Beschuldigt. Rita Renate Schönig

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Beschuldigt - Rita Renate Schönig Seligenstädter Krimi

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wird der Kerl mir büßen“, presste Till mit fast geschlossenen Lippen hervor. Dabei hielt er sich seinen Hinterkopf, auf dem sich spürbar eine Beule bildete.

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      „Warte!“, rief Julian. Die Zwillinge kamen durch das Treppenhaus gedüst. „Die beiden werden es dir heimzahlen wollen.“

      Frank nickte. Er schnallte sich das Akkordeon auf den Rücken. „Danke, für die Info.“

      „Du kennst unsere Eltern, stimmt’s?“, fragte Pauline nach.

      „Na ja, was heißt kennen? Sind ja doch schon einige Jahre her“, versuchte er um eine Antwort herumzukommen.

      „Unsere Mutter ist eigentlich ganz cool aber unser Vater rastet manchmal total aus. Ist ein richtiger Kontrollfreak.“ Julian sah auf seine Armbanduhr. „Wir müssen dann auch, sonst gibt’s wieder Stress.“

      Frank atmete hörbar auf. Der Kelch war an ihm vorbeigegangen!

      „Wir treffen uns morgen um 14 Uhr an der >Noth Gottes<. Ist da vorne, die kleine Kapelle.“ Pauline zeigte in die Richtung des Friedhofs.

      „Komm jetzt“, drängelte Julian und packte seine Schwester am Arm.

      Nachdenklich schaute Frank ihnen hinterher. Erneut schlug die Kirchturmuhr, diesmal waren es neun Schläge. Bis morgen hatte er Zeit, sich zu überlegen, was er den beiden sagen wollte.

       Freitag / 16:55 Uhr

      Zunächst drehten sich die Gespräche um die Beisetzung allgemein und die Vielzahl der Menschen, die Sepp auf seinem letzten Weg begleitet hatten. Diejenigen, die jetzt um den verlängerten Esstisch im offenen Wohnbereich saßen, waren die engsten Nachbarn, in Jahrzehnten zu Freunden geworden, sich gegenseitig unterstützend und immer füreinander da. Aber auch neu Hinzugekommene wie die Kriminalkommissare Nicole Wegener und ihr Lebensgefährte Andreas (Andy) Dillinger. Sie hatten Sepp vor fast genau sechs Jahren kennengelernt, bei dem ersten Mordfall in dieser idyllischen Kleinstadt. Ebenso seine Nachbarn Georg Lenz, allseits als Schorsch bekannt und Gundula Krämer, die von der gegenüberliegenden Straßenseite alles und jeden im Blick hatte.

      Damals ging Nicole davon aus, die Intervention in ihre Mordermittlung würde eine einmalige Angelegenheit bleiben; ein gewaltiger Irrtum, wie sie einige Monate später feststellen musste. Seitdem hatte sie es immer wieder mit der selbst ernannten Senioren-SoKo zu tun, dessen Führung Helene Wagner, ihre ehemalige Vermieterin – im Laufe der Jahre zur mütterlichen Freundin geworden – und ihr Lebenspartner Herbert Walter übernommen hatten.

      Auch wenn sich Nicole Wegener öfters über die Einmischung ärgerte, musste sie doch zugeben, dass die Hinweise der Hobbykriminalisten sie und ihr Team immer vorangebracht hatten. Als Oigeplackte, wie Herbert sie bezeichnete, tendierten ihre Chancen zum Nullpunkt, ging, es darum an alte Geschichten zu geraten und Geheimnisse auszugraben. Also hatte sie letztes Jahr mit den Hobbyermittlern einen Kompromiss geschlossen: Aushorchen und Auskünfte einholen gestattet – selber aktiv werden ausgeschlossen! Nur stellte die seit Anfang 2019 zur Ersten Kriminalhauptkommissarin ernannte Chefin der Abteilung K11 der Offenbacher Kriminalpolizei fest, dass ihre Anweisungen lediglich von den Kollegen und Kolleginnen im Präsidium befolgt wurden.

      In augenfällig angeregter Unterhaltung saßen Gundel, Schorsch und Brigitte am anderen Ende der Kaffeetafel. Sie gaben ein skurriles Bild ab. Immer wieder sprang die 1,45 Meter kleine und kugelige Gundel auf, wenn sie Brigitte ansprechen wollte, weil Schorsch zwischen ihnen thronte. Folglich machte sie den Eindruck eines Kindes, das auf seinem Hüpfball auf und nieder hopste.

