich gut. Leider stimmen sie nicht.«

      »Heißt das, der Täter war gar keiner aus der Kaffeerunde?«, fragte Judith verwundert. »Wir haben doch zu jedem etwas gesagt!«

      »Oh doch, mit dieser Behauptung behält Ronald recht«, versicherte Herrmann. »Einer von uns Sechsen war es. Streng genommen galt auch ich nach wie vor als Verdächtiger, ehe Tork den Fall auflösen konnte.«

      »Schade, dass es nur sechs und nicht insgesamt dreizehn Leute waren«, lächelte Kay süffisant, »das hätte so einen dramatischen Effekt gehabt. Dreizehn bei Tisch! Die Dreizehn als Unglückszahl…«

      Er schien nicht zu merken, dass keiner auf seine Zwischenkommentare einging.

      »Ich denke, die Apothekerin war es«, meldete sich Wilma zu Wort. »Herr Herrmann gibt uns nur nicht recht, weil das Motiv nicht stimmt. Mit ihrem Haus hat der Anschlag nichts zu tun. Sie war vielleicht eifersüchtig? Eine alte Jungfer wie sie und ein so schmucker Nachbar wie der Daniel – da kamen vielleicht Gefühle auf und weil die nicht erwidert wurden, machte sie mit dem Mann ihrer Träume kurzen Prozess.«

      Bert sagte nichts, aber sein Gesichtsausdruck verriet, dass er die Ausführungen seiner Schwester nachvollziehbar und schlüssig fand. Der Kriminaldirektor aber schüttelte den Kopf.

      »Sie vergessen allesamt den Fakt, dass die Lebensversicherung schon zwei Jahre alt war. Und den Faden an der Tablettenschachtel vergessen Sie ebenfalls. Und die Sachertorte. Und die interne Postbotin. Und das Jackett, ach, das hätte mir damals gleich auffallen müssen!«

      Man merkte, dass Herrmann sich aus zweierlei Gründen grämte. Zum einen, weil seine Zuhörer nicht mit der Logik eines Kriminalbeamten dachten; zum anderen, weil er selber bei der Aufklärung des Falles versagt hatte.

      »Ein Glück war Tork zugegen gewesen«, sagte er. »Ihm gelang es, all die Fäden zu entwirren – um bei Ihrer Metapher von vorhin, Ronald, zu bleiben.«

      »Das ist das Stichwort«, antwortete der junge Mann. »Was war denn mit dem Faden an der Schachtel?«

      »Sehen Sie«, begann Herrmann zu erklären, »Tork erkannte als Erster unseren Denkfehler. Nur weil der Faden zu Sahins Sakko passte, musste er nicht von dort stammen. Schließlich hatten alle seine Kollegen ein ähnliches Sakko von gleicher Farbe!«

      »Aber seines war das Einzige, was am Tatort war«, sagte Judith.

      »Das Einzige an jenem Tag! Aber wessen Sakko hing höchstwahrscheinlich so gut wie jeden Tag im Wohnzimmer über der Stuhllehne?«

      »Daniels!«, schoss es aus Cornelia heraus.

      »Richtig«, bestätigte Herrmann, »und von dieser Erkenntnis aus reflektierte Tork laut über alles, was wir in Erfahrung gebracht hatten. Und es ergab Sinn! Wenn Daniel die Schachtel mit dem Digoxin ursprünglich in seinem Sakko versteckt hatte, konnte gut und gern ein Faden davon dranhängen, auch wenn er sie am Tag der Tat ausgepackt und sein Jackett im Büro gelassen hatte. Und nur er selbst konnte sich das Medikament auf eine Weise zuführen, dass niemand etwas davon bemerkte. Seine Gäste waren ohnehin mit den Vergiftungserscheinungen beschäftigt, die von der Sachertorte stammten – die er sich ausdrücklich für diesen Nachmittag von Louise gewünscht hatte!«

      »Also Selbstmord«, erkannte Judith, fügte jedoch skeptisch hinzu:

      »Die meisten Menschen, die keinen Ausweg mehr wissen und sich das Leben nehmen, hinterlassen allerdings einen Abschiedsbrief.«

      »Das wäre zumindest leichter gewesen als der Aufwand, den Daniel betrieb«, bemerkte Cornelia lakonisch. »Ich meine das ganze Ablenkungsmanöver mit den Maiglöckchen und der Website…«

      »Den Verdacht auf das eigene Kind zu schieben«, entrüstete sich Wilma. »Welch ein Ungeheuer! Wie konnte er soweit gehen?«

      »Ihm blieb nichts anderes übrig, als auf Abschiedsbriefe zu verzichten und von seinem wahren, traurigen Vorhaben abzulenken«, sagte Herrmann. »Denken Sie nur scharf nach, warum!«

      »Die Lebensversicherung«, erkannte Ronald. »Sie würde nicht greifen, wenn er Suizid beginge, richtig? Solch eine Klausel steckt in den meisten Policen drin.«

      Der ehemalige Kriminaldirektor nickte.

      »Darum war Daniel bemüht, seinen Tod wie einen Mord oder wenigstens wie ein Unglück aussehen zu lassen. Auch wenn er selbst keinen anderen Ausweg aus seinem Leiden wusste, durften seine Frau und seine Tochter nicht mehr leiden als nötig – das Geld aus der Versicherung sollte sie trösten. Er wollte sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.«

      »Eigentlich drei«, wandte Kay ein.

      »Wieso drei?«, fragte Herrmann.

      »Na, als letzte väterliche Erziehungsmaßnahme hat er’s geschafft, seiner Tochter die Leichtgläubigkeit bezüglich des Internets abzugewöhnen.«

      »Väterliche Erziehungsmaßnahme«, wiederholte Wilma spottend. »Er hat dem Kind versucht einzureden, es trüge die Schuld am Tod des eigenen Vaters! Von wegen, es sollte nicht mehr leiden als nötig. Dieser Mann war ein Ungeheuer! Würden die werten Herren sich mal selbst zuhören und merken, was Sie da

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