Beschuldigt. Rita Renate Schönig

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Beschuldigt - Rita Renate Schönig Seligenstädter Krimi

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galt, und erwiderte es mit einem: „Zum Wohl, der Herr.“

      Frank nahm dies zum Anlass und fragte, ob sie wüsste, seit wann das Schulgebäude am Main schon leer stand und weshalb. Sie verneinte. Zeigte dann aber zum Einhardhaus. „Am besten, Sie erkundigen sich im Büro der Touristeninformation. Die Damen dort können Ihnen bestimmt weiterhelfen.“

      Nach der schmackhaften Mahlzeit ging er, wie ihm geraten worden war, zu besagter Tourist-Info, wie ein Schild an der Eingangstür auf die korrekte Bezeichnung hinwies. Die Auskunft, die er bekam, stimmte ihn aber keineswegs freudiger. Um die altehrwürdige Hans-Memling-Schule hatte ein unschöner Kampf begonnen und das Gebäude war in den letzten Jahren zwischen zwei Fronten geraten. Ein Teil der Bevölkerung wollte eine private Lehranstalt daraus machen; der andere die Räumlichkeiten der Allgemeinheit für soziale Zwecke zugutekommen lassen. Beides kostete aber Geld, das keinem der Interessenten zur Verfügung stand.

      Ein Abstimmungsaufruf der „Freunde der HMS“ – so nannten sich die Befürworter der gemeinnützigen Nutzbarmachung – an die Einwohner der Stadt, entschied letztlich zu deren Ansinnen. Dennoch dämmerte das Gebäude weiter in seinem komatösen Zustand dahin. Erfreulicherweise trotzte die Substanz des Hauses einem frühzeitigen Verfall; wenn man bedachte, dass der Hauptteil der Schule schon 1843 erbaut worden war und danach stetig erweitert wurde.

      Tief in Gedanken versunken fand Frank sich erneut auf dem ehemaligen Schulgelände wieder. Er setzte sich auf die Stufen des mittigen Haupteingangs, nahm sein Bandoneon vom Rücken und schlug einige leise Akkorde an.

      Die Gruppe der älteren Personen bemerkte er erst, als einer von ihnen seinen Gehstock anhob und in seine Richtung zeigte. Sollte der untersetzte und glatzköpfige Mann ihn erkannt haben? Und wenn schon, dachte Frank Lehmann, senkte den Kopf und konzentrierte sich wieder auf sein Musikinstrument. Sekunden später hatte er die Leute vergessen.

       Freitag / 15:50 Uhr

      „Wenn isch eusch des doch saach. Des is der Lehmann, der Lehrer von der Schul do, der üwer Nacht verschwunne is. Isch hoab den genau erkannt“, beharrte Schorsch und schwang seinen Gehstock beim Laufen hin und her. „Der hot aach genau so e Quietschkommod‘ gespielt – weil, der war doch Musiklehrer – domols in der Schul.“

      „Überleg doch mal“, entgegnete Herbert. „Das könnt‘ dreißig Jahr oder sogar länger her sein. Wie willst du den jetzt noch erkenne? Außerdem siehst du sowieso net mehr sehr …“

      „Mit der neuen Brille sieht der Schorsch wieder sehr gut“, verteidigte Brigitte ihren Freund.

      „Ja genau“, stimmte der zu. „Ihr habt aach noch goar nix gesacht … wie die eusch gefällt. Die Britschitt hot die fer mich ausgesucht. Die war ganz schee deuer. Hier, guckt e mol.“ Bei dem Versuch, die Sehhilfe von seiner Nase zu nehmen, stieß er gegen Herberts Oberarm und die Brille fiel ihm aus der Hand auf die roten Sandsteinplatten vor der Kirche.

      „Schorsch!“ Brigittes Aufschrei übertönte fast den Schlag der Kirchenglocke, die gerade 16 Uhr schlug. „Du bist aber auch manchmal ungeschickt“, schimpfte sie und gab Schorsch die Brille zurück, nachdem sie festgestellt hatte, dass sie heil war.

      Gundel konnte sich ein Grinsen nicht verbeißen. Seit sie ihre kurze Eifersüchtelei auf die aus Chile zurückgekehrte Britschitt, wie Schorsch Brigitte Diaz geborene Zimmermann nannte, überwunden hatte, kamen die drei gut miteinander zurecht.

      Bis vor wenigen Monaten war Sepp noch mit von der Partie. Wenn auch nicht mehr so flott zu Fuß, brachte er durch seine abenteuerlichen Marotten und Einfälle immer wieder Leben in die Truppe. Gundel erinnerte sich noch gut an einige Episoden.

