Sinja und der siebenfache Sonnenkreis. Andreas Milanowski

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Sinja und der siebenfache Sonnenkreis - Andreas Milanowski Sinja

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Klanges´ bei den Steinkreisen gefeiert, seitdem der Unerhörte in der ´Schlacht der vier Heere´ besiegt wurde?“

      „Viermal, o Hinandua, mein weiser Lehrer!“, antwortete Cichianon.

      „Ja, viermal!“, wiederholte der Alte langsam. Er wirkte müde und das Sprechen fiel ihm hörbar schwer. Trotzdem hob er jetzt die Stimme und rief zornig: „In dieser kurzen Zeit haben die Bewohner Dorémisiens den Bund der Völker zerstört und so viel Misstrauen gesät, dass wir nicht einmal mehr in der Lage sind, die wichtigsten Nachrichten auszutauschen. Dem Rat ist zu Ohren gekommen, dass Fasolanda in ernsthaften Schwierigkeiten steckt und aus der Hauptstadt hören wir darüber nicht das Geringste, jedenfalls nicht von unserer Königin. Keine Nachricht, kein Glissando mit einer Botschaft, kein Bote, nichts! Glücklicherweise gibt es noch einige Aufrechte aus dem Kreis der Weisen, die ein Interesse daran haben, dass der Kontakt zwischen den Völkern nicht gänzlich abreißt. Von ihnen haben wir einige sehr beunruhigende Nachrichten erhalten. Es gibt Zeichen, dass der Unerhörte wieder aktiv geworden ist. Er versucht offenbar, durch Intrigen und gezielte Provokationen Unfrieden zu stiften. Das scheint ihm zunehmend zu gelingen. Außerdem scheint sein Interesse an der Vollendung des siebenfachen Sonnenkreises wieder aufgeflammt zu sein.“

      „Der Sonnenkreis?“, rief Aisdolan, eines der Ratsmitglieder. „Wir dachten, der Orden hätte seinerzeit das Pergament vernichtet?“

      „Wie du siehst, Aisdolan“, entgegnete Hinandua nachdenklich, „ist das bislang offenbar nicht geschehen.“ Er schaute in die Runde. „Doch möchte ich jetzt gerne unseren Gästen erklären, warum wir sie zu dieser Zusammenkunft gebeten haben.“ Der Alte wandte sich an die beiden Engilaner.

      „Ihr seht, meine Lieben, die Dinge sind kompliziert. Wir wissen zu wenig über die Situation in der Hauptstadt und daher möchten wir euch beide, Cichianon und Doriando bitten, nach Fasolanda zu gehen und dort Erkundigungen einzuholen, wie es um unsere Sache steht.“

      „Wir sollen als Spione in die Hauptstadt gehen?“, fragte Doriando.

      „Spione?“, entgegnete Hinandua. „Was für ein hässliches Wort! Nein, ihr sollt Augen und Ohren offenhalten und den Rat darüber informieren, was in Fasolanda geschieht. Wir müssen erfahren, wie es um die Königin steht. Wir wissen, dass dies eine gefährliche Reise werden wird. Es mag sein, dass ihr dort mit Schergen des Unerhörten zusammentrefft und sie sind nicht leicht zu erkennen. Ihr wisst, der Finstere kennt kein Mitleid und tötet ohne Gnade, um seine Ziele zu erreichen. Doch ihr seid jung und stark, kennt die Hauptstadt, den Weg dorthin und seid, trotz eurer Jugend, erfahren genug mit den Schlichen des Bösen. Die Königin vertraut euch.“

      Hinandua machte eine kurze Pause, atmete einige Male tief und fuhr dann fort: „Wir haben euch heute hierher kommen lassen, in die Halle des Gildanmir, um die Stimmen Engils in dieser Angelegenheit zu hören. Der Gildanmir ist das Ohr des Universums und trägt die Weisheit der Welten in sich, die mit Worten nicht gesagt werden kann. Doch wenn ihr sprecht, so wird der Gildanmir das Gewicht eurer Worte wägen und uns zeigen, ob der Klang eurer Sprache dem Klang eures Herzens folgt oder nicht. Also sprecht wahrhaftig, wenn ich euch frage: Wie denkt ihr über diese Reise?“

      Hinanduas Worte verhallten und hinterließen erneut einen Moment der Stille. Niemand wollte seine Stimme erheben. Auch Cichianon und Doriando schwiegen. Unter dem hohen Dachgewölbe war nur noch das geheimnisvolle Summen des riesigen Steines zu hören. Im dämmrigen Licht der Halle funkelte und glitzerte er, wie von silbrigem und goldenem Sternenstaub überzogen. Hin und wieder schien ein Leuchten von dem gewaltigen Felsen auszugehen. Endlich fasste sich Cichianon ein Herz:

      “Weiser Hinandua, ehrwürdige Mitglieder des Rates! Ihr habt uns nach Ildindor gerufen, um Engil eine Stimme zu geben im Angesicht Gildanmirs, der die Weisheit der Welten in sich trägt. Ich will also jetzt zu euch sprechen, so wie es den Mitgliedern des ehrwürdigen Rates gebührt und Gildanmir, der mit Feuer vom Himmel Gekommene, möge bezeugen, dass ich wahr spreche. Auch wir Elfen in Engil haben die Gerüchte vom Wiedererstarken des Unerhörten vernommen. Auch wir sind sehr beunruhigt, zu erfahren, dass die Dinge in Fasolanda in Unordnung geraten sind. Es ehrt uns sehr, dass der Rat uns die Aufgabe anvertrauen will, in die Hauptstadt zu gehen, um die Sache des Elfenvolkes dort zu vertreten. Doch ich bitte euch um etwas Geduld. Wir wollen zunächst unsere Kräfte sammeln und dann sehen, mit welchen Mitteln wir dem Unerhörten entgegentreten können. Wir hoffen, dass das Menschenmädchen Sinja mit dem `flammenden Herz´ und dem Zauberbogen zu uns stößt. Das würde vieles leichter und uns erheblich stärker machen. Dem Vernehmen nach soll der Kreis der Weisen mit ihr Kontakt aufgenommen haben. Ich bitte euch also: lasst uns nach Engil zurückkehren, um mit unseren Freunden die Lage zu beraten und dann eine Entscheidung zu treffen.“

      Erhebliche Unruhe entstand unter den Ratsmitgliedern nachdem Cichianon seine Rede beendet hatte. Alle tuschelten und redeten durcheinander. Einige schauten Cichianon und Doriando grimmig an, andere abschätzig. Schließlich erhob sich Gisandela, eine große, schlanke Elfenfrau mittleren Alters von ihrem Sitz. Sie hatte glattes, weißes Haar, das ihr über die Schultern und den Rücken fiel, war in einen bodenlangen, dunklen Umhang gekleidet und trug einen Langbogen mit sich, der aufgestellt so groß war, wie sie selbst. Sie wartete, bis Ruhe im Saal eingekehrt war und sprach dann zu den Anwesenden:

      „Weiser Hinandua, ehrwürdige Mitglieder des Rates! Ich kann nicht glauben, was wir hier zu hören bekommen von Cichianon von Engil, einem der Helden der `Schlacht der vier Heere´. Doriando… Emelda… Amandra… Gamanziel… Ferendiano… Cichianon? Elfen von Engil, hat euch der Mut verlassen? Ist euch das angenehme Leben in den Wäldern von Adagio zu Kopfe gestiegen. Hat es euch weichgemacht? Seid ihr nicht mehr in der Lage, Freund von Feind zu unterscheiden und entsprechend zu handeln? Der Rat hat euch auserwählt nach Fasolanda zu gehen und, wenn nötig, dem Unerhörten entgegenzutreten und wir hatten gute Gründe für diese Wahl. In vielen Kämpfen habt ihr bewiesen, dass es an Mut, an Kraft, an Geschicklichkeit und Klugheit wenige mit euch aufnehmen können. Doch die Worte, die ich heute von dir höre, Cichianon, zeugen nicht von Mut und Klugheit. Sie zeugen von Verzagtheit und Wankelmut. Sind das die Helden von Engil? Sind das die, die auf den Mauern Fasolandas standen und gegen eine übermächtige Armee aus Morendo den Sieg errangen? Ich glaube nicht, dass es einen Grund für euch geben sollte, den Auftrag des Rates zurückzuweisen. Ihr solltet, sobald als möglich, den Weg nach Fasolanda antreten und dort tun, was zu tun ist! Ferendil, das Schwert von Ildindor soll euch begleiten, euch schützend zur Seite stehen und dafür sorgen, dass ihr auch von diesem Kampf siegreich zurückkehren werdet!“

      Mit diesen Worten drehte sich Gisandela herum, trat einige Schritte aus dem Kreis der Ratsmitglieder heraus und holte hinter ihrem Ratssitz ein mächtiges Schwert hervor. Ein Raunen ging durch den Saal. Mit beiden Händen hielt sie die Waffe über ihren Kopf. Erneut kam Unruhe auf unter den Versammelten.

      „Das Schwert der Könige!“

      „Ja, hier ist Ferendil, das Schwert der Fürsten von Ildindor, geschmiedet mit Feuer und Eisen in den Bergen des Nordens!“, rief Gisandela. „Dieses Schwert hat eine Bestimmung. So steht es geschrieben. Und diese Bestimmung ist die Befreiung der Königin aus ihrer Gefangenschaft.“

       Sie zeigte, wie zum Beweis ihrer Macht, jedem der Anwesenden die Klinge. Sie war mit Silber beschlagen und so lang, wie der ausgestreckte Arm eines erwachsenen Mannes. Im Lichte Gildanmirs blitzte sie wie Gisandelas eisblaue Augen. Der Schwertgriff war mit dunklem Leder umwickelt und durch langgezogene Fäden aus grün schimmerndem, oxidiertem Kupfer mit der Klinge verwoben. Aus dem Griff heraus wuchsen, links und rechts zwei grimmig schauende Drachenköpfe. Das Wappen der Elfenherrscher prangte auf der Parierstange: der Wolfskopf vor dem Silbermond. Hinandua nahm das Schwert ohne Regung entgegen.

      Cichianon sah die mächtige Waffe und erschrak. Er brauchte einen Moment, um zu begreifen, was geschehen war. Hatte Gisandela, Mitglied des ehrwürdigen Rates der Elfen, die Engilaner gerade aufgefordert, in den

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