      Die Kommissarin konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

      Die nächsten vier Sitzplätze waren frei, weil Helene derzeit am Kuchenbüffet stand und sich mit Bettina Roth unterhielt und ihr Ehemann Ferdinand zusammen mit Herbert für alkoholischen Nachschub sorgte. Der Einzige, der sich sofort aus dem Staub gemacht hatte kaum, dass die Gäste das Haus betraten, war Leon, Sepps Stiefenkel. Nicole schätzte, dass er am meisten unter dem Verlust litt. Er hatte seinen Grandpa, wie er Sepp in letzter Zeit betitelte, sehr gemocht und ihn oft in den Ferien besucht. Das lag nicht zuletzt daran, dass Sepp, trotz seines fortgeschrittenen Alters, für alles empfänglich war, was Leon interessierte und dementsprechend zu sämtlichen Schandtaten bereit.

      Nicole erinnerte sich an die Sache mit der Drohne, die die beiden über die Nachbargrundstücke hatten fliegen lassen und dabei Gundula Krämer beobachten. Die meinte, es handele sich um einen Angriff von Außerirdischen und hatte, außer sich vor Furcht, sie sollte entführt werden, die Polizei informiert. Zum Glück glaubte der Leiter der hiesigen Polizeidienststelle nicht an eine extraterrestrische Bedrohung und verfasste keinen Bericht. Im Gegenzug legte er ihr nahe, in Zukunft von Videos, in denen Ufos und Aliens vorkommen, Abstand zu nehmen.

      „Nicole, darf ich dir noch ein Stück Schokoladenkuchen auflegen?“, wurde die Kriminalbeamtin von Bettina Roth aus ihren Gedanken geholt.

      „Wie? Eh ..., nein danke. Dein Kuchen schmeckt ausgezeichnet und ich liebe alles, was mit Schokolade zu tun hat. Aber es wäre schon das zweite Stück und die anderen wollen ...“

      „Der Sepp mochte ihn auch sehr, deshalb habe ich den gebacken – quasi als Hommage. Jeder von uns hat einen von Sepps Lieblingskuchen gebacken. Helene ihre berühmte Käsetorte und Elfi einen Streuselkuchen.“

      „Und was hat Frau Krämer beigesteuert?“ Nicole schaute bedenklich auf das Kuchenbüffet auf dem Tisch nebenan.

      „Nichts“, antwortete Bettina und flüsterte ihr ins Ohr. „Wir wollten keinesfalls, dass deine Kollegen vom Drogendezernat hier einfallen.“

      „Oh. Da bin ich beruhigt. Wenn das so ist, esse ich gerne noch ein Stück.“ Die Kommissarin lächelte. „Aber bitte, kann ich ein Glas Wasser haben? Noch einen Kaffee und ich tanze heute Nacht.“

      „Dann vielleicht einen chilenischen Roten?“, fragte Gerald, Elfis Ehemann und hielt eine Flasche Rotwein in der Hand. „Ein Geschenk von Brigitte. Wäre besser als eine Trauerkarte, meinte sie.“

      „Nur zu“, wurde Nicole von Andy ermuntert. „Du hast dieses Wochenende keinen Dienst, ich schon. Deshalb bei mir nur Wasser.“

      „Ach stimmt, du hast ja Bereitschaftsdienst. Du Ärmster.“ Sie verzog bedauernd das Gesicht.

      Eine Schussverletzung bei einem Einsatz im Frankfurter Rotlichtmilieu im Jahr 2000 nötigte Kriminalhauptkommissar Andreas Dillinger zum Innendienst. Spontan entschied er, sich vorerst komplett aus der Schusslinie und damit quasi in den Untergrund zurückzuziehen. Nachdem er einige Zeit im Archiv des Offenbacher Polizeipräsidiums zugebracht hatte, die scherzhaft Katakomben genannt wurden, entdeckte er sein Interesse für die Cold Cases. Er absolvierte eine Ausbildung zur psychologischen Betreuung traumatisierter Opfer, um die er sich ehrenamtlich kümmerte, ebenso um Angehörige von Mordopfern. Einige Jahre war er damit auch sehr zufrieden. Aber seit er mit Nicole zusammengezogen war und folglich wieder hautnah an den Ermittlungen teilnahm, spürte er dieses gewisse Kribbeln, das ihn in seiner Zeit bei der Sitte stets begleitet hatte und er wusste, der Zeitraum seiner Passivität war vorbei. Zumal auch sein Bein, das ihn gehindert hatte, in den aktiven Polizeidienst zurückzukehren, wieder voll einsatzfähig war. Jedenfalls so weit, dass er einen Flüchtigen kurzzeitig würde verfolgen können. Seit Juli war er nun im lebendigen Betrieb zurück, aber eben beim Kriminaldauerdienst. Das bedeutete: Schichtdienst und er war für dieses Wochenende eingeteilt.

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