      Weil die Festnetzstation auf den Boden gefallen und zerbrochen war, hatte Sepp versucht, das Gehäuse mit Sekundenkleber zu verbinden. Daraufhin mussten die Sanitäter seine Finger, die an der Station klebten, mit einem Spezialmittel lösen. Dann die Sache mit dem vermeintlich toten Kaninchen seines Enkelsohns Leon, dass durch einen identisch aussehenden Hasen ersetzt werden sollte. Stunden später stellte sich heraus, dass das Karnickel nur eine Schnapsleiche war, wegen der ausgelaufenen Flasche Korn, die Sepp im Hasenstall vor seiner Tochter Elfi versteckt hatte. Dass es sich bei dem alkoholisierten Langohr um eine Häsin handelte, die mit dem neu hinzugekommenen Rammler gleich mal eine Familie gegründet hatte, darüber war nur Leon begeistert – dessen Eltern weniger.

      Sepps Einfall im letzten Jahr setzte allem aber die Krone auf. Er fotografierte, was ihm vor die Linse kam, und die Aufnahmen landeten letztlich im weltweiten Netz, freilich mithilfe der Körner-Jungs aus der Nachbarschaft. Doch damit ging er eindeutig zu weit. Zumal Gundel bei einem seiner Schnappschüsse die Hauptrolle spielte und dazu in einer keinesfalls vorzeigbaren Situation. Auch wenn die Aufzeichnung von Felix und David Körner wieder aus dem Internet herausgenommen wurden, war das Verhältnis zwischen ihr und Sepp etwas angekratzt – bis vor einigen Wochen.

      Er stürzte auf der Treppe im Hauseingang und konnte das Bett nur noch selten verlassen. Seit dieser Zeit saß Gundel oft bei ihm.

      Wenn isch mol werklisch net mehr waas, was do owe bei mir vorgeht – sagte er und zeigte auf seinen Kopf, der mit einem weißen Verband umwickelt war – musst de mir verspreche, dass de mir e ganz besonders Plätzje backst, domit des schnell vorbei is.

      Zuerst machte Gundel große Augen, nickte dann aber zögerlich. Oft hatte sie ihre Spezialplätzchen mit den geheimen Zutaten gebacken und sich diese zusammen mit Sepp und Schorsch bei einer Tasse Tee schmecken lassen. Und ja – einmal hatte sie sich in der Dosis vertan. Die Folge war, dass sie alle ausgelassen in Sepps Garten tanzten und sangen, hatten aber die Orgie, wie Herbert es genannt hatte, ohne Schaden überlebt. Die Cannabispflanzen nicht. Er entsorgte sie noch am gleichen Tag. Jedoch war der Nachschub durch Gundels Freundin aus den Niederlanden gesichert, jetzt sogar in mundgerechter Form. Und die hohen Stromkosten, die das Aufziehen der Pflanzen erforderlich machten, fielen ebenfalls weg.

      Es war schon besser so – besonders für Sepp, sprach Gundel sich selbst Mut zu und wischte die Tränen, die über ihre Wangen kullerten, hurtig weg. Innerhalb von vierzehn Tagen schloss er für immer seine Augen. Elfi hatte gesagt: Mit einem Lächeln im Gesicht. Ob das stimmte ...? Auf jeden Fall half es und Gundel war heilfroh, dass sie ihr Versprechen nicht einlösen musste.

      „Warum ist der Lehrer verschwunden?“, wollte Brigitte wissen und holte sie damit in die Gegenwart zurück.

      „Ach, des war e ganz komisch Geschicht“, erwiderte Schorsch. „Do war so a Mädsche, die hot ihrn Lehrer …“

      „Ihr kommt doch noch mit zum Kaffee?“, wurde er von Elfi unterbrochen. Sie, ihr Mann und Leon – Sepps Lieblingsenkel – sowie dessen Eltern hatten die Gruppe mittlerweile eingeholt.

      „Ich habe einen Schokoladenkuchen gebacken“, sagte Bettina. „Den hat Sepp immer so gerne gemocht.“

      Spontan fuhr Schorsch genüsslich mit der Zunge über seine Lippen. Gleichzeitig blickte er zum Himmel hoch. „Mer esse e Stick fer disch mit Sepp und denke debei an disch.“

       Herbert drehte seinen Kopf zur Seite und wischte eine kleine Träne aus den Augenwinkeln. Nicht nur wegen des emotionalen Moments glänzten jetzt auch Schweißperlen auf seiner Stirn. Von einem nur mit wenigen Wölkchen besiedelten, fast strahlendblauen Himmel schien die Herbstsonne und überschritt nochmals die 18 Grad-Marke. Er schwitzte gewaltig in seinem schwarzen Anzug und war froh, das Jackett bald ausziehen zu können – wenn er denn durfte. Ein Seitenblick zu Helene, die sich ebenfalls mit einem Taschentuch über die Stirn wischte, erfüllte ihn mit Hoffnung. Offenbar war ihr in dem dunkelblauen

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